Ahlen – Als Ole Kittner knapp eine Viertelstunde nach Spielende als Letzter in die Koblenzer Kabine kam, war dort schon längst die Hölle los. Die Kicker vom Oberwerth sangen, jubelten und feierten, dass es im kompletten Stadioninnenraum zu hören war.
Kein Wunder, sie hatten ja auch gleich doppelten Grund dazu. Nicht nur, dass das erste Drittligaspiel 2011 einen 3:2 (0:0)-Sieg über Rot-Weiss Ahlen einbrachte – nach dem Schlusspfiff erfuhren sie auch, dass Michael Stahl mit seinem 61-Meter-Hammer gegen Hertha BSC Berlin das Rennen gemacht hatte bei der Wahl zum Torschützen des Jahres.
So ausgelassen die Stimmung in der Kabine auch war, bei der Pressekonferenz hinterher analysierte TuS-Trainer Petrik Sander die Dinge gewohnt kühl. „Für den Jungen ist dieses Tor eine sensationelle Geschichte, und für den Verein auch. Das sorgt für positive Schlagzeilen, und davon gab es in Koblenz zuletzt ja nicht so viele“, sagte Sander, „aber dieses Tor ist nicht die Hauptsache. So langsam ist es auch mal gut damit.“
Die Hauptsache, das ist für Sander die Dritte Liga – nicht das Tor des Jahres und auch nicht der DFB-Pokal. Drei Tage nach dem Ausscheiden gegen den 1. FC Kaiserslautern aus dem Pokal war der Liga-Erfolg in Ahlen hochverdient. Auch wenn das Ergebnis mit nur einem Tor Unterschied knapp anmutet. Allein, der TuS fehlte die Cleverness, um dafür zu sorgen, dass sich ihre Überlegenheit auch im Spielstand ausdrückt.
So fiel auch Sanders Spielanalyse differenziert aus. „In der ersten Hälfte sind wir insgesamt sehr überzeugend aufgetreten, haben es aber verpasst, uns zwingende Chancen herauszuspielen.“ Zum zweiten Abschnitt erklärte Sander: „Nach dem 3:1 auch noch das vierte oder fünfte Tor zu machen, ist eine Sache, die die Mannschaft noch lernen muss.“
Dass sich ein derart torreiches Spiel entwickeln würde, darauf hatte zur Halbzeit noch nichts hingedeutet. Für die TuS hatte Johannes Rahn die einzige hochkarätige Chance im ersten Durchgang, als er nach einer halben Stunde alleine aufs Tor zulief, es aber nicht schaffte, RW-Keeper André Maczkowiak zu überwinden. Auf der Gegenseite war TuS-Keeper Dieter Paucken auch nur einmal ernsthaft gefordert, als er gegen Kevin Wölk stark parierte (43.).
Doch nach dem Wechsel gewann die Partie rasant an Torraumszenen und Unterhaltungsfaktor. Das gilt zumindest für die TuS-Anhänger, denn mancher Ahlener Fan wandte sich angesichts der Defensivpatzer mit Grauen ab. Fassungslosigkeit herrschte etwa in der 50. Minute. Neuzugang Robert Fleßers – immerhin einst U 21-Nationalspieler – verlor die Übersicht, der Innenverteidiger passte den Ball in die Füße von Marcus Steegmann.
Der TuS-Stürmer ging allein aufs Tor zu, der hinterhergeeilte David Flottmann trat ihm in die Hacken, der souveräne Schiedsrichter Peter Gagelmann (Bremen) entschied sofort auf Elfmeter – und Christian Pospischil ließ sich die Gelegenheit zum 1:0 nicht entgehen. Nur zwei Minuten darauf war RWA bei einem Eckball komplett unsortiert. Pospischil hatte den Ball kurz getreten, Thomas Klasen per Kopf verlängert und Rahn schließlich verwandelt (52.).
Während RWA-Trainer Arie van Lent fuchsteufelswild am Spielfeldrand tobte, skandierten die TuS-Fans „Auswärtssieg, Auswärtssieg“. Ein bisschen zu früh, denn ausgerechnet ein Ex-Koblenzer brachte die Rot-Weißen wieder heran. Matthew Taylor traf per Strafstoß, nachdem der Ex-Ahlener Ole Kittner Marcus Piossek gefoult hatte (59.). „Ich wollte blocken, aber dann kam er mit der Fußspitze noch dazwischen.
Den Elfer kann man geben“, sagte Kittner, „aber ich bin froh, dass ich es wiedergutmachen konnte.“ Er selbst stellte mit dem 3:1 den alten Abstand wieder her (66.). Nach einem Eckball herrschte Getümmel im Strafraum, Steegmann war selbst in guter Schussposition, hatte aber das Auge für Kittner, der mitten im Strafraum völlig frei stand.
Während die TuS weitere gute Chancen hatte – Rahn scheiterte freistehend an Maczkowiak (63.), Steegmann traf das Außennetz (68.), Steegmann verdribbelte sich bei einem aussichtsreichen Konter (73.), Rahn versprang am Fünfer der Ball (76.) – ging von den Gastgebern nur wenig Gefahr aus. Obwohl sich die Westfalen zu keinem Zeitpunkt aufgaben, stand der Koblenzer Defensivblock.
In den Strafraum kam Ahlen selten. Das 2:3 erzielte Wölk per Freistoß aus 20 Metern (87.). „Wenn wir noch das 3:3 gemacht hätten, wäre das sehr glücklich gewesen“, räumte auch van Lent ein. Zwischenzeitlich befürchtete er sogar, „dass wir eine Klatsche bekommen“. Dafür allerdings hätte die TuS ihre Chancen besser nutzen müssen. „Sonst kann auch so ein Spiel schon mal kippen“, sagte Sander. Sei’s drum: „Für uns war es wichtig, gut in die Rückrunde zu kommen.“
Von unserem Mitarbeiter Florian Zerfaß