Berlin

Die Inflation wird zur sozialen Frage: Jörg Hilpert zum Preisanstieg auf breiter Front

Von Jörg Hilpert
Jörg Hilpert
Jörg Hilpert Foto: Jens Weber

Diesel kostet jetzt gern mal 1,60 Euro, für Superbenzin rufen Tankstellen frühmorgens durchaus 1,70 Euro und mehr auf. Wer trotz Corona täglich zur Arbeit fährt, spürt dies schmerzhaft. Andere schauen mit Sorge auf den Stand im Heizöltank: Wer jetzt nachbestellen muss, greift tief in die Tasche. Wohl jeder hat einen neuralgischen Punkt, an dem er es spürt: Die Preise galoppieren davon.

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Doch wie lange noch? Im Lauf des Jahres 2022 soll es besser werden, stellen Ökonomen in Aussicht. Energie ist vor allem deshalb so teuer, weil Öl- und Gaspreise mit dem Wiederanziehen der Konjunktur „nach“ Corona heftig hochgeschossen sind. Da kann sich die Lage wieder beruhigen. Was dauerhaft bleibt, ist allerdings der CO2-Aufschlag. Der Mehrwertsteuereffekt fällt immerhin weg: Die Zahlen waren 2021 auch deshalb so hoch, weil der zuvor in Corona-Zeiten gesenkte Steuersatz wieder auf Normalniveau angehoben wurde. Doch höhere Materialpreise werden erst noch so richtig auf die Verbraucher durchschlagen. Der Preiserwartungsindex des Münchner Ifo-Instituts zeigt an, dass viele Unternehmen ihre höheren Kosten durchreichen werden.

Ein paar Auswege gibt es – theoretisch. Das Haus besser zu dämmen, kann Heizkosten einsparen – obwohl sich auch Baustoffe massiv verteuert haben. Der Umstieg aufs E-Auto kann sich auszahlen, weil der Verbrauch günstiger ist – trotz ebenfalls hoher und steigender Strompreise. Noch besser kommt der Hausbesitzer weg, der sich eine Fotovoltaikanlage installieren lässt und dann sozusagen nahezu kostenlos tankt. Der Haken daran ist nur: Es geht oft um Investitionen, die viele überhaupt nicht stemmen können.

Das Ganze droht sich zur sozialen Frage auszuwachsen. Die Wohlhabenden ziehen den Kopf zumindest ein bisschen aus der Schlinge, indem sie derartige Investitionen angehen. Die große Masse bleibt dem Preisdruck aber schutzlos ausgeliefert. Jeder neunte Deutsche kann seine Lebenshaltungskosten kaum noch tragen, ergab eine Umfrage für die Postbank. Die Ampelkoalition darf sich da nicht mit ein bisschen Heizkostenzuschuss begnügen. Bereits beschlossen ist zwar, dass die EEG-Umlage für den Ökostrom 2023 entfällt, um zumindest bei den Stromkosten etwas Luft zu verschaffen. Doch das ist zu spät. Die Ampel muss den Schritt vorziehen und noch weitere gehen – über die Steuersätze hat sie die Möglichkeit dazu. Höchste Zeit zu handeln.

E-Mail: joerg.hilpert@rhein-zeitung.net