Rheinhessen – Der Weinjahrgang 2010 in Rheinhessen wird wahrlich kein schlechter. Darüber dürfen sich die Freunde edler Tropfen freuen. Allerdings werden sie für den Weingenuss tiefer in den Geldbeutel greifen müssen, denn es wird wesentlich weniger Riesling, Müller-Thurgau, Silvaner, Dornfelder und Co. geben.
„Wir rechnen derzeit mit einem rund 20 Prozent geringeren Ertrag gegenüber dem Vorjahr“, berichtete der Präsident des Weinbauverbandes Rheinhessen, Ingo Steitz gestern bei der traditionellen Herbstpressekonferenz des Weinwirtschaftsrates Rheinhessen. Und möglicherweise müsse die Zahl noch weiter nach oben korrigiert werden, meinte er mit Blick aufs Ende der Lese. Durchschnittlich bringen die rheinhessischen Winzer pro Jahrgang etwa 2,6 Millionen Hektoliter Wein in die Keller.
Wie hoch die Preissteigerungen bei den selbst vermarktenden Winzern ausfallen, ist noch nicht abzusehen. Fest steht für Wolfgang Trautwein, Vorsitzender des Verbandes der Rheinhessischen Weinkellereien, jedoch, dass es für seine Branche schwierig wird, die gestiegenen Erzeugerpreise unter hohem Wettbewerbsdruck im Lebensmittelhandel umzusetzen.
Nach Steitz' Angaben sind mittlerweile etwa drei Viertel der Weinberge in Rheinhessen gelesen. „Ernte und Verarbeitung der Trauben gehen in diesem Jahr zügig voran, was nicht zuletzt an der geringen Menge liegt“, sagte er. In gut gepflegten Anlagen reifen jetzt noch Riesling, Silvaner, Grauer und Weißer Burgunder sowie im Rotweinbereich vor allem Spätburgunder. „Diese Rebsorten profitieren von den perfekten Oktobertagen“, betonte der stellvertretende Leiter des Dienstleistungszentrums Rheinhessen-Nahe-Hunsrück (DLR), Otto Schätzel. Jedoch sollten die Winzer Tag für Tag nicht nur ein wachsames Auge auf die weitere Entwicklung haben, sondern auch die Aromabildung in den Beeren sensorisch begleiten: „Sie müssen wieder ihre Trauben im Weinberg essen. Das Refraktometer zum Messen der Oechslegrade wird jetzt weniger gebraucht.“
Während der 2009er den Winzern quasi in den Schoß gefallen sei, gelte es jetzt, sich für den 2010er Zeit zu nehmen und ihn zu erarbeiten. Betriebe, die ihre Aufgaben im Wingert gut erledigt hätten, dürften denn auch mit passablen Tropfen, bei den spät reifenden Rebsorten sogar mit Spitzenweinen rechnen – weiße wie rote.
Was die Qualitäten des neuen Jahrgangs betrifft, sind sich die Experten weitgehend einig: Es werden Kreszenzen mit einer überzeugenden Frische und einem stabilen Säuregerüst erwartet, was für ein großes Reife- und Lagerungspotenzial spricht. Steitz: „Das kommt wohl vielen Verbrauchern entgegen, denn die gehen mehr und mehr dazu über, mal Weine erst nach zwei, drei oder vier Jahren zu genießen.“
Helmut Oesterwinter