Berlin – Die hartnäckigen Recherchen eines 23-jährigen Jurastudenten bringen den Internetriesen Facebook in Erklärungsnot. Das Unternehmen speichert offenbar auch von Nutzern gelöschte Daten, wie die „Bild“-Zeitung berichtet.
Das Unternehmen Facebook wies gestern den Vorwurf der Datenschutzverletzung allerdings zurück. Das Unternehmen habe auf Anfrage dem Studenten „mehr als 1000 Seiten Datenmaterial zugeschickt, und wir gehen davon aus, dass dies den Anforderungen des EU-Datenschutzrechts genügt“, teilte Facebook schriftlich mit. Zu dem Vorwurf, dass unter den versendeten Daten auch solche seien, die der Nutzer bereits gelöscht hatte, äußerte sich Facebook nicht.
Die Internetplattform Facebook hat nach eigenen Angaben deutschlandweit mehr als 20 Millionen Nutzer. Nach einer Analyse des Marktforschungsinstituts Forsa verfügt knapp die Hälfte der deutschen Internetnutzer über ein Facebook-Profil und pflegt es auch. Weltweit hat Facebook rund 800 Millionen Nutzer.
Nach EU-Recht kann jeder Nutzer von Plattformen im Internet die Herausgabe aller gespeicherten Daten über sich einfordern. Da Facebook seine Europa-Aktivitäten über eine Tochterfirma in Irland führt, können sich Nutzer auf irisches und europäisches Datenschutzrecht berufen. Von diesen Möglichkeiten wollte der Student Max Schrems Gebrauch machen. Dem Bericht zufolge war er zunächst abgewimmelt worden, bis er schließlich den gigantischen Datensatz erhielt, der 1200 bedruckte DIN-A4-Seiten füllt.
Außer persönlichen Angaben speichert Facebook auch alle Aktivitäten seiner Nutzer: Postings, Kommentare, Verbindungen zu Freunden, hochgeladene Fotos und Videos sowie Notizen. Selbst Einladungen zu Veranstaltungen bleiben in den gigantischen Datenspeichern hängen. Gleiches gilt für E-Mail-Adressen. Wer sein Handy mit Facebook synchronisiert, liefert auch gleich seine Kontaktdaten für die Ewigkeit im Netz ab.
„Das Internet vergisst nichts. Deshalb sollte sich jeder Nutzer gut überlegen, was er im Netz von sich preisgibt. Soziale Netzwerke wie Facebook sind nicht kostenlos – wir bezahlen mit der Preisgabe unserer privaten Daten“, sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Beispiel Facebook zeige, dass kaum Daten gelöscht, aber immer mehr neue Informationen über die Nutzer gesammelt würden.
„Wenn den Nutzern eine echte Löschung ihrer Beiträge verweigert wird, hat das mit freiwilliger Datenpreisgabe nicht mehr viel zu tun“, kritisierte Aigner. Die Ministerin warnte: „Mit der neuen ,Timeline' wird dies zum offiziellen Facebook-Prinzip: Alles soll für immer bei Facebook archiviert werden.“ Das Projekt „Timeline“ hat Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in der vergangenen Woche in den USA vorgestellt. Es geht darum, dass die Nutzer ihr Leben künftig chronologisch wie im Familienalbum auf Facebook präsentieren können.
Verbraucherschutzministerin Aigner rät den Nutzern sozialer Kommunikationsforen: „Inhalte, die man vielleicht später gern wieder löschen möchte, sollte man gar nicht erst ins Internet stellen.“ Die Bundesregierung will die Nutzer sozialer Netzwerke im Internet besser schützen. Dies ist allerdings nur auf europäischer Ebene möglich. „Die neuen Erkenntnisse bestärken mich in meiner Forderung, auf europäischer Ebene klare Löschungsrechte zu verankern: Das Recht der Nutzer, selbst ins Internet gestellte Informationen endgültig wieder zu löschen, muss unmissverständlich im Gesetz verankert werden, und zwar auf europäischer Ebene“, sagte Aigner.
Die Ministerin betonte, sie halte die nun belegte Praxis auch nach geltendem Europarecht schon für rechtswidrig. Denn es bestehe keine Einwilligung der Nutzer, Informationen auch nach dem Löschen weiter zu speichern. Eva Quadbeck