In Winningen findet der vierte Stolperstein seinen Platz - Zwangssterilisierte werden als neue Opfergruppe in den Gedenkkreis aufgenommen
Verbrechen der NS-Zeit aufarbeiten: Zwangssterilisierte bekommt in Winningen Stolperstein
Der Stolperstein für Margarete Gail wurde durch den Künstler Gunter Demnig (links) verlegt. Trompetenklänge, verschiedene Beiträge und eine Rosen- und Kerzenniederlegung rundeten die Gedenkveranstaltung ab.
Katharina Günter

Die Evangelische Kirchengemeinde in Winningen hat am Dienstagnachmittag erneut zu einer Stolpersteinverlegung eingeladen. Der vierte Stolperstein im Ort ist Margarete Gail gewidmet. Winningen erweitert damit das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes um einen neuen Opferkreis – den der Zwangssterilisierten.

In einer würdigen Gedenkveranstaltung wurde die Verlegung des Mahnmals durch Gunter Demnig mit mehreren Beiträgen wie Vorträgen von Konfirmanden, Musik und einer Rede von Frank Hoffbauer, Vorsitzender des Ausschusses „Kirche und Kultur”, begleitet.

Die Stolpersteine bilden weltweit das größte Mahnmal für Opfer des NS-Regimes. Seit 2000 sind die Stolpersteine in Deutschland und Europa zu finden. Sie sollen nicht nur an die Opfer des Holocausts erinnern, sondern generell an alle Menschen, die unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus litten, die zu Zahlen gemacht wurden und deren Namen in Vergessenheit geraten sollten. Gunter Demnig, ein Kölner Künstler, ist der Mann, der die Erinnerung an die Opfer zurück in viele Orte bringt. Inzwischen sind seine Stolpersteine in 1265 Kommunen Deutschlands und in 21 Ländern Europas zu finden.

Zeit des Nationalsozialismus blieb lange unangetastet

Nachdem die Zeit des Nationalsozialismus in Winningen lange unangetastet geblieben war, engagiert sich die örtliche Evangelische Kirchengemeinde seit 2007 in der Aufarbeitung des NS-Regimes. Im selben Jahr erschien eine Dorfchronik von Frank Hoffbauer und Walter Rummel, in der die Zeit des Dritten Reichs eines der größeren Kapitel darstellt. 2020 wurden die ersten Stolpersteine für Elisabeth Müller und Friedrich Schauss vor dem Pfarrhaus verlegt. Im Jahr darauf folgte ein weiterer für Hermann Kröber. Mit diesen drei Stolpersteinen wurde an Opfer gedacht, die aus politischen Gründen verfolgt wurden oder deren Leben als „unwert” angesehen wurde.

Der Künstler Gunter Demnig hat den Stolperstein für Margarete Gail gefertigt und vor ihrer früheren Wohnstätte in den Boden eingefügt.
Katharina Güntner. Katharina

Der Stolperstein für Margarete Gail soll nun stellvertretend für die Opfer von Zwangssterilisation stehen. Diese Opfergruppe war aufgrund von psychischen Krankheiten als „erbkrank” eingestuft worden. Auf Basis des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchs” von 1933/34 wurden rund 400 000 Menschen zwangssterilisiert. Darunter waren neben Margarete Gail laut Hoffbauer „mindestens fünf weitere Menschen aus Winningen”. Rund 5000 Personen sind im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Eingriff gestorben, viele weitere wurden später umgebracht.

Wer war das Opfer der Zwangssterilisation Margarete Gail?

Margarete Gail lebte seit ihrer Geburt am 28. Februar 1909 bis zum Tod am 15. Februar 1950 in Winningen in der Kirchstraße 14. Ihre Familie übte den Beruf des Blaufärbers aus. Sie selbst arbeitete bei der Amtsverwaltung Winningen als Stenotypistin, bis 1934 bei ihr eine Schizophrenie diagnostiziert wurde. Auf Anordnung des Erbgerichts Koblenz wurde Margarete Gail am 3. März 1938 durch Dr. Fritz Michel in Koblenz zwangssterilisiert. Am 15. Februar 1950 setzte sie schließlich ihrem Leben ein Ende.

Mit dem Gedenken an Margarete Gail sei die Arbeit, so Hoffbauer, aber noch lange nicht getan. Es werde weitere Stolperstein-Verlegungen geben.