Loreley

Udo Jürgens schlägt auf der Loreley leise Töne an

Foto: Damian Morcinek

Es ist kühl, Feuchtigkeit hängt wie ein schwerer Schleier in der Abendluft. Doch es hat aufgehört zu regnen – zumindest für den Moment. Dicke Wassertropfen fallen vom Dach der Freilichtbühne auf der Loreley.

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Loreley – Es ist kühl, Feuchtigkeit hängt wie ein schwerer Schleier in der Abendluft. Doch es hat aufgehört zu regnen – zumindest für den Moment. Dicke Wassertropfen fallen vom Dach der Freilichtbühne auf der Loreley.

Ein schwerer schwarzer Konzertflügel zieht die Blicke der Zuschauer im Amphitheater auf sich. Auf seinem geschlossenen Deckel steht eine gläserne Tasse, ihr Inhalt schimmert goldbraun und dampft. Applaus brandet auf, als der Gastgeber des Abends den Schauplatz betritt. Ganz in Schwarz gekleidet heißt Udo Jürgens seine Gäste willkommen. Schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, schwarze Weste. Den einzigen Farbtupfer bildet ein rotes Einstecktuch. Sofort begibt er sich an sein Instrument, schlägt die Tasten an und die Flüssigkeit in der Tasse verfällt in Schwingung.

„Der Soloabend„ heißt Udo Jürgens' aktuelle Open-Air-Tournee, auf welcher der bekannten Sänger und Liedermacher seine Fans zu einem Solokonzert unter freien Nachthimmel lädt – zum ersten Mal nach dreijähriger Pause. Ein Piano, ein Mikrofon und seine unverwechselbare Stimme, mehr benötigt der Altmeister des Showgeschäfts nicht, um das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Für die vierte Ausgabe seiner Freiluft-ein-Mann-Show hat der 75-Jährige eine Mischung aus alten und neuen Liedern zusammengestellt. Gleichzeitig hat Jürgens großen Wert darauf gelegt, besonders jene Lieder mit poetischen und zum Nachdenken anregenden Texten darzubieten.

„Es ist unglaublich“, sagt der Sänger

„Es ist unglaublich„, sagt der Sänger und tippt sich mit der Hand auf die Stirn. Innerhalb von einem Monat würden weltweit so viele Menschen geboren, dass dies der Einwohnerzahl der New Yorks gleichkommen würde. „In einem Monat. Das muss man sich mal vorstellen“, betont Jürgens und stimmt seinen Song „Gehet hin und vermehret euch„ an, in dem er die Haltung der Kirche zur Empfängnisverhütung und die Überbevölkerung der Erde kritisiert. Es ist nur eines von vielen Liedern an diesem Abend, das einen Schub von Gefühlen transportiert, der die musikalischen Werke noch intensiver erscheinen lässt. Geschuldet ist dies auch der Tatsache, dass nur Klavier und Stimme erklingen. So leise, so innig.

Sozialkritik gemixt mit Frohsinn und Ironie

Doch so viel (sozial)kritische Töne Udo Jürgens' Liedern auch entspringen, so viel Frohsinn und Ironie tragen sie auch in sich, so zum Beispiel „Vielen Dank für die Blumen“ oder auch „Ein ehrenwertes Haus„. Bei einigen Titeln wird der gebürtige Österreicher am Klavier vom französischen Gitarristen Francis Coletta begleitet, der schon bei früheren Soloabenden Akzente gesetzt hat. Und das Publikum ist ganz nah dabei: Gleich mehrere auf der Bühne installierte Kameras übertragen das dortige Geschehen auf eine in edlem Silber gerahmte Videoleinwand. Und so kann Fan seinem Idol sogar ganz genau auf die Klaviatur streichelnden Finger schauen.

Als jedoch die ersten Klänge des Klassikers „Ich war noch niemals in New York“ im Amphitheater auf der Loreley erklingen, hält es ohnehin keinen Besucher mehr auf seinem Platz. Reflexartig drängen viele in Richtung Bühne.

Ein nächtlicher Flug über „The Big Apple„ zum Schluss

Textsicher stimmen sie ein in das von Fernweh nur so erfüllte Lied, das an diesem Abend auch visuell die Sehnsucht nach der Ferne weckt: Während des Refrains flimmern Bilder von New York über den großen Bildschirm. Ein nächtlicher Flug über „The Big Apple“, vorbei am Empire State Building, über die Brooklyn Bridge, hinaus nach Liberty Island zur Freiheitsstatue. Ein tolles Finale des knapp zweistündigen „Soloabends„, bei dem es sich Udo Jürgens letztlich nicht nehmen lässt, die mit Spannung erwartete Portion „Sahne“ musikalisch obendrauf zu schlagen. Damian Morcinek