Gewinne und Verluste bestätigen in der VG Zell den Bundestrend - Bürgermeister Simon: Wählerwille ist deutlich
Zweitstimmen: Die Moselstadt Zell färbt sich rot
Die Wähler haben ihren Willen an der Urne bekundet, die Bundestagswahl 2021 ist Geschichte. Im Zeller Land fördert die Abstimmung durchaus die eine oder andere Überraschung zutage, wobei diese dem Bundestrend folgen. Die CDU muss herbe Verluste hinnehmen. Ein Laschet-Effekt? Foto: Kevin Rühle
Kevin Ruehle

Cochem/Zell. Stimmverluste von historischem Ausmaß für die CDU, beachtliche Zuwächse für die Sozialdemokraten – sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen. Dieser Gesamttrend fällt auf, wenn man sich die Ergebnisse der Bundestagswahl auf Kreisebene näher anschaut.

Ungewöhnlich rot eingefärbt ist dabei in der Verbandsgemeinde Zell eine frühere Hochburg der Konservativen: die Moselstadt Zell. Hier holt die SPD bei den Zweitstimmen einen Anteil von 28,4 Prozent. Die Christdemokraten hingegen bringen es gerade einmal auf 25,6 Prozent. Beim Erststimmenanteil in der Stadt Zell liegt die Union (29,6 Prozent) nur knapp vor den Sozialdemokraten (27,5 Prozent). Wie kommt das?

Davon, dass seine Partei die CDU beim Zweitstimmenanteil in der Stadt Zell hinter sich gelassen hat, ist auch Christian Simon, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins VG Zell, am Tag nach der Wahl am Telefon hörbar überrascht. Einen Erklärungsansatz dafür, der sich aufdrängt, hat er nicht parat. „Ich finde allerdings, dass Michael Maurer viel früher als andere einen viel intensiveren Wahlkampf geführt hat“, sagt der Pündericher. So habe sich der SPD-Direktkandidat aus Simmern schon vergleichsweise zeitig im Bernkasteler Umland oder auch in Pünderich blicken lassen – „und das waren gute Auftritte“, urteilt Simon im Rückblick.

Doch Maurer hat es in Zell ja nicht geschafft, mehr Erststimmen einzufahren als CDU-Direktkandidat Marlon Bröhr. Dieses Kunststück ist ihm nur in Alf, Altlay und Haserich geglückt. In allen anderen Gemeinden der VG Zell holt CDU-Direktkandidat Marlon Bröhr mehr Wählerstimmen als seine Mitbewerber. Allerdings fährt Bröhr, wenn man nur den Kreis Cochem-Zell betrachtet, in der VG Zell das zweitschlechteste Ergebnis auf VG-Ebene ein, noch schlechter schneidet er nur in der VG Kaisersesch ab. „Wir haben in der VG Zell auch noch nie so eine starke CDU-Dominanz gehabt wie beispielsweise in der VG Cochem oder VG Ulmen“, hält Frank Koch fest, Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbands Zell.

Eine vermeintlich stärkere Präsenz oder gar höhere Strahlkraft des Direktkandidaten taugt also nicht als Erklärungsmodell dafür, dass die Sozialdemokraten in puncto Zweitstimmen – außer in Zell – zusätzlich in Alf, Bullay, St. Aldegund, Altstrimmig, Haserich, Reidenhausen und Sosberg vor den Christdemokraten liegen. Aber so ist es. Frank Koch sieht die Gründe eher auf der bundespolitischen Ebene. So sei Armin Laschet im Cochem-Zeller Land eben nicht der Wunschkanzlerkandidat gewesen.

Die guten Zweitstimmenwerte für die SPD im Zeller Land kommentiert Karl Heinz Simon (SPD), Bürgermeister der VG, Zell so: „Ich mache seit 40 Jahren Politik, und so etwas habe ich bislang auch nicht gesehen.“ Derart viele rote Flecken auf der Karte, die die Zweitstimmenanteile auf VG-Ebene ausweist: ungewöhnlich. Zumal Simons Partei auch in anderen, früher tiefschwarzen Orten beachtlich viele Zweitstimmen einfährt. „Mich freut es, das gebe ich zu“, sagt der Sozialdemokrat und lacht.

Allerdings merkt er einschränkend an: „Diese Ergebnisse sind schwer zu interpretieren wegen der Briefwähler.“ Deren Votum taucht auf der Ortsebene nicht auf. „Es kann sein, dass die Wähler der anderen Parteien per Briefwahl ihre Stimme abgegeben haben und dass sich manches dann wieder relativiert, wenn diese Ergebnisse dazukommen.“

Dennoch: Die Stadt Zell als großer roter Klecks in der Karte, die die Zweitstimmenanteile grafisch darstellt. Das fällt ins Auge: Was sonst noch? Bei den Zweitstimmen in der Stadt Zell liegt die FDP (14,3 Prozent) hauchzart vor der AfD (13,8 Prozent). Die Grünen schaffen kein zweistelliges Resultat (7,4 Prozent), auch nicht bei den Erststimmen (8,9 Prozent). Bei den Letzteren sind ebenfalls AfD (12,8 Prozent) und FDP (12,4 Prozent) recht stark.

Stimmverluste und -zuwächse betrachtend, ist es auf Ebene der VG Zell ähnlich wie im Bund: Nennenswerte Zuwächse verzeichnen, wenn überhaupt, eher SPD, Grüne und FDP. Von daher kommt VG-Chef Simon auch zu dem Schluss: „Die Menschen wünschen sich eine Regierung unter der Führung von Olaf Scholz. Anders kann man den Wählerwillen gar nicht interpretieren.“ Und dieser Wählerwille müsse auch noch irgendwo Beachtung finden. Deshalb wünscht sich Simon eine „Koalition der Wahlgewinner“. Er macht sich aber auch nichts vor, die Verhandlungen und Sondierungsgespräche könnten noch spannender werden als nach der Bundestagswahl vor vier Jahren. Diesbezüglich betont der CDU-Gemeindeverbandsvorsitzende Koch: „Eigentlich kann es sich Deutschland nicht erlauben, noch so eine Hängepartie hinzulegen wie vor vier Jahren.“ Ein Kanzlerkrimi wird es vermutlich trotzdem.

Von unserem Redakteur David Ditzer