Memmingen

Später Freispruch: Sieben Jahre unschuldig hinter Gittern

Jahrelang saß er unschuldig im Gefängnis, jetzt ist ein 62 Jahre alter Vater freigesprochen worden – nachdem seine Tochter den Vorwurf der Vergewaltigung zurückgezogen hat.

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Von Birgit Ellinger

In einem Wiederaufnahmeverfahren widerrief die heute 33-Jährige ihre Aussage, die vor 17 Jahren zur Verurteilung des Mannes aus Sonthofen im Oberallgäu geführt hatte. Das Landgericht Memmingen hob das damalige Urteil des Landgerichts Kempten auf. Jetzt wird der 62-Jährige für die Haftzeit entschädigt. „Ihr Leben, die verlorenen Jahre können wir Ihnen nicht zurückgeben, wir geben Ihnen Ihre Ehre zurück“, sagte die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung.

Zuvor hatte sie zur Tochter gesagt: „Wir zollen Ihnen Respekt, dass Sie diesen Weg gegangen sind.“ Strafrechtliche Konsequenzen wegen ihrer Falschaussage hat die junge Frau nicht mehr zu erwarten, der Vorgang ist verjährt.

Im Juli 1996 war der Familienvater aufgrund der von seiner Tochter erfundenen Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung verurteilt worden. Man hielt ihn für schuldig, das Mädchen im Alter von neun und zehn Jahren dreimal zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben.

Der Angeklagte hatte die Vorwürfe stets bestritten. „Es war kein faires Verfahren“, schilderte der 62-Jährige den damaligen Prozessverlauf. Er habe sich von Anfang an vorverurteilt gefühlt. Die siebenjährige Haftstrafe hat der Mann voll verbüßt. Auch nach seiner Haftentlassung stand er noch unter einer fünfjährigen Führungsaufsicht.

In seinem Schlusswort hatte er noch einmal unter Tränen beteuert, unschuldig zu sein. Später sagte er: „Ich bin froh, dass ich immer daran geglaubt habe, dass die Wahrheit noch siegen wird.“ Er hoffe, dass es wieder möglich sein wird, zu seiner Tochter und ihrer Familie ein normales Verhältnis aufzubauen. „Ich bin dankbar, dass meine Tochter den Mut gefasst hat, noch zur Wahrheit zu finden.“

Unter Tränen beschrieb die heute 33-Jährige, wie es Mitte der 90er-Jahre zu ihrer Falschaussage kam: Zwischen ihren Eltern habe es dauernd Streit gegeben. Als sich die Eltern schließlich trennten, soll ihre Mutter sie gegen den Vater aufgehetzt haben. Sie machte zudem glaubhaft, dass er für die Krebserkrankung der Mutter mitverantwortlich war. „Mein Hass auf meinen Vater wurde immer größer. (...) Ich dachte, ich müsste mich an meinem blöden Vater rächen.“

Nach Auffassung des Gerichts entstanden die schwerwiegenden Anschuldigungen der damals 15-Jährigen auch aus Angst, dass sie nach dem bevorstehenden Tod ihrer Mutter bei ihrem Vater leben muss. Als es 1996 zur Verhandlung kam und ihr Vater zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, habe sie extreme Gewissensbisse gehabt, sagte die Tochter. Erst als ihre eigene Tochter vor fünf Jahren auf die Welt kam, wollte sie sich von der Last befreien.