Mainz – Mütze statt Federhut, Pulli statt Weste, Kaffee im Becher statt in der Mühle: Die Verwandlung von Räuber Hotzenplotz zurück in Stefan Walz ist verblüffend. Nur noch seine tiefe Stimme und seine imposante Größe verraten das Mitglied des Staatstheaterensembles, das zurzeit im Weihnachtsmärchen „Räuber Hotzenplotz“ auf der Bühne steht – und rennt, turnt, klettert und singt.
Insgesamt 44 Mal, manchmal zweimal am Tag. Wie schafft man das? Der gar nicht böse „Räuber“ offenbart im Interview nach einer Mittagsvorstellung seine Tricks: „Schlafen, Spazieren gehen, Rad fahren – und viel Essen und Trinken, die Auftritte sind wie Leistungssport.“
Schon vier Kilo hat er abgenommen, trotz gezieltem „Vorfuttern“, der dicke Bauch wird ihm nur umgeschnallt – darüber kommt der Gürtel mit Klettverschluss zum schnelleren Umziehen. Unter dem Kostüm dampft es regelrecht, Lüftungsschlitze verhindern das Schlimmste. „In den Pausen bekommen wir eisgekühlte Umschläge, das hilft.“
Er fühlt sich als Hotzenplotz wie eine Mischung aus der Popgruppe Take That und einem Kandidaten im „Supertalent“: „Daumen nach unten oder oben, das haben die Kinder aus dem Fernsehen. Und das Gejohle aus 900 Kehlen klingt nach Rockkonzert.“ Allerdings um einiges höher. Walz, der aus der Schweiz stammt und neben Hochdeutsch auch herrliches Schwytzerdütsch spricht, kann anhand des Lieds „Happy Birthday“ am Anfang des Stücks einschätzen, wie alt das Publikum in etwa ist – ein weiteres Indiz ist der „Schuhsohlenfaktor“: „Bei den ganz Kleinen sieht man die Sohlen, da die Beine noch zu kurz für die Sitze sind – dann spiele ich dezenter, um sie nicht zu sehr zu erschrecken.“
Ihn reizt am Weihnachtsmärchen besonders, dass keine Vorstellung wie die andere ist – und die ungefilterte Reaktion des Publikums: „Kinder sind anspruchsvoll, die merken sofort, wenn man nicht ganz bei der Sache ist.“
Zu den erstaunlichsten Rufen aus den Rängen gehörte in dieser Saison „Baby!“ – als Abwertung gemeint: „Wenn das von Fünfjährigen kommt, ist das schon lustig.“ An den Reaktionen merkt er auch, wer die beliebteste Figur ist: „Eindeutig die zauberhafte Fee – besonders bei den Mädchen.“ Die Fantasiewelt seiner eigenen Kindheit – er war natürlich schon damals Räuber oder Indianer – hat Walz ganz bewusst angezapft, um sich auf das Stück vorzubereiten. Mit dem Zauberer Petrosilius Zwackelmann (Gregor Trakis) zusammen hat er vieles ausprobiert, Dick-und-Doof-Filme waren eine weitere Inspirationsquelle.
In seinem Textbuch kleben viele Fotos, Notizen und Skizzen – und ein Bild mit einem großen und einem kleinen Räuber namens Samuel: „Ein Geschenk zur Premiere.“ Autogrammkarten hat er noch nicht, aber seine kleinen Fans können schon ganz schön hartnäckig sein, wenn sie ihn noch nach der Vorstellung vor dem Theater sehen.
„Das macht aber auch Spaß“, lächelt der Schauspieler und verrät: „Hotzenplotz wünscht sich zu Weihnachten einen Freund, mit dem er Musik machen kann – und ich wünsche mir einige Tage Urlaub in den Bergen, zusammen mit meiner Großfamilie.“
Caroline Eva Gerner