Darmstadt

„Darmstädter Echo“ musste Daten von Online-Nutzer herausgeben [Update]

Das „Echo- Verlagsgebäude“ in Darmstad
Das „Echo- Verlagsgebäude“ in Darmstad Foto: dpa

Ein Leser ärgert sich über die Gemeindeverwaltung und schreibt im Online-Forum seiner Zeitung einen Kommentar. Das wird ein Fall für die Justiz. Die schickt Ermittler zu dem Medienhaus. Zum ersten Mal in seiner beinahe 70-jährigen Geschichte musste das „Darmstädter Echo“ eine Durchsuchung seiner Redaktionsräume hinnehmen.

Lesezeit: 2 Minuten
Anzeige

Mit einem Durchsuchungsbeschluss haben Ermittler von Staatsanwaltschaft und Polizei von den „Echo“-Zeitungen in Darmstadt die Herausgabe persönlicher Daten eines Internetforum-Nutzers verlangt.

Medienhaus will Beschwerde einlegen

Die Daten seien am Ende übergeben worden, alles andere hätte die Tageszeitung und den Onlineauftritt gefährdet, hieß es am Mittwoch auf „Echo Online“. „Die Alternative wäre gewesen, dass man die Redaktion wirklich durchsucht und Hardware mitgenommen hätte“, sagte der stellvertretende Chefredakteur und Online-Chef Alexander Schneider. Das Medienhaus wolle gegen die Aktion Beschwerde einlegen.

Der Nutzer, der ein Pseudonym verwendete, soll in einem Kommentar Verwaltungsmitarbeiter der südhessischen Gemeinde Mühltal beleidigt haben. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt bezeichnete das Vorgehen der Ermittler am Dienstag vor einer Woche als verhältnismäßig und nicht übertrieben.

Verlag wollte die Daten zunächst nicht herausgeben

Die Ermittler hatten nach eigenen Angaben bei dem Verlag zunächst die Daten des Nutzers angefragt. Weil das abgelehnt worden sei, sei beim Amtsgericht der Durchsuchungsbeschluss erwirkt worden. Ein Kriminalbeamter und ein Staatsanwalt kamen dann zum „Echo“.

Laut dem Online-Bericht wollte das Medienhaus die Daten unter anderem mit dem Verweis auf das Presserecht nicht herausgeben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft geht es aber nicht um einen Bereich der Zeitung. Es handele sich um Leserbeiträge, die nicht redaktionell aufbereitet würden.

„Nehmen den Schutz der Daten unserer Leser sehr ernst“

„Wir stehen auch heute noch zu dieser Entscheidung“, wird Vize-Chefredakteur Schneider in dem Artikel zitiert. „Wir akzeptieren auf unserer Plattform weder Verleumdungen noch Beleidigungen. Nach einer Überprüfung sind wir auch bereit, grenzwertige Äußerungen zu beseitigen. Aber wir fühlen uns der Meinungsfreiheit verpflichtet und nehmen den Schutz der Daten unserer Leser sehr ernst.“ Die Redaktion löschte dem Bericht zufolge den Kommentar, der tatsächlich als grenzwertig eingestuft worden sei.

Journalistenverband kritisiert die Ermittler

Der Deutsche Journalistenverband in Hessen kritisierte das Vorgehen der Darmstädter Ermittler als eine „völlig überzogene und unverhältnismäßige“ Maßnahme, die der Bedeutung der Pressefreiheit keinerlei Beachtung schenke.

Ursache war eine Lokalposse

Das „Darmstädter Echo“ selbst schreibt:

Im Herbst 2013 hatte das ECHO berichtet, dass Mühltaler, die am Ortsrand der Papiermühle wohnen, wegen des Ausbaus der B 426 plötzlich nicht mehr ungehindert zu Fuß, mit dem Rad oder dem Rollstuhl in die Rheinstraße zum Einkaufen kommen. Grund: Verkehrsinsel, Fuß- und Radweg, die den Übergang über die Bundesstraße hier ermöglichten, waren bei Bauarbeiten plötzlich abgerissen worden. Mühltals Bauamtsleiter Jochen Göbel bedauerte im Text die Situation, konnte aber keine Abhilfe schaffen, die Gemeinde wollte schließlich alle Betroffenen mit Taxigutscheinen entschädigen.

Diese Posse nutzte ein Mühltaler unter dem Nutzernamen „Tinker“ für einen geharnischten Kommentar auf „Echo Online“, in dem er die Mühltaler Verwaltung der Unfähigkeit bezichtigte … Die rüde Kritik gipfelte in einem Zweifel an der geistigen Gesundheit der öffentlichen Verwaltung in Mühltal.

Ein ähnlicher Fall bei der „Augsburger Allgemeinen“ hatte im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Die Polizei hatte bei dem Verlag die Daten eines Nutzers des Internetforums beschlagnahmt, auch hier ging es um den Vorwurf der Beleidigung. Zu einer Durchsuchung der Redaktion kam es ebenfalls nicht, weil die Zeitung die Daten übergab, um eine Polizeiaktion zu verhindern. Später urteilte das Landgericht Augsburg, dass die Durchsuchungsanordnung rechtswidrig gewesen sei.

dpa