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Washington

Eine Dichterin stellt die Popstars in den Schatten

Von dpa/hol
Eine Dichterin stellt die Popstars in den Schatten Foto: dpa

Neue Töne kommen seit dieser Woche aus der amerikanischen Hauptstadt. Das betrifft nicht nur den versöhnlichen Sound des neuen Präsidenten Joe Biden und der Vizepräsidentin Kamala Harris nach dem Ende von vier Jahren Schmierentheater um den ausgeschiedenen Amtsvorgänger. Sondern auch die künstlerischen Darbietungen zur Inauguration. Die ganz großen Namen der Rock- und Popmusik bekundeten mit ihren Liedern Unterstützung. Überraschend avancierte jedoch eine Dichterin zum heimlichen Höhepunkt der Feierlichkeiten.

Lesezeit: 4 Minuten
Die waren freilich nicht arm an Symbolkraft. Rockstar Bruce Springsteen wählte seinen Klassiker „Land of Hope and Dreams“ als Beitrag, Justin Timberlake und Ant Clemons präsentierten ihren neuen Song „Better Days“, Demi Lovato begeisterte mit dem Soulstück „Lovely Day“. Zu Katy Perrys Auftritt am Lincoln Memorial beobachtete die Hauptstadt ein ...
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22 Jahre, Harvard-Studentin, Dichterin – Über Amanda Gormans Beitrag „The Hill We Climb“ und die Kunstform Spoken Word

Nicht nur der Fernsehmoderator des Senders ABC war baff. „Wow“, entfuhr es dem Kommentator der Übertragung, nachdem Amanda Gorman ihren letzten Vers vorgetragen hatte: „For there is always light, if only we’re brave enough to see it. If only we’re brave enough to be it.“ (Übersetzt etwa: „Denn es gibt immer Licht, wenn wir den Mut haben, es zu sehen. Wenn wir den Mut haben, es zu sein.“).

An Gormans Vortrag ihres eigens für den Anlass verfassten Gedichts „The Hill We Climb“ werde man sich noch lange erinnern, darüber herrscht in der öffentliche Nachlese Einigkeit. Unter anderem Barack Obama, Hillary Clinton und Amerikas mächtigste Fernsehproduzentin Oprah Winfrey zeigten sich tief bewegt von dem Text.

Amanda Gorman, 22 Jahre alt und Soziologie-Studentin in Harvard, lieferte mit ihrem Vortrag ein Paradebeispiel für die Kraft von Spoken Word, einer Gattung von Gedichten, die speziell für das Sprechen geschrieben werden. Darin verstand sie sich auf markante Bilder: „We've braved the belly of the beast“ („Wir haben es aus dem Magen des Biests geschafft“). Damit vermochte sie, die zurückliegenden Jahre der gesellschaftlichen Spaltung zu poetisieren, die in der Erstürmung des Kapitols gipfelten. „The Hill“, der Hügel, der im Titel benannt wird, ist eine geläufige Bezeichnung für das Kapitol. Weiterhin ließ sie durch geschickte Anspielungen an den Bürgerrechtler Martin Luther King jr.

und das populäre Musical „Hamilton“ von Lin-Manuel Miranda denken. Wie für Spoken-Word-Texte üblich, bezog sich die Gorman als Sprecherin mit ein: Amerika erlebe eine Zeit, in der dünnes Schwarzes Mädchen, das von Sklaven abstamme, davon träumen darf, Präsidentin zu werden. Mit Wortspielen, Binnenreimen und Assonanzen (Lautgleichheiten) kehrte sie den klanglichen Charakter des Gedichts hervor – gewürzt mit der Prise Pathos, die im US-Spoken-Word ihren festen Platz hat: „Even as we grieved, we grew“ – „Selbst als wir trauerten, wuchsen wir.“ Die in Los Angeles geborene Gorman wurde 2017 die erste Trägerin des Titels „National Youth Poet Laureate“, etwa „nationale Nachwuchsdichterin.“ Sie ist die jüngste Schriftstellerin, die je bei einer Amtseinführung lesen durfte. Ein Video des Auftritts finden Sie im Internet auf www.ku-rz.de/gorman

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