Berghausen

In der Schuldenfalle: Janina und Tizian haben ihre Eltern verloren

Ortsbürgermeister Stefan Dörner hilft den Aulmann-Kindern, bringt Struktur in die komplizierten Unterlagen. Vor sechs Jahren starb der Vater von Janina und Tizian. Im Sommer verlor die Mutter überraschend das Leben. Foto: Dagmar Schweickert
Ortsbürgermeister Stefan Dörner hilft den Aulmann-Kindern, bringt Struktur in die komplizierten Unterlagen. Vor sechs Jahren starb der Vater von Janina und Tizian. Im Sommer verlor die Mutter überraschend das Leben. Foto: Dagmar Schweickert

Das Lieblingsbild ihrer Eltern haben die Kinder immer im Blick. Axel und Klaudia Aulmann schauen verliebt in die Kamera. "Damals waren sie gerade verlobt und sind mit dem Motorrad nach Spanien gefahren.

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Von unserer Mitarbeiterin Dagmar Schweickert

Das war die große Liebe„, erzählt die 21-jährige Tochter Janina Aulmann aus Berghausen. In ihrer Stimme klingen Liebe und Wehmut. Ihre Eltern sind tot. Axel Aulmann war 40, als er vor sechs Jahren starb. Mutter Klaudia wurde 44 Jahre alt, sie starb am 29. Juli völlig überraschend. Janina und ihr 16-jähriger Bruder Tizian sind nun auf sich allein gestellt. Im Moment ist ihr Leben eine Mischung aus Trauer, Existenzangst und einem Kampf gegen Aktenberge.

Ortsbürgermeister Stefan Dörner hat sich der jungen Leute angenommen und sich an HELFT UNS LEBEN, die Hilfsorganisation unserer Zeitung, gewandt: “Die Kinder brauchen Hilfe, sie haben überraschend einen Haufen Schulden.„ Erst nach dem Tod der Mutter erfuhren die Kinder, dass ihr Familienleben auf Krediten aufgebaut war.

Bis Januar 2007 waren die Aulmanns eine Bilderbuchfamilie: Die Eltern verliebten sich früh, heirateten, 1992 kam Tochter Janina auf die Welt. Die Aulmanns bauten ein Haus, und mit der Geburt von Sohn Tizian war das Glück 1997 perfekt.

Axel Aulmann arbeitete als Maschinenbauer und engagierte sich in seiner Heimatgemeinde. “Er war Wehrführer, Vorsitzender des Gesangvereins, half immer und war bekannt wie ein bunter Hund„, schwärmt Tochter Janina. Klaudia Aulmann arbeitete bis zur Geburt der Kinder als Bekleidungsfertigerin, lachte gern, war überall eingebunden. Im Januar 2007 zerbrach das Familienglück: Axel Aulmann nahm an einer Übung als Atemschutzgeräteträger teil. Während des Trainingslaufs bemerkte er, dass die Maske defekt war. “Dadurch war wohl der Stickstoff-Sauerstoff-Austausch gestört„, vermuten die Kinder. Fakt ist, dass der bis dahin kerngesunde 40-Jährige in der Nacht darauf einen Herzinfarkt erlitt und Tage später starb.

Mutter schlüpfte in die Vater-Rolle

Stefan Dörner erinnert sich: “Der Familie fehlte der Vater, Ehemann und Ernährer. Mehr schlecht als recht kämpfte sich Klaudia Aulmann durchs Leben.„ “Wir machten eigentlich nie Urlaub, aber viele Tagesausflüge. Unsere Mutter hat es uns immer schön gemacht„, sagt Janina. Die Mutter suchte sich Arbeit, bezog Möbel, nähte Feuerwehrkleidung, zuletzt arbeitete sie als Schulbusfahrerin. Die Kinder mussten schnell erwachsen werden. “Wir packten alle mit an – dazu kam, dass unsere Oma bei uns einzog. Sie war ein Pflegefall„, berichtet Tizian.

Erst als die Demenz gefährlich wurde, entschlossen sich die drei, sie zu einer Tante zur Pflege zu geben. Der Vater fehlte, aber sie waren ein eingeschworenes Team. “Meine Mama hat immer mit mir Geburtstag gefeiert, auch als ich schon älter war – ich wollte das so, das war super„, erinnert sich Janina. Sie schloss die Realschule ab, absolvierte ein freiwilliges soziales Jahr im Kinderhaus Bärenherz Laufenselden und wollte am 1. August eine Lehre zur Heil- und Erziehungspflegerin beginnen. Tizian schloss die Hauptschule ab und begann eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker.

Mutter fällt ins Koma

Dann der nächste Schicksalsschlag: Mutter Klaudia litt seit dem Winter an den Folgen einer Lungenentzündung. “Sie wurde nur auf Bronchialasthma behandelt", so die Tochter. Erst ein Vertretungsarzt erkannte den Ernst der Lage, ließ sie sofort ins Krankenhaus bringen: Verdacht auf Lungenembolie. Abends kam ein Anruf, dass die Mutter beatmet wird und im Koma ist. In der Nacht zum 29. Juli starb die Mutter.

Ortsbürgermeister Stefan Dörner half den Jugendlichen, die Beerdigung zu organisieren und die völlig ungeordneten Papiere zu strukturieren. Nach und nach offenbarte sich ein finanzielles Desaster. Bei aller Trauer waren die Waisen überwältigt von der Anteilnahme. Tanten und Onkel kümmerten sich. Ein Nachbar überprüfte das Haus auf Stromfresser, der Bestatter gab einen Nachlass. Stefan Dörner verhandelte mit Gläubigern über Finanzpläne. Weil Ausbildungsvergütung, Waisenrente und Kindergeld einfach nicht reichen, um für den Lebensunterhalt zu sorgen und die Schulden abzutragen, hat sich Dörner an HELFT UNS LEBEN gewandt.

Janina und Tizian sind sehr dankbar, aber auch ein wenig sprachlos. Noch ist der Schmerz über den Tod der Mutter zu übermäßig, noch sind die neuen Herausforderungen des Lebens zu groß.