Umweltministerin Höfken und SGD-Präsident Dr. Kleemann über Hochwasserschutz informiert
Was lange währt: Polderbau soll bis 2023 fertig sein
Der verrohrte Wiesbach wird wieder geöffnet und über den Deich geleitet.
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Hochstetten-Dhaun. Was lange währt, wird endlich gut! Die altbekannte Redensart wird zwar oft verwendet, aber selten passt sie so gut wie beim jetzt endlich gestarteten Hochwasserschutz-Projekt an der Nahe in Hochstetten-Dhaun. Gestern machten sich die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken und der Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Dr. Ulrich Kleemann, ein Bild von der Großbaustelle. Höfken verwies darauf, dass erst bei der detaillierten Ausschreibung für die schon 2015 planfestgestellte Maßnahme klar geworden sei, dass die bis dahin kalkulierten Kosten von 2,9 auf jetzt 9,9 Millionen Euro klettern würden (Anmerkung der Redaktion: In ersten Plänen war von zwei Millionen die Rede, inzwischen werden über 11 Millionen gehandelt). Nach der Kostenverdreifachung seien umfangreiche Nachverhandlungen mit dem Finanzministerium um eine Ausnahmegenehmigung für die 7,9 Millionen Euro Landesmittel fällig gewesen, die die Wartezeit verlängert hätten. Verzögerungen habe es auch gegeben, weil die Bauwirtschaft stark beschäftigt gewesen sei. Zum offiziellen Baubeginn am 18. April haben man wegen der Corona-Pandemie auf den traditionellen Spatenstich verzichtet. Dafür wolle man 2023 das dann abgeschlossene Projekt mit einem Fest etwas größer feiern, versprach die Ministerin. Höfken erinnert daran, dass das Land in den vergangenen 25 Jahren 1,3 Milliarden Euro in den technischen Hochwasserschutz investiert habe.

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Klimawandel-Folgen abmildern

Hinzu kämen Renaturierungsmaßnahmen der „Aktion Blau“ in Höhe von 330 Millionen. Sie verwies darüber hinaus auf 1000 (!) kommunale Hochwasserschutzkonzepte, die alle mit dazu dienen sollen, die durch Klimaveränderung drohenden Gefahren abzumildern. Massive Trockenschäden in den Wäldern führten dazu, dass Starkregen heftigere Auswirkungen hätten als früher. Und dann sind Gemeinden wie der Ortsteil Hochstädten rechts und das Hochstetten-Dhauner Gewerbegebiet links der Nahe besonders gefährdet. Höfken weiß, wovon sie spricht, war selbst von Hochwasser betroffen: „Die Sandsäcke liegen noch am Haus.“

Bürgermeister Thomas Jung informierte, dass die VG Kirner Land mit im Boot sei und zehn Prozent der Gesamtkosten trage. Die Gemeinde Hochstetten habe sich mit einem freiwilligen Beitrag beteiligt. Ortsbürgermeister und VG-Beigeordneter Hans Helmut Döbell vermerkte dankbar, dass die 30-jährige Wartezeit auf das Hochwasserpolder endlich zu Ende sei. Zur Erinnerung: 1990 wurde die Kirner Wässerung gebaut, der Polder Hochstetten ist ein Ausgleich dafür. Man sei Warten gewohnt in der Gemeinde, rechnete Döbell vor: 40 Jahre wartete man auf den jetzt auf Hochtouren laufenden B 41-Ausbau, 30 Jahre auf den Polder, elf Jahre auf den Bahnhofsausbau. Mit B 41 (38 Millionen), Polder (11 Millionen) und Bahnhof (1 Million) summiere sich das mit weiteren kleineren Maßnahmen auf rund 50 Millionen Euro. Das zeige die Bedeutung der schönen 1860-Einwohner-Gemeinde. Döbell dankte allen Beteiligten, dass es mit dem Bau losgeht. Schließlich sei die Gemeinde in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gebremst worden, weil die jetzt für Baugrund nötigen 12.000 Quadratmeter große Lagerfläche künftig Gewerbegebiet wird. Die Gemeinde konnte, weil sie 50 Prozent der Gemarkung besitzt, durch Flächentausch rund sechs Hektar früheres Ackerland als Renaturierungsfläche zur Verfügung stellen.

Dafür gab's ein Extra-Lob von Projektleiter Christian Ehses (SGD-Nord). Er erinnert daran, dass bei Treffen mit Anliegern „gravierende Bilder“ von früheren Hochwasserereignissen gezeigt worden seien. Die Nahe war Weihnachten 1993 und im Januar 1995 am Sportplatz über den Damm geschwappt, durchs Dorf geströmt und erst unterhalb der Straßenbrücke ins Bett zurückgekehrt. Eine Konsequenz daraus zog die Gemeinde beim Ausbau des Hauses Horbach: Man legte alles eineinhalb Meter höher, verlegte Kanalrohre unters Haus, damit das Hochwasser nicht im Hof stehen bleibt, erzählte Hans Helmut Döbell am Rande.

Deichertüchtigung dringend nötig

Wie nötig der Polderbau und die Ertüchtigung sowie der teilweise Neubau der Nahedeiche ist, zeigte sich im Frühjahr dieses Jahres. Da drückte sich das Wasser durch das vom damaligen Reichsarbeitsdienst in den 30er-Jahren in Handarbeit erstellte heute löchrige Schutzbauwerk. Dort wo das Bauunternehmen Strabag sein Containerdorf aufgeschlagen hat, gab es einen Hochwassersee. Die Bauleute sind sicher, dass sich das nicht wiederholt und geben derzeit Vollgas. Schwerpunkt 2020 ist das rechte Naheufer. Dort wird der Deich zurückgebaut und der Wiesbach über den neuen Deich geleitet.

Wie das möglich sein soll, wurde vor Ort deutlich: Der kleine Wildbach (gestern ein Rinnsal) wurde bislang verrohrt durch den Naheteich geleitet. Dank der Zustimmung von Anliegern wird er künftig aus dem Wald kommend am Hang entlanggeführt und kann so über den neuen Deich geleitet werden. Die Deichkrone ist am Ende unterhalb des Sportplatzes bis zur bleibenden Engstelle Straßenbrücke rund 50 Zentimeter höher als der alte Damm, der schon für ein sogenanntes 100-jähriges Hochwasserereignis taugen sollte. Zwischen dem Sportplatz, wo der Deich nicht erhöht wird und der Brücke wird ein Nebenbach eingerichtet, verbunden mit einem Wassererlebnisbereich. Um die gewaltigen Erdmassen über den Fluss auf die Lagerflächen zu schaffen, wird eine Nahequerung als Behelfsbrücke für die Schwerlaster gebaut. Dazu werden Rohre in den Fluss gelegt, durch die das Wasser strömen soll. In gleicher Weise war das Schulstraßenprojekt in Kirn am Hahnenbach erschlossen worden. Geplant war, dass diese Baustraßen-„Brücke“ von 2020 errichtet und im Herbst vorm Hochwasser abgebaut wird. Nun belässt man es aber bei nur einer Saison und spart damit einige 1000 Euro.

Von unserem Redakteur
Armin Seibert