Bad Ems

Neue Trägerschaft und neue Leitung: Schloss Balmoral wird neu aufgestellt

Von Agnes Schofield
Das Schloss Balmoral in Bad Ems.
Das Schloss Balmoral in Bad Ems. Foto: picture alliance/dpa

"Come to Good Ems“ prangt in eleganten Leuchtbuchstaben an der schneeweißen Villa Schloss Balmoral in Bad Ems. Komm ins gute Ems – wirklich, jetzt? Derzeit, wegen Corona, hält sich nur ein Stipendiat in dem Künstlerhaus auf, das für gewöhnlich sechs Personen Platz bietet: mit je einem Atelier beziehungsweise Zimmer in der Villa sowie einer Unterstützung in Höhe von bis zu 1400 Euro pro Monat.

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Im europäischen Vergleich zählt das Künstlerhaus zu den besten, so eine Studie des Onlinekunstnetzwerks artnet. Die Bewerbungen flattern aus der ganzen Welt ins Haus: In den zweieinhalb Jahrzehnten des Bestehens kam man auf 7000 Bewerbungen. Mehr als 300 Künstler wurden bis dato angenommen. Die jüngst Auserkorenen stammen aus Frankreich, Indien, Kolumbien, Pakistan, der Schweiz und aus Deutschland.

Bedeutende Umwälzungen

Oliver Kornhoff, Direktor des Arp Museums und bis Februar Leiter von Schloss Balmoral
Oliver Kornhoff, Direktor des Arp Museums und bis Februar Leiter von Schloss Balmoral
Foto: Helmut Reinelt

Die Verantwortlichen von Balmoral, darunter Oliver Kornhoff, künstlerischer Leiter des Hauses, können sich auf die Schulter klopfen. Doch pünktlich zum 25-jährigen Bestehen stehen Umwälzungen ins Haus. Bereits seit Jahresbeginn hat ein neuer Partner die Trägerschaft übernommen: die Kunsthochschule Mainz. Bisher war die Erfolgsstory im Schulterschluss mit der Stiftung Rheinland-Pfalz geschrieben worden. Warum nun der Wechsel? Warum etwas ändern, das gut läuft? Kornhoff: „Das waren 25 Jahre. Jetzt müssen wir die Weichen für die nächsten 25 Jahre stellen. Nichts ist schlimmer, als sich auf dem Erfolg auszuruhen. Das gilt für Künstlerhäuser wie für die Kunst und die Museen. Die Welt verändert sich, die Künstler ändern sich. Sie werden mobiler. Sich auf dem Erfolg auszuruhen, ist der erste Sargnagel.”

Lotte Dinse leitet seit Februar die Geschicke von Schloss Balmoral.
Lotte Dinse leitet seit Februar die Geschicke von Schloss Balmoral.
Foto: Hlemut Reinelt

Konkret bedeutet das: Für das Balmoral und seine Stipendiaten wird die Achse von Bad Ems und Mainz ab sofort relevant. Relevanter als die Verbindung nach Rolandseck. Das heißt aber auch: Die Ausstellungen im dortigen erstklassigen Arp Museum werden wegfallen. Ein Verlust. Schließlich ist jenes Museum, das eine Hubschrauberlandestelle besitzt und neben dem historischen Bahnhofsgebäude einen Neubau von Stararchitekt Richard Meier, ein Magnet. Ein Ort, an den es wohlhabende Sammler und wichtige Akteure aus der Kunstwelt hin verschlägt: zum Kunstschauen, aber auch zum Netzwerken – insbesondere in dem von Anton Henning gestalteten Restaurant Interieur No. 253. Oft trifft man in diesem Gesamtkunstwerk aus Bar und Bildender Kunst auf die berühmten Sammler aus dem Rheinland, die zeitgenössische Kunst seit den 50ern im Visier haben.

Ob das die Mainzer Kunsthochschule kompensieren kann? Künftig sollen dort den Stipendiaten Ausstellungsräume zur Verfügung stehen. In der Pressemitteilung sowie während des Interviews mit Kornhoff und Lotte Dinse, seiner bisherigen Stellvertreterin, klingt die neue „Ehe” nach einem großen Wurf. Und vielleicht ist sie das. Vielleicht ist die Verbindung zwischen der Landeshauptstadt und dem kleinen Kurort ein antreibender Faktor, der beiden Partnern zugutekommt. Etwa, weil man in Mainz und den dortigen Medien von den Aktionen in Bad Ems lesen wird. Weil die Kunst der Stipendiaten ein größeres und zudem großstädtisches Publikum erreicht. Weil diese Aufmerksamkeitsökonomie gewiss ein Gewinn ist.

