Zweitstimmen: In der Stadt verlieren die Christdemokraten 9 Prozentpunkte
Zweitstimmen in Bad Kreuznach: SPD legt satt zu, CDU bricht dramatisch ein
War auch als Wahlhelfer gefordert: In der Jahn-Halle zählte SPD-Stadtverbandschef Günter Meurer (2. von links) fleißig mit aus. Am Ende hatten die Sozialdemokraten nicht nur in Bad Kreuznach etwas zu feiern. Foto: Josef Nürnberg
Josef Nürnberg

Bad Kreuznach. Analog zu den Verhältnissen im Bund jubeln in der Stadt Bad Kreuznach SPD, Grüne und FDP über ihre verbesserten Ergebnisse bei der Bundestagswahl. Katerstimmung und Ernüchterung hingegen herrscht bei CDU, Linken und AfD, die allesamt satte Verluste hinnehmen mussten.

Bei manchen wird dieser Schmerz etwas durch das gute Bundesergebnis, beispielsweise bei der AfD, gemildert. Während die CDU im Stadtgebiet bei den Zweitstimmen schmerzhafte 9 Prozentpunkte einbüßen musste (von 2017 32,6 auf 2021 23,6 Prozent), konnte die SPD ein beachtliches Wachstum von 5,5 Prozentpunkten verbuchen (von 24,2 auf 29,7 Prozent). Dabei halfen den Sozialdemokraten ihre Hochburgen Planig, Winzenheim und die Kernstadt, während die CDU nicht in einem der sechs Gebiete (fünf Stadtteile sowie die Kernstadt) reüssieren konnte. In Ippesheim liegt die AfD mit 18,1 Prozent der Zweitstimmen gerade mal 2,7 Prozentpunkte hinter der CDU (21,8 Prozent). Insgesamt musste die Alternative im Stadtgebiet 3,7 Prozentpunkte einbüßen im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren.

Kreuznacher SPD versöhnt

„Die SPD wurde die ganze Zeit belächelt, das ist jetzt vorbei“, sagt Günter Meurer, Vorsitzender des SPD-Stadtverbandes, auf Anfrage des Oeffentlichen Anzeigers. „Natürlich haben uns die guten Umfrageergebnisse von Olaf Scholz geholfen, der Trend war diesmal auf unserer Seite.“ Er wisse aber, betont Meurer, dass sich dieser wieder schnell umkehren könne. Es freue ihn vor allem für die vielen Mitglieder, die sich beim Wahlkampf beteiligt hätten. „Claudia Eider hat das hervorragend organisiert und umgesetzt.“ Das bedarf einer Betonung, denn es ist bekannt, dass das Verhältnis zwischen Joe Weingarten und der Bad Kreuznacher SPD bislang nicht Gefahr lief, vor Leidenschaft Feuer zu fangen. „Die Farbe Rot steht im Vordergrund, und nichts gibt einem mehr recht als Erfolg. Wir werden unser Verhältnis professionell gestalten und an einem Strang ziehen“, hofft Meurer. Klar ist für ihn: Die Bürger wollten Olaf Scholz als Kanzler und nicht Armin Laschet.

Für seinen Stadtratskollegen Carsten Pörksen ist klar: „Julia Klöckner konnte sich nicht vom Trend abkoppeln, und Joe Weingarten hat mit seiner Sachlichkeit überzeugt.“ Klöckner habe im Wahlkampf ausschließlich auf die große CDU-Politprominenz gesetzt. Das sei nicht aufgegangen.

Gebremste Freude – das beschreibt die Stimmung am Wahlabend bei den Grünen wohl am besten. Man ist mit dem Ergebnis zufrieden. Es hätte gern aber auch ein bisschen mehr sein dürfen und können. Das gilt auch für das Grünen-Ergebnis im Wahlkreis 201 und in der Stadt Bad Kreuznach.

Die hohen Erwartungen wurden zwar nicht ganz erfüllt, doch es bleibt für die Grünen spannend. Denn bei zwei denkbaren Koalitionen – Jamaika und der Ampel – können sie mitspielen, Regierungsverantwortung übernehmen, mitgestalten. Für den grünen Direktkandidaten im Wahlkreis, Christoph Benze (53) aus Winzenheim, war dies das wichtigste Wahlziel. Und das wurde erreicht. Die Chance für eine Ampelkoalition schätzt er als gut ein. „Darüber bin ich auch sehr froh.“ Seit Montagmorgen sind diese aus seiner Sicht noch gestiegen. Er ist zudem überzeugt, dass es vor Weihnachten eine neue Bundesregierung gibt.

