Bonn/Kreis Altenkirchen

Corona-Krise stellt Kfz-Betriebe vor Herausforderungen: Lange Wartezeiten beim Reifenwechsel

Von Heinz-Günter Augst , dpa
Rund um Ostern steht für viele Autofahrer der Wechsel von Winter- auf Sommerreifen an. Da die Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie jedoch auch Kfz-Betriebe ausbremsen, müssen sich Kunden auf teils lange Wartezeiten einstellen.   Foto: dpa
Rund um Ostern steht für viele Autofahrer der Wechsel von Winter- auf Sommerreifen an. Da die Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie jedoch auch Kfz-Betriebe ausbremsen, müssen sich Kunden auf teils lange Wartezeiten einstellen. Foto: dpa

Der für Millionen Autofahrer anstehende Wechsel von Winter- auf Sommerreifen wird dieses Jahr zur Herausforderung. „Die Kunden müssen sich auf längere Wartezeiten einstellen“, sagte Yorik Lowin, Geschäftsführer des Reifenfachhandelsverbands BRV, in Bonn. Die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie bremsen den Wechsel. Zudem ist es in manchen Bundesländern, die wie Bayern stärkere Ausgangsbeschränkungen haben, derzeit gar nicht erlaubt, wegen eines Reifenwechsels in die Autowerkstatt zu fahren. Auch das Gesundheitsministerium des Freistaats bestätigte: „Reifenwechsel stellen keine triftigen Gründe zum Verlassen der Wohnung dar.“

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„Selbst wenn die Unternehmen offen haben, können sie nicht mit 100 Prozent plus X arbeiten“, erklärte Yorik Lowin. Normalerweise sind die Wechselzeiten im Frühjahr und Herbst ausgesprochen hektische Zeiten beim Reifenhandel, in denen teilweise am Anschlag gearbeitet wird.

Weniger Kunden, mehr Abstand

Das ist laut Lowin jetzt nicht möglich – schon allein, weil die Mitarbeiter auch in der Werkstatt Abstand halten müssten und man auch nicht so viele Kunden wie sonst gleichzeitig im Betrieb haben könne. Dass – wie sonst manchmal zu Stoßzeiten – 20 Menschen gleichzeitig warteten, sei derzeit nicht möglich. Zudem ließen manche Betriebe derzeit die Kunden ihre Autos selbst in die Werkstatthallen fahren, damit sich die Mitarbeiter nicht in die Fahrzeuge setzen müssten.

Auch Wilhelm Hülsdonk, Bundesinnungsmeister des Kfz-Handwerks, sagte: „Die Saison wird wegen der aktuellen Einschränkungen und unserer Bemühungen, die Kontakte mit den Kunden zu reduzieren, länger dauern.“ Bisher kämen auch noch nicht so viele Kunden in die Werkstätten. „Aber ob ich diese Umsätze im April oder Juni mache, ist nicht so wichtig.“ Da gebe es zurzeit größere Probleme. „Insgesamt ist die aktuelle Situation für unsere Betriebe sehr belastend.“

Zusätzlich bremsend wirkt sich aus, dass manche Werkstätten derzeit gar nicht geöffnet haben. ATU aus Weiden zum Beispiel, mit 574 Filialen die größte unabhängige Werkstattkette Deutschlands, hat seit Mitte März den Großteil der Betriebe vorübergehend geschlossen. Aktuell gibt es laut einem Sprecher zehn Standorte, die eine Notfallversorgung bieten. Man arbeite daran, weitere zu öffnen.

ATU erwartet aber, dass sich die Reifenwechselsaison dieses Jahr ohnehin nach hinten verschiebt. „Wir gehen aktuell davon aus, dass ATU rechtzeitig zur diesjährigen Frühjahrsumbereifung wieder flächendeckend den Betrieb aufnehmen kann“, so der Sprecher. „Spezielle Maßnahmen für die Zeit nach den durch Covid-19 bedingten Betriebsunterbrechungen sind derzeit in Vorbereitung.“

Andere Ketten, wie beispielsweise Euromaster, haben dagegen geöffnet. Momentan beobachte man noch keinen riesigen Ansturm, auch wenn viele Menschen die alte Regel, die Winterreifen von Oktober bis Ostern zu fahren, durchaus ernst nähmen, sagte eine Sprecherin.

Und auch in den Landkreisen Neuwied, Westerwald und Altenkirchen haben alle der Kfz-Innung Rhein-Westerwald angehörenden Betriebe weiterhin geöffnet, wie die Hauptgeschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald, Elisabeth Schubert, auf Anfrage mitteilte. Andreas Schug vom gleichnamigen Autohaus aus Oberlahr (Kreis Altenkirchen) bestätigte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass zwar bei vielen Autofahrern und -besitzern zwischenzeitlich die Sorge aufkomme, dass auch Kfz-Werkstätten alsbald schließen würden. Dies sei ihm aber bislang nicht bekannt. „Wenn wir keine Autos mehr reparieren, steht ganz schnell alles still. Dies ist und wird nicht das Ziel unseres Gewerbes sein“, sagte Schug.

Auf die Verkehrssicherheit hat die verzögerte Wechselsaison indes wohl keine dramatischen Auswirkungen, auch wenn Winterreifen bei hohen Temperaturen wegen ihrer auf Kälte eingestellten Gummimischung längere Bremswege haben. „Wenn Reifen schon stark heruntergefahren sind oder eine längere Reise ansteht, sollte man den Wechsel möglichst bald machen lassen“, sagte Hülsdonk vom Kfz-Handwerk. „Aber wenn das Auto im Moment ohnehin vor allem vor der Tür steht, kann man ruhig noch einen oder zwei Monate warten.“

Zeit drängt (noch) nicht

Etwas länger als gewohnt mit den Winterreifen weiterzufahren, ist auch aus Sicht des ADAC unproblematisch. Zwar lautet eine Faustregel, die Winterreifen in etwa von Oktober bis Ostern zu fahren. Aber technisch und auch aus Sicherheitsgründen ist ein Reifenwechsel von Winter- auf Sommerpneus im April oder Mai noch nicht unbedingt erforderlich. Die Witterung kann im Gegenteil sogar aktuell noch mancherorts Winterreifen nötig machen.

Auch rechtlich hat ein verzögerter Wechsel keine Konsequenzen, selbst wenn man das ganze Jahr mit Winterreifen unterwegs wäre. Denn anders als bei der situativen Winterreifenpflicht bei winterlichen Bedingungen, gibt es keine Sommerreifenpflicht. Allerdings sollten Autofahrer noch vorsichtiger fahren, rät eine ADAC-Sprecherin. Und bis in den Sommer sollte man auch nicht warten. „Bei höheren Temperaturen verschleißen Winterreifen schneller, und der Bremsweg verlängert sich“, warnt Ulrich Köster, Sprecher des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). „Sommerreifen sind, bezogen auf das Profil und die härtere Gummimischung, speziell für die warme Jahreszeit ausgelegt und spielen ihre Sicherheitsvorteile voll aus.“

Dass in der Krise deutlich mehr Menschen als sonst selbst zu Wagenheber und Drehmomentschlüssel greifen, um die Reifen zu wechseln, erwartet der Chef des Reifenfachhandelsverbands BRV nicht. Angesichts von Techniken wie Reifendruckkontrollsystemen könne das nicht jeder. Zudem würden die Reifen auf den Autos immer größer, und damit würde es schwieriger, sie selbst zu wechseln. Heinz-Günter Augst /dpa