Plötzlich alles Käse bei McDonald's: Facebook-Shitstorm um Preise

München/Koblenz – Klimawandel mit unerklärlichen Phänomenen auch auf Facebook? Plötzlich bricht auf der McDonald's-Seite ein Proteststurm los über eine Preiserhöhung, die es so schon vielerorts gibt – und andernorts nicht. Alles dreht sich um 1,39 Euro für den Käseburger. Nicht nachvollziehbare Wut-Gewitter sind in den vergangenen Tagen ähnlich auch über andere Firmen hereingebrochen – und könnten auch für Facebook kritisch werden.

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McDonald's wird auf seiner Facebookseite in Haft genommen.

Vielleicht hatte Kevin M. Kolkmann außer einem Burger auch noch Ärger im Bauch. Am Montagmittag setzte er sich hin und schrieb einige Zeilen an die Pinnwand von McDonald's bei Facebook. 1,39 Euro für einen Cheeseburger – eine Unverschämtheit. 1,10 Euro habe man sich ja noch gefallen lassen, egal wie schlecht die Produkte seien. Aber das?! So geht es weiter mit der Beschwerde über einen Preis, der in vielen Filialen schon lange gilt. Und dennoch gibt es keine 24 Stunden rund 70.000 „Gefällt mir“-Klicks für die Beschwerde – und fast im Minutentakt posten Menschen ähnliches und schwärmen von der Konkurrenz. In der Social-Media-Szene wird diskutiert, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht.

Es nutzt nichts, dass inzwischen zahllose Nutzer darauf hingewiesen haben, dass nur einzelne Franchisenehmer den höheren Preis nehmen und dass auch schon zum Teil seit über einem Jahr. McDonald's hatte auch bei weitem nicht die Resonanz, als es selbst im vergangenen Jahr auf Facebook einen höheren Preis für den Chickenburger verkündete. McDonald's sitzt jetzt in der Falle – Argumente interessieren nicht, nachdem sich die Kritik verselbständigt hat.

Der Fall erinnert stark an ähnliche Fälle in den vergangenen Tagen. Bei H&M war es eine Österreicherin, die sich über lange Lieferzeiten beschwert hatte und damit eine Protestwelle auslöste. Ein aggressiver Verriss der Sendung auf der Seite von Galileo geht gerade auf 100.000 Likes zu (Update: inzwischen gelöscht). Bei Vodafone rauschte es, nachdem sich eine Nutzerin über eine falsche Rechnung beschwert hatte, Vodafone räumte schließlich einige Tage später in einer Stellungnahme ein, dass Fehler passieren. Mit der Beschwerdeführerin sei man in Kontakt. Und trotzdem stiegen die Likes dem kritischen Beitrag kontinuierlich weiter an. „Für mich sieht das nicht nach einem normalen Nutzerverhalten innerhalb von Facebook aus“, so Christian Henne, Inhaber einer Agentur für digitale Strategieberatung. „Man muss sich fragen, warum ein einzelner, eigentlich alltäglicher Beitrag plötzlich so extreme Reaktionen auslöst“. In einer solchen Menge in einer so kurzen Zeit auftauchende Shitstorms, das könne auch Facebook nicht gefallen. „Das ist auch ein Problem für Facebook, ich würde als Unternehmen keine Werbung schalten, wenn meine Seite so unter Beschuss steht.“

Beschwerden gibt es auf solchen Seiten täglich – aber bisher wurden sie selten so viral und zogen so schnell solche Kreise. Wo kommen die Ausreißer plötzlich her? Facebook wollte in ersten Stellungnahmen Manipulation nicht ausschließen, am Dienstag hieß es, Facebook „checke“, sei „wie immer aufmerksam“, es gebe aber „nichts zu vermelden“.

Auch auf den einschlägigen Boards wie 4Chan oder 9Gag, die immer wieder mal dafür gut sind, Aktionen im Netz loszutreten und die mit ihren kuriosen Einreichungen bei der „Mein Burger“-Wahl bei McDonald's aus der Wertung genommen wurden, ist zumindest bei einer groben Suche nichts zu finden.

Torsten Maue vermutet in seinem Social Media Marketing Blog „Geisterlikes“, die solche Beiträge auf ein Niveau heben, auf dem sie dann auch von vielen echten Nutzern wahrgenommen werden und dann zum Selbstläufer werden. Gesteuerte Angriffe, die auf große Unternehmen zielen und insgeheim Facebook treffen sollen? Irgendwas riecht faul: Das Montabaurer Internetunternehmen 1&1 wundert sich gerade, dass seine deutsche Fanseite an einem Tag plötzlich 8000 neue Fans vorwiegend aus Indien bekommen hat. Und Blogger Kai Thrun legt sich in einem Beitrag schon darauf fest, dass die ersten Likes manipuliert sind und schreibt vom „gekauften Shitstorm“.

Thomas Euler, Social Media Strategist bei der auf Onlinekommunikation und -reputation spezialisierten Eck Kommunikation, hält es dagegen für „wahrscheinlicher, dass es ein kulturelles Phänomen ist – die Leute lernen, dass sie so Druck auf Unternehmen ausüben können“. Möglicherweise habe Facebook an seinem Algorithmus etwas verändert, welche Beiträge wahrgenommen werden, sagt er. Auffällig sei, dass alle Postings, die Proteststürme ausgelöst haben, jeweils vergleichsweise lange Texte waren.

McDonald's immerhin bekommt auf der Seite auch Unterstützung für hohe Preise. Garniert mit Kritik an Massentierhaltung und Umweltzerstörung bei der Fleischproduktion kommt dort auch hämisch die Forderung, die Preise sollten noch viel höher sein...

Lars Wienand