Mit sicherer Energieversorgung auch Geld zu verdienen – das ist die Maxime, deren Umsetzungen zwei Jahre nach der Fusion von Stadt und VG und vor allem in Corona-Zeiten oftmals fremdgesteuert ist. Als Stromanbieter orientieren sich die Stadtwerke an den Preisen der Strombörse. Im Oktober waren diese Preise schon einmal aus nicht nachvollziehbaren Gründen geradezu explodiert, auch in der Woche vor Weihnachten gab es einen gewaltigen Preisschub.
Diese Preise kann man nicht einfach an die Kundschaft weitergeben, sagt Stumm und betont, dass sich an der Mehrzahl der bestehenden Verträgen erst einmal nichts ändert. Kunden, die mit Stadtwerke-Strom aber etwa Wärmespeicher (Nachtspeicherheizungen) oder Wärmepumpen betreiben, werden vom 1. Februar an einen etwas höheren Preis pro Kilowattstunde zahlen müssen.
Wer freilich neu zu den Stadtwerken wechselt, wird kräftig zur Kasse gebeten. In der Grund- und Ersatzversorgung steigen die Preise von 31 auf 43 Cent pro Kilowattstunde. Das wird für alle Neukunden fällig, Sondertarife wie Lokalstrom gibt es für sie nicht. Wie viele Neukunden es 2022 werden, ist offen, denn der Markt ist in Bewegung. Viele Bürger aus dem Einzugsgebiet der Stadtwerke mussten die Kündigung ihrer Verträge mit anderen Anbietern hinnehmen. Etliche gingen pleite, kappten kurzfristig die Stromlieferung.
Neukunden zahlen deutlich mehr
Dann müssen die Kirner Werke einspringen, und das lassen sie sich zum Schutz der Bestandskunden bezahlen, mit einem Aufschlag von 38,7 Prozent. Wie umkämpft der Markt ist, das zeige sich auch an zahlreichen Anrufen bei Stadtwerke-Kunden, bei denen sich teils unseriöse Anbieter melden, um telefonisch rechtswirksame Verträge abzuschließen. Stumm warnt davor, auf solche Lockvogelangeboten einzugehen und sich notfalls bei den Werken zu melden, damit eventuell Widerspruch eingelegt werden kann, sollte es zu einem Liefervertrag gekommen sein.
Oft könnten solche Anrufer bei potenziellen Neukunden Daten vorlegen und hätten es dann auf Zähler- und Vertragsnummer abgesehen. Mit dem Hinweis, man kooperiere ja mit den Stadtwerken (was nicht stimmt!) schaffen windige Telefonmakler die Basis für Verträge gerade bei älteren Mitbürgern. Stumm: „Die haben oft schon Daten, aber nicht von den Stadtwerken.“ Er betont: Die Stadtwerke arbeiten mit keinen Dienstleistern zusammen. Die Folge eines solchen Vertrags ist: Die Widerspruchsfrist läuft. Stumm bietet an, dass die Werke unsicheren Kunden helfen, wenn die Frist noch läuft. Beispiele gab es schon.
Strommarkt massiv in Bewegung
Der Strommarkt ist aber auch im Bezug auf die flächendeckende Energiegewinnung mit der Ausrichtung auf Klimaneutralität, Abschaltung von Kern- und Kohlekraftwerken massiv in Bewegung geraten. Großflächige PV-Anlagen sind in Windeseile (mit Windrädern dauert’s bekanntlich länger) ins Gespräch gekommen. In einer der jüngsten Ratssitzungen wurde die Einrichtung großer Fotovoltaikanlagen auf Feldern thematisiert.
Hier geht es um Millionen. Aber es ist nichts spruchreif, hieß es. So viel ist klar: Die Stromerzeugung im ganzen Kirner Land wäre eine riesen Chance auch für die Werke, sich ein Stück dieses lukrativen Kuchens zu sichern. Stumm bittet aus diesem Grund alle Eigner von Flächen und die Ortsbürgermeister, noch keine Vorverträge abzuschließen. Doch die Sache eilt offenbar. Es geht um etliche Hektar potenzieller Solarflächen. Allein in Otzweiler waren 28 Hektar im Gespräch (280.000 Quadratmeter), im Bereich um Hochstetten-Dhaun ist ebenfalls von 20 Hektar die Rede.
Was tun? Können die Stadtwerke diesen potenziellen neuen Geschäftsbereich selbst stemmen? Das könnte eine neue Sparte bei den Werken geben, die dann eigene „Grünstromprodukte“ anbieten könnten. „Bisher sind das alles nur lose Gespräche“, sagt Stumm. Die Novellierung beim Thema Sonnenkraft auf Agrarflächen kann gerade für eine strukturschwache Region wie das Kirner Land (wenig Gewerbeflächen, schwierige Erschließung) eine massive Aufwertung sein. Bei der Errichtung von PV-Flächen spricht man von Investitionsvolumen von 1 Million Euro pro Hektar (je nach Lage, Ausrichtung, Anschlussmöglichkeiten).