Umgekehrt: Dass die Kunsthochschule von der Partnerschaft profitiert, ist nachvollziehbar. Es gibt deutschlandweit keine andere Kunsthochschule und Akademie, die sich ein Künstlerhaus ins Schaufenster stellen. Ein Refugium, das malerisch gelegen ist, wo man sorglos die Kreativität ankurbeln kann und in dem auch noch andere, in ihrer Karriere bereits fortgeschrittene Künstler leben und arbeiten. Jene mit Galeriekontakten, Messebeteiligungen, Preisen an ihren Kunstwerken. Menschen, von denen die Studierenden lernen können. Nur, was haben die Erfahrenen davon? Worin besteht ihr Mehrwert? Laut Oliver Kornhoff etwa in der Funktion „als Rolemodel”, als Vorbild.

Außerdem können sie sich selbst neu erfahren und auf die Probe stellen: Etwa, indem sie Lehraufträge in Mainz übernehmen. Zuletzt betont Kornhoff, dass nicht nur die Studenten, sondern die gesamte Hochschule als Partner gewonnen wurde. Soll heißen: Die Professoren und das gesamte Netzwerk der Institution gehören zum Gesamtpaket. Denn Kornhoff wird nicht müde zu betonen: „Präsenz, Öffentlichkeit, Netzwerk! Das sind die starken Bausteine, durch die das Angebot für die Stipendiatinnen und Stipendiaten nun noch mal attraktiver wird.” Und Dinse ergänzt, dass man mit dem neuen Partner eine gemeinsame Sprache spreche. Man verstehe sich in Kunstfragen einfach.

Eine konkrete Liste an Punkten, die das neue Bündnis kennzeichnen, gibt es auch: Darin ist die Rede von einem Stipendienplatz in Bad Ems für einen Studenten, von der Lehrtätigkeit in Mainz für Stipendiaten-Künstler aus Bad Ems, vom Balmoral Lab, in dem Studenten und Stipendiaten zu Beginn eines jeden Sommersemesters die Köpfe zusammenstecken; vom Ausbau der öffentlichen Wahrnehmung beider Institutionen mithilfe zweier Stellen, die neu geschaffen werden (eine für die Verwaltung und Organisation, eine weitere für die Öffentlichkeitsarbeit). Letzteres ist für Kornhoff das höchste Gut: „Man muss raus aus dem Elfenbeinturm.”

Angenehm ist, dass weder Kornhoff noch Dinse reine Eitel-Sonnenschein-Rhetorik auf das Ganze gießen. Sie verstehen den Punkteplan als Entwurf: Man müsse sehen, wie es sich entwickelt. Dinse präzisiert das: „Ich sehe da auch Grenzen. Man muss nicht alles durchmischen oder nur gemeinsame Ausstellungen machen.“

Stabwechsel in der Leitung

Zum Schluss verrät Kornhoff eine weitere Neuheit: Er nimmt die Maske ab, nippt an seinem Glas und verkündet: „Hier sitzt die Zukunft”, während er auf die 39-jährige Dinse deutet. „Hier sitzt die neue Leiterin von Schloss Balmoral.” Kornhoff hat das Zepter Anfang Februar an sie weitergegeben. Im Arp Museum in Rolandseck, dessen Direktor er ist, war und bleiben wird, ist derzeit die letzte Ausstellung mit Arbeiten der Stipendiaten aus Balmoral zu sehen. Dinse hat sie kuratiert. Die Schau eröffnete online – wegen Corona. Dinse betreut die Künstlerhaus-Stipendiaten seit 2016 während ihres Aufenthalts. Doch auch Kornhoff, der gebürtige Kölner, überlässt das Schloss nicht völlig den Mainzern: Er bleibt dem Haus erhalten – als Gremiumsmitglied. Agnes Schofield

Infos zur letzten Stipendiaten-Ausstellung (bis 24. Mai) im Arp Museum Bahnhof Rolandseck gibt es unter www.arpmuseum.org

So fördert das Künstlerhaus Schloss Balmoral

Die internationalen Anwesenheitsstipendien für das Künstlerhaus Schloss Balmoral sind derzeit mit monatlich 1400 Euro dotiert. Hier werden zwei dreimonatige Stipendien sowie vier neunmonatige Stipendien vergeben. Das Kuratorenstipendium dauert ebenfalls neun Monate.

Außerdem werden Landesstipendien für Bewerbungen mit Bezug zu Rheinland-Pfalz vergeben, die mit 1200 Euro monatlich dotiert sind, bei den Reisestipendien werden zusätzlich Reisekostenzuschüsse gewährt. Die Laufzeiten hierfür sind für zwei Stipendien für Paris je sechs Monate, für ein Stipendium für Schloss Wiepersdorf drei Monate, für ein Stipendium für Burgund-Franche-Comté drei Monate, für ein Stipendium für Südkorea drei Monate und zwei ortsunabhängige Projektstipendien je sechs Monate. Informationen zum Künstlerhaus und den Stipendien unter www.balmoral.de
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