Nürburgring

Eine schrecklich nette Festival-Familie

Eine schrecklich nette Festival-Familie
25 Jahre „Rock am Ring“ war ein Jubiläumsfest mit den lieben Verwandten. Dazu gehörten auch Rage Against The Machine Foto: Jens Weber

Auf manche freut man sich, andere müssen halt auch eingeladen werden: Wer Geburtstag feiert, der schart seine Verwandten um sich. „Rock am Ring“ wurde 25 – und neben den 85 000 Partygästen im Publikum kamen auch Nichte Beth mit Gossip, Schwager Jan Delay, die Onkels von Rage Against The Machine (Foto oben), die Cousins von den Sportfreunden Stiller – und viele andere. Unser Protokoll vom Geburtstagsfest einer schrecklich netten Festival-Familie.

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Nürburgring – Auf manche freut man sich, andere müssen halt auch eingeladen werden: Wer Geburtstag feiert, der schart seine Verwandten um sich.

>>AUDIOVISIONÄR: TIM KOSMETSCHKE BLOGGTE VOM RING

„Rock am Ring“ wurde 25 – und neben den 85 000 Partygästen im Publikum kamen auch Nichte Beth mit Gossip, Schwager Jan Delay, die Onkels von Rage Against The Machine (Foto oben), die Cousins von den Sportfreunden Stiller – und viele andere. Unser Protokoll vom Geburtstagsfest einer schrecklich netten Festival-Familie.

Wer um Himmels willen hat den denn eingeladen? Das mag sich mancher gedacht haben, als Jay-Z holprig in den Festsaal hineinrappte, in dem die lieben Verwandten am Wochenende mit 85 000 Gästen gerade Geburtstag feierten: 25 Jahre „Rock am Ring“. Ein Hip-Hop-Brother in der Rock-Familie – maximal exotisch. Nach Anlaufschwierigkeiten eroberte der Megastar zumindest einen Teil der Festgesellschaft. Der Rest begab sich ans Büfett. Und lästerte.

Nicht unter den Lästermäulern war Rage Against The Machine, der Onkel aus den USA, der selten zu Familienfeierlichkeiten kommt. Umso größer die Begeisterung über seinen Besuch, die alten Geschichten hörten alle gern noch mal. Nur einige waren enttäuscht, weil die übliche (politische) Tischrede fehlte. Sei’s drum, auf der Tanzfläche zu vorgerückter Stunde ist Onkel Rage noch der Hit, auch im Alter knallen Gitarre und Bass auf den Punkt. Nur sein Geschenk war gewöhnungsbedürftig: „Your Anger Is A Gift“ (Deine Wut ist ein Geschenk), hieß es lapidar.

Schön auch, die netten Cousins aus München zu sehen! Zumal die Sportfreunde Stiller ihre ganze Bagage mitgebracht haben. Streichquartett, Bläsersatz, Backgroundsänger, Zusatzmusiker: Die Sportis brachten ihr Ständchen unplugged und klangen füllig wie noch nie. Und sie lieferten die Zeile für das Sonnenfestival: „Man kann nicht nur traurige Lieder singen, wenn die ersten Sonnenstrahlen Wärme bringen“ (aus „Frühling“). Als Gabe brachten sie etwas Besonderes: den ersten Unplugged-Moshpit.

Für einen Schmunzler sorgte Schwager Jan Delay: Er schenkte das Gleiche wie im vergangenen Jahr: eine klingende Discokugel. Machte aber nichts. Erstens war die neue größer und schöner, zum anderen erfüllte sie schließlich ihren Zweck. Als der Großteil der Ringrocker müde am Boden hockte, ließ Jan das Ding glitzern, schlüpfte in seinen feinsten Anzug, holte seine Band dazu und sorgte dafür, dass die komplette Festgesellschaft zum letzten Tanz des Tages ansetzte.

Tags drauf erschien die verrückte Nichte Beth Dito, über die die Ring-Familie vorher schon so viel getratscht hatte. Gossip eben: wie die sich kleidet, wie die sich benimmt! Ihr Auftritt war dann aber ernüchternd. Bei kleineren Partys für ihre Feierlaune berüchtigt, konnte Beth den großen Saal nicht in Schwung bringen, was auch an Tonproblemen lag. Dafür schenkte sie den Gästen tiefe Einblicke.

Gefreut hatte sich die Verwandtschaft auch auf die alte Tante Alice In Chains, die nach dem Tod ihres ersten Mannes (Sänger Layne Staley) wieder neu geheiratet hat. Mit neuem Gatten wirkte sie so frisch wie früher, erzählte alte Geschichten und was sie neuerdings so erlebt hat. Allein: Nach so viel Kaffee und Gesprächen waren die Gäste wohl müde. Da nutzte es auch nichts, dass Alice eine Gitarre ans Publikum verschenkte.

Am späten Abend kam der spezielle Freund der Ring-Familie: Muse. Der hochbegabte Jüngling faszinierte mit allem, was er an der Rock-Uni gelernt hat. Sinfonische Klänge, wunderliche Instrumente, ästhetische Videoinstallation – alles zu einem perfekten Gesamterlebnis vereint. Und als alle dachten, besser geht es nicht, zauberte Muse ein faszinierendes Geschenk aus dem Hut. Hoch über den Gästen schwebte ein erleuchtetes Ufo, an dem eine Trapezkünstlerin turnte – sensationell, einmalig, ergreifend. Junge, bist du groß geworden!

Mit solch modernem Schickschnack hat Großväterchen Lemmy von Motörhead nichts am Hut. Der wartete, bis die Kinder im Bett waren, und setzte sich zu später Stunde mit den Veteranen an den Tisch zum Whiskeytrinken und Kartenzocken. Dafür hat er ja bekanntlich immer einen Trumpf im Ärmel: das Pik-Ass („Ace Of Spades“).

Am Ende war es wie bei jedem Geburtstagsfest: zu viel gegessen und getrunken. Aber aufs nächste Mal freuen wir uns dennoch schon.

Von unseren Redakteuren Tim Kosmetschke und Markus Kuhlen