Ein Blick ins Internet verdeutlicht: Es wimmelt vor „Dollarzeichen“, sprich Renditeluftschlösser in zweistelliger Prozenthöhe. Nachhaltige eigene PV-Anlagen wären aber ein Segen für VG und Stadt, sagt nicht nur Stadtwerke-Geschäftsführer Stumm. Es gibt Zweifel auch aus den Reihen der Kommunalpolitik, ob die Werke das neben den zahlreichen Aufgaben im Zuge von Wasser, Abwasser, Fusion auch noch stemmen können. Eine eigene Firma gründen, vielleicht auf Genossenschaftsbasis Privatleute als Kapitalgeber mit ins Boot holen? Ein gangbarer Weg? Vorschläge gibt es etliche.
Der Gesetzgeber hat bezüglich der Ausstattung mit Solarenergie neue Pflöcke eingeschlagen. Die Errichtung auf Gebäuden, die nicht Wohnzwecken dienen, wird Pflicht, für andere Flächen, die solartechnisch tabu waren, wurden Vorschriften gelockert. Die Stadtwerke hätten von allen potenziellen Anbietern die beste Basis. Dies auch dank der Daten, die eine Befliegung der gesamten VG im Frühjahr geliefert hat. Zentimetergenau sind da alle Grundstücke erfasst, Straßen, Gebäude.
Da könnte man errechnen, wo Umspannwerke nötig sind. „Wir könnten die Wertschöpfung hier behalten, und unsere Bürger würden profitieren,“ sagt Stumm. Und das nicht nur für 20 oder weniger Jahre, wie es in Abschreibungsmodellen der Investoren aufgezeigt wird. Dass das nicht einfach ist, wurde bei dem Versuch der Werke klar, die auf dem Sportplatz von Kellenbach eine Anlage errichten und betreiben wollten. Den Bürgern vor Ort war die Rendite zu gering.
Windkraft kein Thema für Werke
Ein anderes, derzeit noch viel heftiger diskutiertes Thema ist die Errichtung von Windkraftanlagen. Auch hier geht es um viel Geld, um Wertschöpfungsketten, um Naturschutz. Hier eine „schwarze Null“ für die Stadtwerke herauszuholen, sei schwierig, gibt sich Stumm in Sachen Windkraft zurückhaltend. Die Werke waren als Teilhaber bei einem Investitionsprojekt im Boot, doch die Investition zerschlug sich wegen der Nähe zum Weltkulturerbe Mittelrhein (wir berichteten über das Aus des Windprojekts mit 200 Meter hohen Anlagen, die vom Rhein aus sichtbar gewesen wären). Derzeit habe man keine Windkraft im Portfolio, sagt Stumm.
Wie es mit dem Thema Energieversorgung weitergeht? Viele Türen sind zu, andere gehen auf, Solarfelder, Neukunden „dank“ Pleite von Privatstromanbietern. Bei der Versorgung mit Gas, mit dem die Werke nicht dienen, ist die Marktbewegung noch heftiger, weiß Stumm. Da spielt außenpolitisch noch der Konflikt Russland-Ukraine eine Rolle. Noch heftiger als beim Strom.
Einerseits heftige, nicht vor Ort zu beeinflussende Ausschläge an der Börse, andererseits Problemstellungen vor Ort. Man denke an den von der Denkmalbehörde abgesagte Um- und Ausbau des Stadtwerke-Gebäudes am Kreisel. Das wäre weitaus günstiger gewesen als die jetzt offenbar nicht umsetzbaren Aus- und Umbaupläne mit der Konsequenz des Umzugs in die VG-Verwaltung. Solche Entwicklungen oder eben Blockaden bremsen, weiß nicht nur Stumm.
Er spreche seinen gesamten Mitarbeitern ein großes Lob dafür aus, wie gut sie in Zeiten von Corona auf sehr engem Raum arbeiten. „Da kann ich nur den Hut ziehen“, sagt er im Gespräch im eigenen kleinen Büro. Stadtwerke GmbH und VG-Werke (nach der Fusion Stadt und VG) sind zwei paar Schuhe, aber im Grund doch ein Team, das funktionieren muss.
Software ist große Herausforderung
Als Herausforderung steht die Harmonisierung des Softwaresystems von VG-Werken und Stadtwerken auf dem Programm. „Da sind wir mitten im Prozess,“ sagt Stumm. Es gelte, ein bedienerfreundliches System zu finden. Da lohne der Blick über den Tellerrand. „Wie machen es die anderen? Die Stadtwerke hatten bislang Wasser, Abwasser und Energie auf dem Rechner, die VG-Mitarbeiter nur Wasser und Abwasser. Da stehen den Mitarbeitern bis zur Umstellung zum 1. Januar 2023 noch einige Schulungen ins Haus.
Und einige weitere kleine und große Projekte gilt es ebenfalls zu realisieren. Zum Beispiel die Erneuerung der 20 Jahr alten Steuerungsanlagen im Jahnbad, für das die Werke zuständig sind. Oder die weitere Versorgung der elektrisch automobilen Kundschaft mit Wallboxen. Ursprünglich wollte man da tiefer einsteigen, sagt Stumm, doch man belässt es bei dem (geförderten) Verkauf und der Vermittlung von Betrieben, die den Anschluss vornehmen.