Von unserem Berliner Korrespondenten Gregor Mayntz
Das hat sich radikal geändert. Deutschland ist zum zweitbeliebtesten Einwanderungsland der Welt geworden – und die Politik hat sich Schritt für Schritt darauf eingestellt. Von einem „Paradigmenwechsel“ spricht anerkennend sogar die Grünen-Migrationsexpertin Luise Amtsberg. Zwar habe die Union zu jedem Fortschritt gedrängt werden müssen, doch im Ergebnis sei man in den Jahren unionsgeführter Regierungen nun weiter gekommen als es Rot-Grün bis 2005 geschafft habe.
Konkret heißt das: Asylbewerber dürfen sich nun freier im Land bewegen, können viel früher eine Arbeit aufnehmen. Und sie müssen auch nicht mehr so lange warten, bis die Behörden geprüft haben, ob sich für einen bestimmten Arbeitsplatz nicht doch ein Deutscher oder EU-Bürger finden lässt, bevor der Asylbewerber zum Zuge kommt.
Ohne Zuwanderung qualifizierter Ausländer geht Deutschland an seinen Demografieproblemen zugrunde. Nur Spitzenkräfte können die Wirtschaft in Schwung halten, und nur besetzte Arbeitsplätze zahlen in die Sozialversicherungssysteme ein. Bislang hat die Union streng getrennt zwischen der wirtschaftlich gewünschten Zuwanderung qualifizierter Arbeitnehmer und der grundgesetzlich gebotenen Aufnahme politisch Verfolgter. Diese Grenze ist mit der schnellen Arbeitsaufnahme durch aussichtsreiche Asylanten gefallen.
Nach einem Stotter-Start scheint zudem die der US-„Greencard“ abgeguckte „Blaue Karte der EU“ besser zu funktionieren. Mit dieser zunächst auf ein bis vier Jahre befristeten Aufenthaltsgenehmigung sollen besonders qualifizierte Ausländer an der Schlange der Einreise-Anwärter vorbeigeschleust werden. Sie müssen dazu Arbeitsverträge mit Unternehmen in Deutschland vorlegen, die ihnen im Jahr mindestens 47 600 Euro bringen, in Mangelberufen wie Ingenieur oder IT-Techniker reichen 37 128 Euro.
Waren in den ersten eineinhalb Jahren nach Einführung gerade einmal 3000 qualifizierte Ausländer zusätzlich nach Deutschland gekommen, sind es nach jüngsten Zahlen inzwischen schon mehr als 19 500, davon fast 9000 in Mangelberufen. Mehr als 2500 ausländische Studenten bekamen so lukrative Arbeitsangebote, dass sie in Deutschland bleiben konnten.
Sorgen bereitet Innenminister Thomas de Maizière, dass sich in Nordafrika eine regelrechte Schleuser-Industrie gebildet hat. Er spielt mit dem Gedanken, in Afrika Anlaufstellen zu schaffen, in denen nach erster Prüfung aussichtsreichen Bewerbern die legale Einreise ermöglicht wird. Die Gesamtzahl der Zuwanderer soll dadurch aber nicht steigen.