Dreis-Brück

Regionalkrimi-Pionier Jacques Berndorf ist tot: 30 Jahre lang schrieb er über Mord und Totschlag in der Eifel

Von Birgit Reichert
Jacques Berndorf (auf der Frankfurter Buchmesse 2006) war nicht nur einer der Väter des Regionalkrimis, sondern gemeinsam mit Heinz-Peter Hoffmann Initiator des Krimifestivals Tatort Eifel, das seit 20002 alle zwei Jahre Tausende Krimifans in die Eifel bringt.
 
Jacques Berndorf (auf der Frankfurter Buchmesse 2006) war nicht nur einer der Väter des Regionalkrimis, sondern gemeinsam mit Heinz-Peter Hoffmann Initiator des Krimifestivals Tatort Eifel, das seit 20002 alle zwei Jahre Tausende Krimifans in die Eifel bringt.   Foto: Uwe Zucchi/

Jacques Berndorf brachte das Verbrechen in die Provinz. Seine Leichen verteilte er in seinen Krimis großflächig über die gesamte Eifel: im Steinbruch, am Vulkan-Maar, unter Eichen. „Ich habe mich schon immer für den Tod interessiert“, hat der Krimiautor mal zu Hause an seinem Wohnzimmertisch in Dreis-Brück in der Vulkaneifel gesagt. Die Eifel lade als „sehr stille Landschaft“ dazu ein, dort Krimis spielen zu lassen. „Sie hat für mich etwas, das die Fantasie anregt. Ganz stark.“

Lesezeit: 3 Minuten
Anzeige

Am Sonntag ist der Eifelkrimi-Guru im Alter von 85 Jahren gestorben. Das teilte seine Frau Geli Gatzke-Preute am Montag mit. Er sei krank gewesen und „altersbedingt nach einem langen, so ereignisreichen Leben“ gestorben. Der gebürtige Duisburger, der eigentlich Michael Preute hieß, galt als einer der erfolgreichsten deutschen Krimiautoren und Miterfinder des Regionalkrimis. Dafür, dass er nicht nur ein neues literarisches Genre geschaffen, sondern auch die Kulturlandschaft in Rheinland-Pfalz bereichert habe, erinnerte auch die rheinland-pfälzische Kulturministerin Katharina Binz (Grüne) in einer Stellungnahme ihres Ministeriums.

Akribische Vorbereitung

Seine „Taten“ waren von langer Hand geplant, nichts wurde dem Zufall überlassen. Bevor er einen neuen Eifelkrimi schrieb, recherchierte er meist sechs Monate lang – bei der Mordkommission, Psychiatern und Waffenexperten. „Das Verbrechen muss so aussehen, als könnte es tatsächlich so passiert sein“, sagte er. Auch die Beschreibungen vor Ort mussten genaustens stimmen.

Mehr als sechs Millionen Bücher hat Berndorf nach Angaben seines Verlegers Ralf Kramp verkauft. Los ging es 1989 mit dessen ersten Eifelkrimi „Eifel-Blues“ – es folgten gut 20 weitere. Berndorf sei damals ein wichtiger Impulsgeber für den Regionalkrimi-Boom gewesen, sagte Kramp im nahe gelegenen Hillesheim. „Berndorf hat die Provinz geknackt.“ Vor „Eifel-Blues“ hätten Krimis vor allem in großen Metropolen gespielt.

Als Autor von Krimis müsse man „so ein bisschen ticken können wie ein Verbrecher“, meinte Berndorf einmal. Er selbst hatte mit seinem kauzigen Ermittler Siggi Baumeister viel gemeinsam: Beide wohnten in der Heyrother Straße, waren von Haus aus Journalisten, liebten Pfeifentabak und Katzen. „Ja, Siggi Baumeister ist mein Alter Ego. Nur mit dem Unterschied, dass er fast 40 Jahre jünger ist als ich“, sagte der Schriftsteller.

Jacques Berndorf (auf der Frankfurter Buchmesse 2006) war nicht nur einer der Väter des Regionalkrimis, sondern gemeinsam mit Heinz-Peter Hoffmann Initiator des Krimifestivals Tatort Eifel, das seit 20002 alle zwei Jahre Tausende Krimifans in die Eifel bringt.
Jacques Berndorf (auf der Frankfurter Buchmesse 2006) war nicht nur einer der Väter des Regionalkrimis, sondern gemeinsam mit Heinz-Peter Hoffmann Initiator des Krimifestivals Tatort Eifel, das seit 20002 alle zwei Jahre Tausende Krimifans in die Eifel bringt.
Foto: Birgit Reichert

Dass Schreiben seine große Leidenschaft ist, wusste Berndorf früh. Als Jugendlicher schrieb er Kurzgeschichten. Nach einem Intermezzo als Medizinstudent ging er zum „Duisburger Generalanzeiger“ als Journalist. Er wechselte die Blätter und Magazine und kletterte die Karriereleiter empor. Etwa zwölf Jahre lang war er als Reporter in aller Welt unterwegs. „Ich habe Kriege und Krisen gesehen.“ Im Libanon, in Vietnam und Südafrika. „Und irgendwann hat sich gezeigt, dass ich die Bilder nicht mehr schaffe“, sagte er. Er verfiel dem Alkohol – und stieg aus.

1984 kam er eher zufällig in die Eifel. „Ich hatte journalistische Aufträge in Bonn und Brüssel, und da lag die Eifel genau in der Mitte.“ Er zog in ein „winziges Bauernhaus“ im Ort Berndorf – nach dem er sich dann später auch benannte. Den Vornamen Jacques hatte sich sein damaliger Verleger ausgedacht. Alles für den Neustart.

Und dann kam der „Eifel-Blues“. „Ich hätte mir damals nie vorstellen können, wie sich das alles mal entwickelt.“ Dann legte er den zweiten und dritten Krimi auf. Ab „Eifel-Gold“ kam der Durchbruch. Ideen für neue Krimis gingen ihm nicht aus, sagte er selbst. Gern griff er auch mal Aktuelles auf: Wie in „Die Nürburg-Papiere“ (2010), die vor dem Hintergrund des damals umstrittenen Nürburgring-Ausbaus zum Freizeit- und Businesszentrum spielten. Insgesamt schrieb Jacques Berndorf rund 40 Bücher.

Berndorfs Krimis locken bis heute zig Leser in die Vulkaneifel, um sich auf die Spuren seiner Verbrechen zu machen. Aber wehe, es stimmt was nicht: „Einmal hatte ich um das Gerolsteiner Krankenhaus eine Einbahnstraße erfunden, die es nicht gab“, sagte der Autor mal. Da habe er Unmengen Protestpost bekommen.

Festival mitgegründet

Anfang der 2000er-Jahre hatte Berndorf mit dem heutigen Leiter des Krimifestivals Tatort Eifel, Heinz-Peter Hoffmann, die Idee zur Gründung eines Festivals in der Eifel zum Thema Krimi gehabt. 2002 gab es die erste Ausgabe der Reihe, die inzwischen zum bundesweit größten Branchentreff der Krimi- und Filmszene avancierte.

Im Herbst 2019 hörte Berndorf mit dem Schreiben auf. Es gehe noch, aber er habe „keine Lust“ mehr. Ob er auf sein Werk stolz sei? „Mittelprächtig“, antwortete er. Angst vor dem eigenen Tod habe er nicht. „Ich finde es aber traurig, eines Tages sterben zu müssen. Ich finde es einfach deswegen traurig, weil ich so gern lebe“, hatte er noch zu seinem 80. Geburtstag gesagt.

Von Birgit Reichert