Köln

Der RZ-Tatort-Check: Die tiefen Narben der Flüchtlingskrise

Zynische Versicherer im Visier Foto: frei

„Die Angst“, sagt Théo Wangila, „ist immer da – das ist Flüchtling.“ Der Kongolese ist der Bruder des Mordopfers Dr. Patrick Wangila, der vor einer Kölner Klinik erstochen aufgefunden wird. Beide Brüder sind Kriegsflüchtlinge aus dem ostafrikanischen Land. Was das bedeutet, erfahren die Zuschauer des neuen Falls der Kölner Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auf drastische Weise.

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Die tiefen Narben der Flüchtlingskrise
Foto: WDR/Uwe Stratman

Théo Wangila etwa zeigt den Kommissaren die Narben von Folterungen auf seinem Bauch. Doch die Verletzungen gehen tiefer: Die Kongolesin Cecile Mulolo (Thelma Buabeng) ist zweifach traumatisiert worden, erst in ihrer Heimat, dann in Deutschland, als sich ihre kongolesische Zimmergenossin in einem Flüchtlingsheim aus dem Fenster gestürzt hat.

Ballauf und Schenk finden heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Toten gibt, als Théo Wangila eines Abends versucht, gewaltsam in das Heim einzudringen. Doch ist dies auch der Schlüssel zur Aufklärung des Falls? Oder war es eine reine Beziehungstat? Denn der ermordete Arzt hatte vor seinem Tod noch Sex, aber nicht mit seiner deutschen Frau Vivien Wangila. Und welche Rolle spielt der Einsatztrupp um den Polizisten Martin Kaiser (Felix Voertler)? Als die Beamten im Heim nicht gerade zimperlich mit den Flüchtlingen umgingen, sprang die junge Kongolesin aus dem Fenster. Sollte etwas vertuscht werden, zumal Dr. Wangila an dem Tag als Notarzt im Heim war?

Dieser „Tatort“ spielt mit den Bildern und Vorurteilen, die der Zuschauer von Flüchtlingen, übergriffigen Polizisten, letztlich von Opfern und Tätern in der Flüchtlingskrise hat. Im Laufe des Falls verschwimmen die Grenzen immer mehr. Dieser Krimi ist hochpolitisch. Auch weil er den Kern des aktuellen Flüchtlingsdramas trifft: dass bei allen Debatten das Leid der eigentlichen Opfer nicht bestritten werden darf. Und er zeigt, dass dieses Trauma oft nicht endet, wenn die Flucht gelungen ist.

Doch sie kommen aus Kriegsländern, in denen die Grenzen zwischen Gut und Böse für uns verstörend unscharf sein können. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk zählt die Demokratische Republik Kongo zu den sieben Ländern mit dem höchsten Flüchtlingsaufkommen. Rund 2,6 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Provokativ stellt dieser „Tatort“ die Frage: Sind all diese Menschen wirklich Opfer, oder sind darunter nicht auch viele Täter, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen? Christian Kunst