Berlin

Wir haben ne Debatte – und die heißt „Layla“: Ballermannhit wird wegen sexistischem Text kritisiert

Von Julia Kilian
Lieferten mit „Layla“ nicht nur einen Chartstürmer, sondern auch ausreichend Gesprächsstoff: Schürze (links) und DJ Robin.
Lieferten mit „Layla“ nicht nur einen Chartstürmer, sondern auch ausreichend Gesprächsstoff: Schürze (links) und DJ Robin. Foto: Paul Pasytsch/Summerfield Records/dpa

Wenn man herausfinden will, wie Ballermannhits funktionieren, kann man verschiedene Playlists durchhören. Eines der Lieder sorgte diese Woche für Debatten: „Layla“ soll auf einem Volksfest in Würzburg nicht mehr gespielt werden. Auch auf der Düsseldorfer Kirmes soll es nicht überall zu hören sein. Grund ist der Text. „Ich hab n Puff – und meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler.“ Wie steht es also um deutschsprachige Partysongs?

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Hört man sich durch die Playlists, findet man Lieder, zu denen selbst manche Politiker schon getanzt haben („Mach den Hub, Hub, Hub; Mach den Schrauber, Schrauber, Schrauber; Mach den Helikopter 117“). Mickie Krause sieht in „Eine Woche wach“ die Sonne über Malle aufgehen. Und gut mitgrölen ließe sich vermutlich auch „Der Zug hat keine Bremse“: „Döp, döö-döö-döö-dööp“.

Die einen mögen's, die anderen hassen's

Es gibt Lieder mit inspirierenden Titeln wie „Saufi, saufi“ („Ich feier richtig hart, ich bin ein Saufautomat“). Alkohol ist ohnehin ein, wie würde man sagen, wiederkehrendes Motiv. Schön bearbeitet etwa in „Dicht im Flieger“ („Und ich sitz schon wieder dicht in nem Flieger. Alles egal, denn mein Kopf macht nur la, lalalala“).

Das Hirn macht nur „la“ – manche Menschen, die den Karneval oder die Kirmes mögen, kennen diesen Zustand sicherlich. Andere rollen schon beim Gedanken an die Musik mit den Augen. Partyhits sind ein umstrittenes Phänomen. Warum ist nun ausgerechnet „Layla“ von DJ Robin und Schürze auf dem ersten Platz der deutschen Charts gelandet?

Die Musikwissenschaftlerin Marina Forell hat sich das auch gefragt. Sie hat an der Universität Leipzig zur Schlagerwelt geforscht und ist Herausgeberin des Buchs „Das verdächtig Populäre in der Musik: Warum wir mögen, wofür wir uns schämen“. „Layla“ sei ein moderner Partysong. Ansprechend produziert. „Als ich den zum ersten Mal angemacht habe, dachte ich mir so: ,Oh, das könnte was sein‘“, sagt Forell.

Bei ihr sei der positive Eindruck verflogen, als der Gesang eingesetzt habe. Trotzdem hat Forell nach eigenen Worten einen Ohrwurm. Vielleicht sei das das Erfolgsrezept. Vielleicht hätten Leute nach den Pandemiejahren einfach Lust auf einen Partysong. Dabei hat Forell zum Inhalt eine klare Haltung.

Über den Text wird seit einigen Tagen diskutiert. Würzburg hat das Abspielen von „Layla“ auf dem Kiliani-Volksfest untersagt. Und auf der Düsseldorfer Kirmes haben die Schützen das Lied als Veranstalter in ihrem Festzelt verboten. Den anderen Zeltbetreibern und den Betreibern von Fahrgeschäften legten sie nahe, das Lied ebenfalls nicht zu spielen. Manche fragen: Ist der Text wirklich so schlimm? Andere finden die Antwort eindeutig.

Songs drehen sich ums Saufen und ums Urlaubmachen

„Ich finde den Song extrem sexistisch“, sagt Forell. Die besungene Frau werde auf ihren Körper reduziert, Prostitution zudem ein bisschen als Lifestyle abgefeiert, dabei habe sie bekanntermaßen Schattenseiten. Prostitution stehe oft mit Menschenhandel und Zwang in Verbindung, habe oft nichts Selbstermächtigendes an sich.

Wenn man sich durch solche Partyhits hört, findet man auch Lieder wie „Beate, die Harte“ oder „Anna-Lena“ („Geiler Arsch, geiler Blick, geiles Stück“). Gibt es sexistische Textzeilen öfter? „Ja, der Eindruck ist schon richtig“, sagt Forell. Viele Songs drehten sich ums Saufen und ums Urlaubmachen. Aber es gebe natürlich auch Songs wie „Dicke Titten, Kartoffelsalat“, die seien schon an den Grenzen des guten Geschmacks und natürlich auch sexistisch.

In der Entscheidung mancher Veranstalter, „Layla“ nicht mehr zu spielen, sieht der Limburger Malle-Star Ikke Hüftgold einen Angriff auf die Kunstfreiheit.  Foto: Thomas Frey/dpa
In der Entscheidung mancher Veranstalter, „Layla“ nicht mehr zu spielen, sieht der Limburger Malle-Star Ikke Hüftgold einen Angriff auf die Kunstfreiheit.
Foto: Thomas Frey/dpa

„Dicke Titten, Kartoffelsalat“ ist ein Lied von Ikke Hüftgold, der eigentlich Matthias Distel heißt. Die Plattenfirma des gebürtigen Limburgers hat auch „Layla“ veröffentlicht. Online wirbt er nun mit anderen Künstlern für die Petition „#freelayla“. Im Begleittext heißt es: „Gegen Zensur! Für ein Leben nach Corona! Für künstlerische Freiheit!“ Einige Tausend Menschen haben bisher online unterzeichnet.

Privat kann den Song jeder hören

Musikwissenschaftlerin Forell wundert sich, dass nun mit der Kunstfreiheit argumentiert wird. „Meiner Meinung nach ist es nicht Cancel Culture, wenn man versucht, 50 Prozent der Menschheit mit Respekt zu behandeln und nicht wie ein Stück Fleisch“, sagt sie. Der Song sei nicht allgemein verboten und werde auch nicht verboten werden. Privat und auf Mallorca könne ihn jeder anhören. Das Lied werde nur in einigen Kontexten nicht mehr gespielt. Und: Es sei auch ein Unterschied, ob man Musik mit Freunden oder einer kleinen Gruppe hört. Oder ob man damit Tausende Menschen auf einem Volksfest beschallt, wo dann auch Frauen seien, die sich vielleicht in einer aufgeheizten, alkoholisierten Atmosphäre und bei einem solchen Song unwohl fühlten. Sie findet die Entscheidungen in Würzburg und Düsseldorf richtig.

Fragt man Forell, warum Menschen solche Songs überhaupt mögen, dann erinnert sie an deren Kontext. Der primäre Verwendungszweck sei beim Après-Ski, beim Karneval, auf Mallorca. Der Urlaub am „Ballermann“ sei für manche bewusst gebuchter Exzess. Dort sei eine Art Erlebnisraum entstanden. „Und da lassen viele Leute halt los.“ Im Urlaub werde dann über die Stränge geschlagen, die Regeln des Alltags zählten nicht mehr. Auch der gute Geschmack werde dann zu Hause gelassen.