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Im Marsstaub versunken – eine Robinsonade auf dem Roten Planeten

Teil des Buch-Covers. Foto: Heyne-Verlag

Twentieth Century Fox

Vom Tellerwäscher zum Millionär! Eine Abwandlung dieser alten US-Legende widerfuhr dem kalifornischen Programmierer Andy Weir: Er stieg in kurzer Zeit vom abgewiesenen Hobbyschriftsteller zum Bestsellerautor auf. Erst klopfte er vergeblich an die Türen von Buchverlagen, dann öffnete ihm Blockbuster-Regisseur Ridley Scott sogar die Tür ins Kino. Dort läuft am 8. Oktober die Verfilmung von Weirs Roman-Erstling „Der Marsianer“ an.

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Da liegt der Marsianer, niedergestreckt auf dem roten Sand, totgeglaubt und zurückgelassen von seiner Crew.

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Totgeglaubte leben länger: Der Überlebenswille des einzigeb Marsbewohners ist ungebrochen.

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In „seiner“ Marsstation baut Mark Watney Kartoffeln an, um den Vorrat an Nahrungsmitteln zu strecken.

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Die vielen Kartoffeln scheinen Astronaut Watney nicht gut zu bekommen. Oder hat er sich verletzt?

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Watney auf großer Tour: Er muss einige tausende Kilometer auf dem Mars zurücklegen, um zu überleben.

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Im Marsstaub versunken. Aber Watney schaufelt sich wieder frei.

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Nur mit viel Technik und Danke seines Mechaniker-Talents kommt Watney weiter.

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Der Marsianer – allein zu Haus.

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Der Beweis: Mark Watney war nicht der einzige Mensch auf dem Mars! Hier helfen Techniker Matt Damon in den Raumanzug.

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Andy Weir, Autor von „Der Marsianer“

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Teil des Buch-Covers. Foto: Heyne-Verlag

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Von unserem Redakteur Jochen Magnus

Der Marsianer, das ist US-Astronaut Mark Watney, in nicht allzu ferner Zukunft Mitglied einer Nasa-Marsmission. Nachdem seine Crew einen Notstart hinlegen musste, um einem Sandsturm zu entkommen, bleibt der totgeglaubte Watney verletzt und bewusstlos auf dem Roten Planeten zurück. Er erwacht Stunden später als einziger Mensch auf dem Mars – ein Schiffbrüchiger wie einst Robinson Crusoe. Bloß ist seine Insel ein ganzer Planet, 140 Millionen Kilometer von der menschlichen Zivilisation entfernt. Und hier fallen keine tropischen Früchte von Bäumen, die es auf dem Mars nicht gibt. Nicht einmal Elementares, Luft und Wasser, liefert der kahle Planet seinem einzigen Bewohner. Und er ist isoliert: die Antenne, die eine Verbindung zur Erde hätte herstellen können, ist im Marsstaub versunken.

Wie überlebt man vier Jahre auf dem Mars?

Der einsame Astronaut hat noch für Monate Vorräte im Basislager. Doch das ist zu wenig; die nächste Marsmission wird erst in vier Jahren landen. Witney hat also schlechtere Karten als Robinson. Aber er ist als Biologe und Mechaniker gut ausgebildet und erfindungsreich. Watney überlegt sich Strategien zum Überleben: Sauerstoff aus übrig gebliebenem Raketentreibstoff gewinnen, Kartoffeln aus einem Saatgut-Experiment heranzüchten. Er improvisiert wie MacGyver, aber das ganz ernsthaft, denn der Romanautor hat einen wissenschaftlichem Hintergrund und eine ebensolche Denke; Weir hat zwei Jahre lang akribisch recherchiert. Deshalb kommt das Buch streckenweise auch als unterhaltsames populärwissenschaftliches Sachbuch daher.

Aber das wird nie langweilig, denn Weir beherrscht die Dramaturgie. Immer rechtzeitig kommt eine Wende oder eine neue Szenerie öffnet sich: Suspense – Überraschung. Viele Leser schreiben in Internet-Kritiken, sie hätten das Buch nicht aus der Hand legen können. Für ein Erstlingswerk ist das eine beachtliche Leistung. Literarisch glänzt der Roman dennoch nicht, zumindest nicht auf ersten Blick: Die Sprache bleibt eher schlicht, große Gefühle gibt es nicht, es ist keine Innensicht eines einsamen Gestrandeten. Weir ist eben ein Technik- und Astrofan. Die konsequente Konzentration auf wissenschaftlich-technische Präzision trägt den Roman. Von mancher empfundenen Oberflächlichkeit lenkt der lakonische Humor des Helden ab, der auch ein alter Ego des Autors ist („… aber besser und ohne meine Fehler“, meint Weir). Die fehlende Emotionalität empfinden manche als mangelnden Tiefgang, aber der Autor ist ein kalifornischen Computer-Nerd und hatte als Zielgruppe vermutlich Gleichgesinnte im Auge. Und nicht nur die werden ausuferndes Psychologisieren nicht vermissen, dafür aber Fakten und Einsilbigkeit schätzen: Science Fiction, wissenschaftlich gehärtet und wirklichkeitsnah.

Am liebsten hätte der Autor sein Buch verschenkt

Nachdem der Autor mit früheren Werken von Buchverlagen abgewiesen wurde, veröffentlichte er „Der Marsianer“ 2011 kapitelweise und kostenlos auf seiner Webseite. Nur weil seine Leser diese Art Lektüre zu umständlich fanden, stellte er es als elektronisches Buch bei Amazon ein, für den Mindestpreis von 99 Cent. Raketengleich schaffte es das E-Book zunächst in die Top-Ten der Science Fiction Bestseller-Liste. Jetzt erst wurde ein Verlag aufmerksam, sicherte sich die Rechte und brachte das gedruckte Buch heraus. Es startete gleich in die nächste Umlaufbahn durch, zu den Belletristik-Bestseller in USA. Die deutsche Ausgabe erschien im Herbst 2014.

Bereits zuvor hatte sich Twentieth Century Fox die Filmrechte gesichert. Regisseur Ridley Scott drehte den Streifen vergangenes Jahr mit Matt Damon in der Hauptrolle; er startet am 8. Oktober in den Kinos. Andy Weirs und sein alter Ego Mark Watney sind hoch hinaus gekommen.

Andy Weir beunruhigt derzeit nur eines: Dass der in USA überaus populäre Astronom und TV-Star Neil deGrasse Tyson eines Tages sein Buch lesen oder den Film anschauen würde: „Wenn er das tut, wird er sofort wissen, dass der Sandsturm am Anfang der Geschichte keine korrekte Physik ist“, schreibt er auf seiner Facebook-Seite. Tatsächlich ist die Marsatmosphäre nur ein Hundertstel so dicht wie die irdische. Ein Sandsturm fühle sich dort so an, als ob man mit einer Handvoll Federn beworfen würde, kommententierte Nasa-Wissenschaftler und Planetologe Jim Bell. Andy Weir ist also längst aufgeflogen.

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