Meinungsstreit: Flüchtlinge statt Schulklassen
Von Janet Binder
Das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) will in der kalten Jahreszeit in seinen Häusern verstärkt Betten für Flüchtlinge aufstellen. Der Hauptgeschäftsführer Bernd Dohn hat angekündigt, ab Oktober rund 3800 Migranten in Herbergen in Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Sachsen-Anhalt vorübergehend ein Dach über dem Kopf zu geben. Den Menschen soll so der Winter im Zelt erspart bleiben.
Zeven und eine weitere Herberge in Niedersachsen stehen komplett für die Flüchtlinge zur Verfügung. „Im Winter wären die Häuser sonst geschlossen“, sagt Oliver Engelhardt vom DJH-Landesverband Unterweser-Ems. Reservierungen für den Sommer mussten umgebucht werden. „Wir haben immer adäquaten Ersatz gefunden“, betont Engelhardt. Die Herbergen in Bremen und Oldenburg stehen dagegen für Gäste und Flüchtlinge gleichermaßen offen. Zwischen 50 und 100 Betten werden dort für die Migranten freigehalten.
„Das haben wir so auch im letzten Winter in Worpswede gemacht“, erzählt Jan Feldmann. Herbergsvater hätte man den 43-Jährigen früher genannt. Heute heißt das Hausleitung – und die hat Feldmann sowohl für die Herberge in Worpswede als auch für die in Zeven inne. Die zeitgleiche Unterbringung von Schulklassen und Flüchtlingen sei eine „super Lösung“ gewesen. „Für beide Seiten“, betont Feldmann. „Wenn die Zehntklässler schon verzweifelt sind, wenn ihr Akku vom Handy leer ist, ist es schön, wenn sie sehen, was wirklich auf der Welt los ist.“ Die Lehrer seien schon vor der Anreise darüber informiert worden, dass auch Flüchtlinge im Haus lebten. „Meist trifft man auf Verständnis.“
In Zeven sind bis zu 100 Flüchtlinge aus Syrien und dem Balkan untergebracht. „Sie bleiben in der Regel drei Monate“, sagt Gisela Böhme, die für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Flüchtlinge betreut. Die AWO bietet Kinderbetreuung und Deutschkurse an – so wie die Unterbringung bezahlt vom Land Bremen. Auf dem Außengelände können die Kinder fernab vom Straßenverkehr mit Rädern und Rutschautos fahren. „Vor allem die Kinder und Frauen sind hier glücklich“, sagt Böhme.
Trotz der Angebote sei „Langeweile ein Thema“, räumt Oliver Engelhardt vom Landesverband ein. Deshalb hat Hausleiter Feldmann schon einiges auf die Beine gestellt. Er ist mit den Bewohnern in einen Freizeitpark gefahren, hat einen Grillabend und einen Ausflug zum Kletterpark organisiert. Auch hat der DJH-Landesverband auf eigene Kosten drei betreute Freizeiten für Flüchtlingskinder organisiert.
Wassim Albargash vertreibt sich seine Zeit mit Tischtennis und Deutschlernen. Der Arzt hofft, dass er seine Frau bald nach Deutschland holen kann, um dann mit ihr nach Dresden zu gehen und dort zu arbeiten. Der Syrer wohnt mit drei Männern in einem Zimmer mit Etagenbetten. Er ist etwas verlegen, als er den Raum zeigt: „Es ist nicht so aufgeräumt wie bei den Frauen“, sagt Albargash lächelnd auf Deutsch. In dem Zimmer kann er endlich wieder gut schlafen. In den beiden Massenunterkünften, in denen er zuvor war, sei es einfach zu laut gewesen. Allerdings sei von Zeven der Weg zu den Behörden in Bremen sehr weit. „Das dauert eineinhalb Stunden für eine Strecke.“