Alice Schwarzer gegen Islamisten

Alice Schwarzer gegen Islamisten
Alice Schwarzer Foto: dpa

Alice Schwarzer hat sich schon so oft den Mund verbrannt, dass man glauben muss, sie liebe das. Auch das neue Buch der streitbaren Feministin birgt jede Menge sozialen Sprengstoff. Sie knüpft damit nahtlos an Thilo Sarrazin an.

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Von unserer Redakteurin Rena Lehmann

Alice Schwarzer hat sich schon so oft den Mund verbrannt, dass man glauben muss, sie liebe das. Auch das neue Buch der streitbaren Feministin birgt jede Menge sozialen Sprengstoff. Sie knüpft damit nahtlos an Thilo Sarrazin an.

Auch ihr Band mit dem Titel „Die große Verschleierung. Für Integration, gegen Islamismus„, der an diesem Donnerstag in die Buchläden kommt, beschreibt fundamentalistische Muslime als nicht integrierbar. Der Vorwurf des Rassismus ist ihr damit sicher. In diesem Fall allerdings zu unrecht.

Den möglichen Ärger dennoch ahnend, erklärt Schwarzer schon zu Beginn ihres Buchs, dass sie Weihnachten 2007 mit ihrer „algerischen Familie“, wie sie ihre Freunde dort nennt, Silvester feiert. Sie alle sind aufgeklärte Muslime, vor denen sie sich schämen würde, würden sie sie eines Tages wegen ihrer Texte als „arrogante Westlerin„ bezeichnen und meiden. Sie schreibe dieses Buch auch für diese Freunde, mit denen sie in einen „echten Dialog“ getreten ist. „Denn der falsche Dialog und die so lange praktizierte falsche Toleranz haben allen geschadet, nicht nur uns Westlern, sondern allen voran der Mehrheit der nicht fundamentalistischen Menschen im muslimischen Kulturkreis.„

Das Buch ist eine kompromisslose Streitschrift gegen das Kopftuch als Symbol eines politisierten Islams, gegen die Unterdrückung der Frau und gegen eine falsch verstandene Toleranz. In seiner Schärfe bisweilen verstörend, fordert es zum Nachdenken auf, auch zum Widerspruch, in jedem Fall zur Auseinandersetzung.
Schwarzer und ihre Co-Autorinnen sehen in einem zunehmend radikalisierten Islam eine unterschätzte Gefahr für die westlichen Demokratien, aber auch für Länder wie Algerien oder Ägypten, wo moderne Frauen wieder selten auf den Straßen zu sehen sind. Dahinter steht ein seit der Revolution von 1979 im Iran wieder erstarktes Bedürfnis der fundamentalistischen Muslime nach dem Gottesstaat, wo einzig das Gesetz des Koran, Gültigkeit besitzt.

Augenfälliger Ausdruck dieser Entwicklung ist für Schwarzer das Kopftuch, dessen Gebrauch sie auch bei Frauen und jungen Mädchen in Deutschland als politisches und nicht etwa als religiöses Symbol verstanden wissen will. Für sie ist es das Symbol des erstarkenden Fundamentalismus, der das deutsche Wertesystem und den Rechtsstat verachtet, sich aber gern seiner Möglichkeiten bedient. Ein Kopftuch-Verbot für Schülerinnen in Deutschland ist laut Schwarzer deshalb notwendig, um dem Einhalt zu gebieten und „um den kleinen Mädchen endlich die Chance zu geben, sich wenigstens innerhalb der Schule frei und gleich bewegen zu können“.

Die Autorinnen sparen nicht mit Kritik – auch an den deutschen „Kulturrelativisten", deren Glaube an die friedliche Multikulti-Gesellschaft und eine falsch verstandene Toleranz sich als Ignoranz entpuppt und den Bemühungen liberaler Muslime um Fortschritt einen Bärendienst erwiesen hätten – gerade im Streit um das Kopftuch. Das Buch gewinnt an Überzeugungskraft, wo betroffene Frauen aus eigener Anschauung berichten und sich in der Auseinandersetzung mit ihren orthodoxen Familien mitten in Deutschland völlig alleingelassen fühlen. Ein ziemlich düsteres Bild wird gezeichnet: Auch Schwarzer hält die Integration streng gläubiger Muslime für kaum möglich. Doch im Gegensatz zu Sarrazin denkt sie über Lösungen nach und befördert keine diffusen Ängste.

Alice Schwarzer (Hrsg.): Die große Verschleierung, KiWi, 318 Seiten, 9,95 Euro