Zukunftsgesetz hat gravierende Folgen
Zukunftsgesetz hat gravierende Folgen: Gekocht wird nur noch in einer der drei Kirner Kitas
Mit Ratsmitgliedern, Zuhörern und den drei Kita-Leiterinnen wurde noch lange im Foyer des Gesellschaftshauses (Bild) und danach im Freien über die Folgen des neuen Kita-Gesetzes für die Stadt Kirn debattiert und sich ausgetauscht. Fotos: Bernd Hey
jan

Kirn. Neue Wege gehen, offen sein für neue Ideen zum Wohle der Kinder: Diese Worte klangen in der Sondersitzung des Kirner Stadtrats unter Leitung der Ersten Beigeordneten Christa Hermes in Vertretung des erkrankten Stadtbürgermeisters Frank Ensminger lange nach. In der äußerst konstruktiven Tagung wurde Weichen für die Umsetzung des Kita-Zukunftsgesetzes gestellt.

Viele bisherigen Überlegungen in der Stadt Kirn wurden Makulatur: Zuletzt tagte am Montagabend die evangelische Kirchengemeinde als Träger der Kita „Über Nahe“ in der Danziger Straße 81. Der Presbyteriumsvorsitzende Michael Heck und Pfarrer Volker Dressel sagten zur neuen Konzeption vollste Unterstützung zu und ließen sich einbinden.

Am 4. Dezember 2020 fanden Begehungen von Jugendamt und Kreisverwaltung statt. Bevor Jörg Weißwange von „Chefs Culinar“ aus Weeze auf 44 Folien eine Bestandsaufnahme der drei städtischen Kitas Kirner Straße, Steinenberg und Ohlmannstraße sowie eine Prozessanalyse der Speisenzubereitung mit Handlungsempfehlungen vortrug, erinnerte der VG-Sachbearbeiter Sven Schäfer an den enormen Veränderungsprozess zum neuen Kitagesetz. Mit Inkrafttreten zum 1. Juli 2021 soll die Kitalandschaft in Rheinland-Pfalz auf ein neues, festes und modernes Fundament gestellt werden. Ziele sind mehr Qualität, mehr Geld und Gebührenfreiheit. Es erfolgt die Umstellung auf das neue Personalsystem und der Rechtsanspruch auf eine durchgängige siebenstündige Betreuung samt Essen und sozialen Toleranzregelungen.

Weißwanges gut 40 minütiger Vortrag mit dem bebilderten Zustand der drei Kitas umfasste neben den Kennzahlen auch die Personalbedarfsrechnung samt Übergangslösung, Speisenversorgung und Bilanz. Alle drei Einrichtungen weisen in der Kitaverpflegung ein Defizit aus. Derweil sind in Kirn-Sulzbach 75, in der Ohlmannstraße 105 und im Steinenberg 75 Betreuungsplätze vorhanden. Aktuell gibt es in den drei Kitas 102 Ganztags- und 62 U-3-Plätze.

Fördermittel in trockenen Tüchern

Jetzt beschloss der Stadtrat einstimmig die Variante 2, wonach künftig in der dazu prädestinierten Kita Kirn-Sulzbach gekocht wird. Die Fördermittel seien in trockenen Tüchern, teilte Christa Hermes mit. Die beiden anderen Kitas werden beliefert. Lediglich die Ausgabeküchen müssten saniert werden. Als Kochküche erfüllten sie nach Ansicht der Behörden nicht die heutigen Hygienerichtlinien. Damit werden 400.000 Euro für den geplanten und gecancelten Küchentraktanbau in der Ohlmannstraße eingespart.

Bauamtsleiter Markus Neubrech informierte über die Fördermittelbescheide und den Stand der Gespräche mit den Veterinärbehörden. Er listete landesweite Kita-Neubauten auf, die horrende Summen kosten. Dagegen gebe es in Kirn kein Horrorszenario. In Kirn-Sulzbach könne problemlos im Bestand („im Kubus“) mit externem Zugang samt Möglichkeiten separater Umkleideräume geplant und gekocht werden. Kosten 160.000 Euro. Geplant sind täglich 255 Essen. Logistikpläne für Beladen, Kühltransport und Ausliefern über die 13 Kilometer lange Fahrtroute in 24 Minuten liegen vor.

„In unserem Haus muss zwingend etwas passieren“, sagte Sandra Reemen, die Leiterin der Kita „Sonnenschein“ mit resignierendem Unterton, nachdem Christa Hermes berichtet hatte, dass die beengten Verhältnisse mit Veterinär- und Behördenauflagen gravierend seien, und die Ämter Ergebnisse sehen wollten. Zudem würde die Hangsicherung Steinenberg eine Million Euro kosten. „Wenn wir dort die Zahl um 25 Kinder verringern, würde dort eine kleine und feine Einheit entstehen“, meinte die Stadtbeigeordnete. Erste Gespräche mit der evangelischen Kirchengemeinde und einem Erweiterungsanbau vis-a-vis der Hellberghalle/Danziger Straße seien positiv verlaufen.

„Das neue Kita-Gesetz beschäftigt uns ebenso. Auch wir sind in der siebenjährigen Übergangszeit intensiv gefordert und für alle Gespräche grundsätzlich offen und bereit“, sagte Michael Heck.

Alles der Kostenfrage unterordnet

Gleichwohl sei allen bewusst, dass eine Erweiterung am Standort Danziger Straße geeignet wäre. Die dreigruppige Einrichtung unter seiner neuen Leiterin Hedi Lanz betreut überwiegend Kinder aus Meckenbach, dem Loh und der Kirner Vorstadt. Ihre Kapazität wurde vor Jahren von 75 auf 65 Kinder reduziert.

Die drei Kita-Leiterinnen Alexandra Ulrich-Uebel (Kirner Straße), Sandra Reemen (Steinenbergstraße) und Tanja Krummenauer-Haag (Ohlmannstraße No.9) standen Rede und Antwort. Grundsätzlich äußerten sie sich zufrieden. Es gab Nachfragen von Ratsfrau Heike Kartarius-Holzhauser zu den Speiseplänen, dem HACCP-Konzept, und von SPD-Fraktionschefin Judith Schindler, inwieweit Religion in der evangelischen Kita eine Rolle spielt. Pfarrer Volker Dressel beschwichtigte: „In allen Kitas sollte Religion eine Rolle spielen. Aber wir sind keine protestantische Kaderschmiede.“ Sven Muser und Karl-Heinz Buss hinterfragten den pädagogischen Effekt, der beim Live-Kochen und -Schnippeln verloren gehe. „Ich als Leiterin bedauere dies sehr“, antwortete Sandra Reemen. Alles sei der Kostenfrage unterordnet. Dennoch nach wie vor werde größter Wert auf Frische und Qualität gelegt. Die guten Feen bei der Essensausgabe blieben erhalten.

Von unserem Reporter Bernd Hey