Mainz – Gelegentlich klingt Eva Weickart ein wenig resigniert, wenn sie die Forderungen der Frauenbewegung von vor hundert Jahren und von heute vergleicht: „Seltsamerweise sind viele noch identisch.“
Noch immer gebe es keinen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, seien viele Frauen nicht vor familiärer Gewalt geschützt. Ausgerechnet im 100. Jubiläumsjahr des Internationalen Frauentags hat es die Gleichstellungsbeauftragte der Mainzer Stadtverwaltung noch ein wenig schwerer als sonst, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Der 8. März fällt dieses Jahr mitten in die Fastnachts- und Karnevalszeit. „Wir können den Kampf gegen den Fastnachtsdienstag nicht gewinnen“, sagt Weickart.
In Rheinland-Pfalz gibt es aus Anlass des Jubiläums so verschiedene Veranstaltungen wie Musikabende, Kabarettvorführungen und Lesungen, Sicherheitstrainings und Weinproben für Frauen oder gar eine Filmvorführung mit anschließender Schokoladenverköstigung. Bundesweit sind die meisten zentralen Veranstaltungen zum Jubiläumsjahr kurzerhand um eine Woche nach hinten auf den 19. März verlegt worden. Historisch gesehen ist die Entscheidung nicht zu beanstanden, denn auch der erste Internationale Frauentag fand an diesem Datum statt. Im fernen Jahr 1911 demonstrierten in vielen Ländern Europas Frauen für Frauenwahlrecht und Gleichberechtigung.
Ein Jahr zuvor, im Sommer 1910, hatte die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Kampftages für Frauenrechte beschlossen, für den sich maßgeblich die deutschen Vertreterinnen um die Frauenrechtlerin Clara Zetkin eingesetzt hatten. Erst später setzte sich der 8. März als Datum des Weltfrauentags durch.
„Frauen, die ihre Rechte genießen, sollten wissen, dass das nicht selbstverständlich war“, sagt Roghieh Ghorban vom Deutschen Gewerkschaftsbund. „Frauen haben dafür gekämpft.“ In Deutschland hatte der Weltfrauentag wegen seines sozialistischen Ursprungs allerdings von Anfang an einen schweren Stand. Bis weit in die Nachkriegszeit hinein galt das Datum in der Bundesrepublik als verpönt, selbst Gewerkschafterinnen mussten noch vor nicht allzu langer Zeit gegen Widerstände angehen, wenn sie Veranstaltungen zum 8. März planten.
In der DDR dagegen war der Frauentag arbeitsfrei und wurde zu einer Art sozialistischem Muttertag stilisiert. „Da haben die Frauen von ihren Kollegen dann Lockenwickler geschenkt bekommen“, erinnert sich die Historikerin Weickart, die als junge Frau einmal eine 8.-März-Feier in Ostdeutschland miterlebte und ziemlich entsetzt darüber war, wie der Tag ablief. Während es in Osteuropa bis heute zum guten Ton gehört, Frauen am 8. März Blumen zu schenken und sich etwa in Russland wegen der riesigen Nachfrage die Blumenpreise Anfang März mehr als verdoppeln, haben viele Mainzer Blumenverkäuferinnen noch nicht einmal vom Weltfrauentag gehört.
Kirchliche Frauenorganisationen haben inzwischen ihren Frieden mit dem einst linken Kampftag geschlossen. Vor 100 Jahren waren sie noch auf größtmögliche Distanz zur Frauenrechtsbewegung bedacht, sprachen sich anfangs sogar ausdrücklich gegen das Frauenwahlrecht aus. Inzwischen gebe es vielerorts gemeinsame Aktivitäten, sagt Margot Papenheim, Referentin der Evangelischen Frauen in Deutschland. Allerdings sei der 8. März dadurch kein Datum geworden, das kirchliche Frauengruppen für sich beanspruchten. In kirchlichen Kreisen bleibt der Weltgebetstag am 4. März das zentrale Datum, um für die Anliegen von Frauen einzutreten. Karsten Packeiser