Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte eines Mörders nach der Haftstrafe - Zeit ist ein wichtiger Faktor
Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte eines Mörders: Gibt es im Netz ein Recht auf Vergessen?
Das Internet vergisst nichts – mit diesem Thema hat sich das Bundesverfassungsgericht befasst. Ein Mörder hatte dagegen geklagt, dass Jahre nach seiner Haftentlassung sein Name noch vollständig im Netz zu lesen ist. Was wiegt stärker: das Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf Pressefreiheit? Foto: Adobe Stock
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Karlsruhe. Hat ein Mörder ein Recht darauf, irgendwann von den Medien quasi vergessen zu werden? Das Bundesverfassungsgericht hat nun die Rechte eines wegen Mord verurteilten Mannes im Zusammenhang mit der Berichterstattung in Medien, in der sein vollständiger Name genannt wird, gestärkt.

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Der Fall hatte großes Aufsehen erregt. Der damals Anfang 40-Jährige gehörte zur Besatzung des Segelschiffes „Apollonia“ auf dem Weg von den Kanaren in die Karibik. An Bord kam es nach der Beweiserhebung des Landgerichts Bremen im Dezember 1981 zu einem Streit. Der frühere Soldat erschoss zwei Menschen und verletzte einen weiteren schwer. 1982 wurde er verurteilt.

Die Geschehnisse wurden zu einem Buch verarbeitet und verfilmt. Der verurteilte Mörder kam 2002 aus der Haft frei und verlangte 2009 vom „Spiegel“, seinen Nachnamen für Suchen im Onlinearchiv zu tilgen. Konkret wehrte er sich dagegen, dass Berichte des Nachrichtenmagazins unter den ersten Treffern angezeigt werden, sucht man im Internet nach seinem Namen.

Der Erste Senat gab seiner Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) statt. Der „Spiegel“ hätte Vorkehrungen gegen diese Auffindbarkeit treffen können, urteilten die Verfassungsrichter mit Blick auf das BGH-Urteil. Die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit seien dabei gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht abzuwägen. Während der aktuellen Berichterstattung sind laut Gericht grundsätzlich auch identifizierende Berichte über rechtskräftig verurteilte Straftäter zulässig – aber das berechtigte Interesse daran nehme mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Tat aber ab. Der Senat legte dieser Entscheidung das deutsche Grundgesetz zu Grunde, weil das Medienrecht in der EU nicht einheitlich geregelt sei.

Der Erste Senat hat zudem eine Verfassungsbeschwerde gegen das Oberlandesgericht Celle abgewiesen. In diesem Fall verlangte eine Frau vom Suchmaschinenbetreiber Google, die Verknüpfung ihres Namens mit einem Beitrag des Norddeutschen Rundfunks (NDR) aus dem Jahr 2010 aufzuheben. Sie hatte für den Beitrag des Magazins „Panorama“ mit dem Titel „Kündigung: Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ ein Interview gegeben. Der Beitrag stellte die Kündigung eines damaligen Mitarbeiters eines Unternehmens dar, das sie als Geschäftsführerin leitete. Die Frau verwahrt sich gegen den Begriff „fiese Tricks“ in der Überschrift des Suchergebnisses. Sie habe solche Tricks niemals angewandt. Das Suchergebnis ruft aus ihrer Sicht eine negative Vorstellung über sie als Person hervor.

In diesem Fall sind nach Angaben der Verfassungsrichter die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens und der Schutz der personenbezogenen Daten gegen das Recht auf unternehmerische Freiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuwägen. Ein wichtiger Faktor sei auch in diesem Fall die Zeit. Das OLG Celle hatte zum Zeitpunkt des Urteils einen Anspruch auf Löschung als noch nicht als gegeben angesehen – diese Ansicht wurde durch das Verfassungsgericht gestärkt. Anders als im ersten Fall (des Mörders), urteilte es hier nach EU-Recht. Die Frau wird wohl noch etwas länger auf eine Änderung warten müssen. dpa

Erklärung des Bundesverfassungsgericht im Fall „Recht auf Vergessen I“

Erklärung des Bundesverfassungsgericht im Fall „Recht auf Vergessen II“

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