Koblenz
Weihnachtsmärchen in Koblenz: Der Bühnenzauber von Lönneberga

Markus Gläser spielt im Wintermärchen am Koblenzer Stadttheater den Lausbuben Michel aus Lönneberga. Der hat den Schalk im Nacken, aber das Herz am rechten Fleck. Foto: Matthias Baus für das Theater Koblenz

Koblenz. In Sachen Weihnachtsmärchen hat das Theater Koblenz seit einigen Jahren einen guten Lauf - da macht auch "Weihnachten in Lönneberga" keine Ausnahme. Noch mehr als 30 Mal steht das Stück in den nächsten Wochen auf dem Spielplan im Großen Haus. Unser Prädikat: liebevoll und sehenswert.

Lesezeit 3 Minuten

Von unserer Redakteurin Anke Mersmann

Ein Weihnachtsmärchen zu besuchen, ist für viele Kinder die erste Berührung mit dem Theater überhaupt. Sie hallt im besten Fall lange nach, bleibt unvergessen, wenn der Bühnenzauber wirklich wirkt. Ob sich eine solche Langzeitwirkung bei den Grundschülern einstellt, die am Freitagmorgen die Premiere des Weihnachtsstücks am Koblenzer Theaters besucht haben, wird sich natürlich erst mit der Zeit zeigen – „Weihnachten in Lönneberga“ aber bringt mit, was ein wirkmächtiges Weihnachtsmärchen haben sollte.

Bestes Handwerk

Allen voran eine gute Stückvorlage, natürlich. Was aus der Feder von Astrid Lindgren stammt, darf per se als gut betrachtet werden. Die Inszenierung von Cynthia Thurat zeichnet sich zudem durch Witz, Fantasie, Tempo und richtig gutes, liebevolles Theaterhandwerk aus. Alles ist umfassend vorhanden in Ausstattung und Bühnenbild wie auch im Spiel der Darsteller und der drei Musiker. Sie sorgen für den passenden Soundtrack zu dem sich mitten im schwedischen Småland abspielenden Weihnachtstrubel – das Stück könnte auch gut als Musical ausgeflaggt sein.

Schweden also, Småland, genauer das Örtchen Lönneberga, das auf immer und ewig mit einem Namen verbunden sein wird: Michel. In Dutzenden Büchern hat Lindgren ihn als Lausbub beschrieben, als einen liebenswerten Frechdachs, der mit seinen Streichen den elterlichen Hof Katthult ziemlich in Atem hält. Das tut er auch in „Weihnachten in Lönneberga“ – aber nicht aus der Lust heraus, Schabernack zu treiben, sondern mit dem Willen, etwas Gutes zu tun und anderen zu helfen. Sei es den an Weihnachten Hunger leidenden Armen des Dorfes, sei es seinem Freund, dem Knecht Alfred, in höchster Not.

Bevor sich die Handlung aber auf diese zwei Ereignisse zuspitzt, bleibt hübsch viel Zeit, damit sich Michel austoben kann. Seine Spielwiese ist der winterliche Hof Katthult, auf der Bühne (Claudia Rüll Calame-Rosset, auch Kostüme) detailverliebt mit einem Holzhaus im typischen Schwedenrot dargestellt, mit viel wattigem Schnee und einer im Hintergrund gehissten Schweden-Flagge. Dank der Drehbühne wechselt winterliche Szenerie schnell in die gemütliche Wohnstube samt Elchkopf an der Wand – ein Bühnenzauber, der das junge Premierenpublikum immer wieder ins Staunen versetzt. Selbst wenn die Bühne zum tristen Hof des Armenhauses von Lönneberga dreht.

Trubel und Holzmännchen

Ob nun draußen oder drinnen: Dank Michel geht überall trubelig zu. Herrlich lassen sich Schneebälle werfen, heimlich an Würstchen knabbern, eine Grube graben, um Werwölfe zu fangen oder die Eltern und Magd Ida ärgern. Das endet jedes Mal – sehr zum Vergnügen der Zuschauer – mit einem donnernden „Michel“-Gebrüll des Vaters (Jan Käfer) und einem Verweis in den Holzschuppen. Michels positivem Gemüt tut diese Strafe jedoch nie etwas ab, kann er dort doch an seinen geliebten Holzmännchen schnitzen.

Markus Gläser spielt den Lausbuben lebhaft und mit einem gehörigen Schalk im Nacken. Davon lässt sich Knecht Alfred zu gern anstecken, den David Prosenc passend begeisterungsfähig und liebenswert darstellt. Überhaupt ist das gesamte Figurenensemble charmant, von einer Ausnahme abgesehen: Maduskan, die hinterhältige, verfressene Leiterin des Armenhauses, die Marcel Hoffmann als überdrehte garstige Alte spielt, irgendwo zwischen abgehalfterter Dragqueen und Folkloretänzerin im schäbigem Trachtenkleid. Das geschieht natürlich alles kindgerecht und mit viel Witz. Die Kleinen haben Freude an der Unsympathin, die Hoffmann genüsslich ausspielt. Ebenso wie seine andere Rolle, die der alten Krösa-Maja. Ihm fallen in diesem Stück auch die meisten Gesangsparts zu, die der musicalerfahrene Schauspieler geschmeidig meistert.

Über Musik und Gesang wird einiges an Handlung in diesem Stück transportiert, am Bühnenrand begleitet eine dreiköpfige Band um Ralf Schurbohm. Sie liefert klangliche Vielfalt, spielt mal jazzig, lässt es rocken, lässt das Klavier träumerisch perlen oder intoniert das schwedische Lied „Sancta Lucia“. Höhepunkt – und absurd-komisches Moment – ist ein Rap, den Michel, Ida (Jennifer Tilesi Silke) und Alfred während des Festschmauses mit den Armen auf Hof Katthult abliefern, Diskokugel und Lichtorgel inklusive.

Dass auf die Partystimmung ein väterlicher Anpfiff folgt, ist unvermeidlich. Doch Wut wandelt sich alsbald in Stolz, als sich die Einsicht ihren Weg bahnt. Auf diese Weise wird die Aussage des Stücks für die Kinder gut nachvollziehbar gemacht: Gutes tun und für andere dazusein, mag nicht immer der bequemste Weg sein – aber einer, an dessen Ende die Zufriedenheit steht. Eine hübsche Aussage eines Weihnachtsmärchens, das ansonsten ohne jeden erhobenen pädagogischen Zeigefinger auskommt und lieber den Bühnezauber wirken lässt.