Im Bund sind die Grünen mit klarem Abstand die dritte Kraft, doch im Wahlkreis 201 (Bad Kreuznach-Birkenfeld) sieht es etwas anders aus. Da hinken sie nach wie vor hinterher. 2017 holten sie im Wahlkreis nur 6,2 Prozent der Stimmen und lagen damit nicht nur hinter CDU und SPD, sondern auch klar hinter der FDP (9,9 Prozent), der AfD (11,7) und sogar der Linken (6,9). Verbessert haben sie sich diesmal um 3 Prozentpunkte, liegen mit 9,3 Prozent nun auf Platz fünf, haben aber nur die Linke hinter sich gelassen. Direktkandidatin Christiane Wayand holte vor vier Jahren gerade 4,9 Prozent, Benze schaffte jetzt 7,2 Prozent. In der Stadt Bad Kreuznach sieht es besser aus: Hier fuhren die Grünen ein starkes Ergebnis ein, sind jetzt klar die drittstärkste politische Kraft mit 13,2 Prozent (2017: 8,0 Prozent) bei den Zweitstimmen und 10,5 Prozent bei den Erststimmen (2017: 6,1) hinter SPD und CDU, aber vor den Liberalen und der AfD.

Linke stehen unter Schock

Benze bewertet sein Ergebnis und das seiner Partei durchweg positiv: Dass es im Wahlkreis schlechter aussieht als in der Stadt, führt er auf die ländlichen Strukturen zurück. „In der Stadt sind die Voraussetzungen anders. Für uns ist es aber auch wichtig, in der Fläche präsent zu sein.“ Insgesamt haben die Grünen sowohl in der Stadt als auch im Wahlkreis bei den Stimmen den zweitmeisten Zuwachs verzeichnet, betont er. „Der Klimawandel ist das Thema, das die Menschen bewegt.“ Und Benze ist überzeugt, wenn das im Wahlkampf eine noch größere Bedeutung gespielt hätte, hätten die Grünen ein noch besseres Ergebnis geholt. Aber hinterher darüber zu diskutieren, ob die Entscheidung für Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin richtig war, sei müßig.

Für die Die Linke muss das Wahlergebnis ein Schock gewesen sein. Es ging deutlich bergab: Kam man 2017 in der Stadt noch auf 8,5 Prozent, so ist es jetzt mit 4,2 Prozent gerade noch die Hälfte. Die Enttäuschung sitzt bei Direktkandidatin Bianca Steimle (46) tief. Am Morgen danach ging es ihr nach einer fast schlaflosen Nacht sogar noch schlechter als am Wahlabend selbst. Die Kreis- sowie stellvertretende Landesvorsitzende der Linken, die auch im Stadtrat sitzt, holte bei den Erststimmen nur 3,2 Prozent im Wahlkreis und 4,0 Prozent in der Stadt. Ihr eigenes Abschneiden ist für sie eine riesige Enttäuschung. Da wollte sie gar nicht drumherum reden. Andererseits: Gegen den Trend hatte sie keine Chance.

Das schlechte Abschneiden ihrer Partie führt Steimle auch darauf zurück, dass der Wahlkampf ganz auf das Duell der Kanzlerkandidaten zugespitzt war, dadurch die Sachthemen und Inhalte in den Hintergrund gedrängt wurden. Man müsse sich aber auch an die eigene Nase fassen. So hätten zum Beispiel viele Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin vermisst. Dass die Linke über drei gewonnene Direktmandate bei 4,9 Prozent doch noch in den Bundestag einzieht, ist für Steimle nur ein schwacher Trost. Die Partei droht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, zumindest im Westen. Diese Gefahr sieht sie schon. Gleichzeitig wolle sie sich weiter für soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Frieden einsetzen. Jetzt müsse man sich auf die Basisarbeit konzentrieren. Da sei man mit einer Stadtrats- und Kreistagsaktion gut aufgestellt.

FDP in Bosenheim stark

In die andere Richtung ging es für die FDP. In Bad Kreuznach legte man bei den Zweitstimmen um 1,5 Prozenpunkte zu, nicht ganz so stark wie im Bund, liegt damit aber in der Stadt mit 12,1 Prozent deutlich über Bundesniveau (10,7 Prozent). „Damit sind wir sehr zufrieden, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Wahlbeteiligung hier unterdurchschnittlich war“, stellt Emanuel Letz, Chef des Stadtverbandes der Liberalen, fest. Besonders stolz sei er auf zwei Dinge: Das starke Ergebnis der FDP in Bosenheim (mit 23,3 Prozent zweitstärkste Kraft) und das bravouröse Abschneiden von Newcomer Marvin Griesbach. „Er hat sich trotz jungen Alters gut gegen Politikprofis behauptet.“

Von Harald Gebhardt und Marian Ristow