Netzwelt
Schritt für Schritt ins Internet, Teil 19: Wikipedia - Ein Klick, und schon ist man in der größten Bibliothek der Welt

13 Jahre nach ihrer Gründung gilt die Wikipedia als größte Wissenssammlung der Welt. Doch während manche die Internet-Datensammlung bereits zum Weltkulturerbe erklären lassen möchten, verweisen andere gern auf unscheinbare und kleine Fehler, die das Nachschlagewerk für professionelle Zwecke unbrauchbar machen.

Lesezeit 3 Minuten

Von unserem Digitalchef Marcus Schwarze

Bei den Faktenprofis der Nachrichtenagentur dpa (Deutsche Presseagentur) reicht die Wikipedia nicht automatisch als Beleg beispielsweise für das Alter einer Person. Als wir von der Rhein-Zeitung kürzlich die dpa-Kollegen auf eine vermeintlich falsche Altersangabe in einem Text hinweisen wollten, stellte sich letztlich durch Nachfrage bei der Person heraus, dass sie ein Jahr später als bei Wikipedia angegeben geboren war. Es stimmt dort nicht alles. Besonders bei „frischen“ Artikeln, die gerade erst neu eingestellt wurden, geht die Nachrichtenagentur lieber auf Nummer sicher – und fragt dann schon mal direkt oder forscht in anderen Quellen. Wir haben in diesem konkreten Fall die falsche Altersangabe in dem Wikipedia-Text übrigens korrigiert. Darauf kann man sich allerdings nicht immer verlassen.

Manche Internetseiten stellen die Wiki-Inhalte einfach online

Im Internet geborene Medien sind bei der Berücksichtigung und Übernahme von Wikipedia-Inhalten weniger vorsichtig. Eine neue Nachrichten-App von Yahoo beispielsweise stellt automatisch zu jeder Nachricht thematisch passende Wikipedia-Beiträge hinzu – auf die Gefahr hin, dass dort genannte Fakten den „News“ im Detail widersprechen. Auch auf Rhein-Zeitung.de hatten wir lange Zeit automatisiert Links zur Wikipedia in Texten. Mehr aus technischen Gründen haben wir diese zusätzliche Bereitstellung wieder eingestellt.

Fakt ist, dass die Internetseiten der Wikipedia immer wieder für Manipulationen genutzt werden. Weil jedermann an den Texten Änderungen vornehmen kann, gibt es gelegentlich Artikel und Absätze, die Sachverhalte in einem anderen Licht darstellen, unterschlagen oder hervorheben. Freiwillige in aller Welt kontrollieren diese Textänderungen – und erkennen zumeist unlautere Versuche. Der Journalist Marvin Oppong hat sich damit ausgiebig beschäftigt. In einer Studie über verdeckte Werbung bei Wikipedia benennt er Textänderungen in Wikipedia-Einträgen über Unternehmen wie Daimler und BASF: Dabei wurden Textpassagen zur NS-Vergangenheit der Konzerne verändert oder gelöscht, auch zur Beschäftigung von Zwangsarbeitern während des Krieges.

Die Wikipedia speichert dabei, von welchen IP-Adressen aus im Netz diese Änderungen vorgenommen wurden. Sie ließen sich zurückverfolgen. Teilweise wurden die Änderungen von IP-Adressen vorgenommen, die den Unternehmen gehören. Wie Oppong in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ weiter erläutert, übernehmen inzwischen Berater und PR-Agenturen die Manipulation von Wikipedia-Einträgen. Die Selbstreinigungskräfte der Schwarmintelligenz funktionieren nach seinen Worten nur begrenzt: „Pro Tag werden an die 300 neue Artikel angelegt. Es ist der Wikipedia-Community kaum möglich, alle diese Beiträge laufend zu überprüfen.“

Normalnutzer können in der Versionsgeschichte eines Wikipedia-Eintrags nachlesen, wer wann welche Änderungen vorgenommen. „Wer“ sich hinter den dort genannten Pseudonymen oder IP-Adressen aus Nummern verbirgt, ist allerdings auf den ersten Blick nicht erkennbar. Es braucht eine gewisse Medienkompetenz und häufig weiterführende Recherchen, um die jüngsten Textänderungen eines Wikipedia-Beitrags für wahr zu nehmen. Wie das geht, lernen wir allerdings nicht in der Schule – und auch wir Journalisten sind da nicht immer vor Fehlern gefeit.

Auch wissenschaftliche Beiträge zitieren immer öfter Wikipedia

Eine gesicherte Lösung gibt es derzeit nicht: Es bleibt im konkreten Einzelfall dem Urteil jedes Einzelnen überlassen, ob er eine einzelne Information aus einem Wikipedia-Eintrag für bare Münze nimmt. Laut „Zeit Online“, veröffentlicht in einem Artikel 2012, gibt es eine wachsende Zahl an wissenschaftlichen Beiträgen, die die Wikipedia zitieren. Jedoch handelt es sich nur um einen geringen Bruchteil der rund 46 Millionen wissenschaftlichen Veröffentlichen eines Jahres. Gerade einmal 4000 Beiträge zitierten die Wikipedia.

Für die Hausarbeit eines Schülers oder die Arbeit eines Studenten bleibt nach diesen Maßstäben nur die klassische Quellenrecherche: Bücher und geprüfte Veröffentlichungen. Andererseits: Die Maßstäbe ändern sich. So sagt etwa Wolfgang Blau, Digitalchef beim „Guardian“ in Großbritannien: „Wer auch immer euch Journalisten gesagt hat, nicht Wikipedia zu benutzen, und zwar in einer intelligenten Art und Weise, der lebt hinterm Mond.“ Diese „intelligente Art und Weise“ dürfte im Grunde der Schlüssel sein.


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