„Ich bin glücklich“, bekannte Tigers-Trainer Karl-Heinz Helbing. „Für die Mannschaft ist es ein geiles Gefühl. Nachdem wir in zwei Begegnungen Pech gehabt hatten, haben wir diesmal hinten heraus etwas Dusel gehabt.“
Glück hatten die Tigers vor allem im letzten Kampf. Helbing hatte sich schon vor der Begegnung gewundert, warum der KSK den Greco-Spezialisten Bellscheidt im Freistil-Weltergewicht aufgestellt hatte. Im Nachhinein wurde bekannt, dass der Neusser verletzt war und sich lediglich in den Dienst der Mannschaft gestellt hatte, um eine 0:40-Niederlage zu vermeiden. Denn zu der wäre es gekommen, nachdem die Gäste schon den Fliegengewichtskampf im Griechisch-Römischen Stil unbesetzt gelassen hatten – neun kampffähige Ringer muss jede Aufstellung umfassen. KSK-Trainer Fatih Cinar war vor dem letzten Kampf zu Tlashadze gegangen, hatte ihn von der Verletzung informiert und ihm signalisiert, Bellscheidt werde keinen Widerstand leisten.
Dass dieses abschließende Duell gefakt war, tat der Leistung der Gastgeber keinen Abbruch. Zum einen, weil Tlashadze auch gegen einen gesunden Kontrahenten einen Sieg eingefahren hätte, der für die Tigers zum Gesamterfolg ausgereicht hätte, zum anderen, weil die vier Teamkollegen, die vor dem Georgier auf die Matte gingen, Großes geleistet und damit erst ermöglicht hatten, dass der Rückstand auf zwei Punkte geschrumpft war.
Zur Pause hatte Helbing gezweifelt, ob der Umschwung noch gelingen würde, wobei Aufgeben für ihn keine Option war. „Ich wusste, dass wir hinten raus stark sind“, sagte der Tigers-Trainer. Das Startsignal gab Wassil Ivanov. Der Freistilspezialist legte im Mittelgewicht gegen Albert Nakaev los wie die Feuerwehr, brachte seinen Gegner zu Boden und drehte ihn mit einer Beinschraube noch dreimal durch. Ivanov legte gleich nach und führte bis zur Pause mit 14:0, wobei Nakaev nur der Gong vor einer Schulterniederlage bewahrte. In der zweiten Runde fackelte der Wrestling Tiger nicht mehr lange und stellte nach 26 Sekunden seinen technisch überlegenen Punktsieg sicher. „Endlich ist bei Wassil der Knoten geplatzt“, jubelte Helbing. „Das war super.“ Es stand nur noch 8:15.
In einem von zwei Kämpfen auf internationalem Topniveau traf Stefan Tonu auf den KSK-Athleten Ayoub Musaev. Der Neusser, der bei der U23 und den Kadetten Europameisterschafts-Dritter war, war in dieser Saison noch ungeschlagen und hatte zehn zum Teil sehr deutliche Siege für seine Mannschaft eingefahren. Doch auch Tonu hatte WM- und EM-Medaillen bei den Kadetten eingefahren. In einem Duell auf Augenhöhe zeigte der Wrestling Tiger eine bärenstarke Leistung, geriet nur kurz vor Ende der ersten Runde kurzzeitig in Gefahr, wand sich aber aus der gefährlichen Lage. Beim Pausen-3:2 war noch nichts entschieden, doch Tonu legte noch zweimal nach und brachte mit dem 7:2 zwei weitere Punkte auf das Mannschaftskonto. „Das war ein absoluter Spitzenkampf“, schwärmte der Trainer des Rhein-Nahe-Teams. „Für die Zuschauer war das ein richtiger Leckerbissen.“ Die Gastgeber lagen nur noch 10:15 zurück.
Die wilde Hatz ging weiter. Vasile Taran brachte seinen Gegner Deni Nakaev schon in der ersten Runde dreimal in die gefährliche Lage, zweimal fehlten ihm Millimeter, einmal Sekunden zum Schultersieg. Doch er ließ sich von den vergebenen Chancen nicht entmutigen, sondern stellte nach etwas mehr als fünf Minuten seinen technisch überlegenen Punktsieg sicher. Die Tigers waren dran, es stand 14:15.
Mit dem dramatischen Duell zwischen Vladislav Ivanov und dem Neusser Iwan Tagner wurde das Finale eingeläutet. Den 0:2-Rückstand wegen einer Verwarnung nach einem Griff zum Hals drehte Ivanov mit einem Wurf zur 4:2-Pausenführung. Tagner ging mit 6:4 erneut in Front, musste aber wieder den Ausgleich zulassen. Beide kassierten noch eine Passivitätsverwarnung, doch beim 7:7 entschied letztlich die Unsportlichkeitsverwarnung vom Beginn des Kampfes zuungunsten Ivanovs. Die Neusser führten zwar 16:14, wussten aber, dass sie die Begegnung verloren hatten. Tlashadze sorgte lediglich für die Bestätigung.
Vor der Pause hatte nur Ahmed Alfaraj einen kampflosen Sieg für die Heimmannschaft eingefahren. Höhepunkt des ersten Abschnitts war das Duell zwischen Alexandru Chirtoaca und seinem KSK-Kontrahenten Simone Piroddu, der andere Kampf auf absolutem Weltniveau. Auf Seiten der Gastgeber stand der Bronzemedaillengewinner bei den Europaspielen von Baku 2015, mittlerweile 35 Jahre alt, auf Seiten der Neusser der 19-jährige Europameister und WM-Dritte bei den Kadetten. Chirtoaca zeigte einen beherzten Kampf, wehrte zahlreiche Beinangriffe mit all seiner Routine ab, konnte aber nicht verhindern, dass sein junger Kontrahent in der zweiten Runde seine Konditionsvorteile ausspielte und auf 12:0 davonzog.
Die drei übrigen Kämpfe verloren die Gastgeber vorzeitig. Greco-Spezialist Ralf Böhringer nutzte auch ein Gewichtsvorteil von fast 30 Kilo nichts, es wurde überdeutlich, dass der Schwergewichtler im Freistil nicht mithalten kann. Adlan Tasuyev brachte ihn mit Beinangriffen ein ums andere Mal zu Fall und gewann nach fünf Minuten technisch überlegen. Alexander Mayer und Jason Partenheimer landeten auf den Schultern.
Von ihrem Heimpublikum haben sich die Wrestling Tigers mit einem begeisternden Kampfabend verabschiedet, ihr Wunsch, auf Platz fünf vorzurücken, erfüllte sich aber (noch) nicht, da der SV Alemannia Nackenheim zur gleichen Zeit in Düren-Merken deutlich verlor. Doch da die Rhein-Nahe-Kampfgemeinschaft am Samstag noch bei den kriselnden Nackenheimern antritt, kann sie an den Merkenern noch vorbeiziehen.