Mainz – Tod oder Gladiolen. Etwas anderes gibt es nicht beim FSV Mainz 05. 16 Spiele: zehn Siege und sechs Niederlagen (fünf davon mit nur einem Tor Unterschied).
Nicht ein einziges Remis. Das muss kein Nachteil sein, auf Siege programmiert zu sein und dabei in Kauf zu nehmen, an einem unglücklichen Tag eher zu verlieren als einen Punkt zu verwalten.
Weniger gut ist der „Tod oder Gladiolen“-Rhythmus für den Kopf. Das ein oder andere Unentschieden aus den 0-Punkte-Spielen hätte die 05-Profis sicher mental besser im Gleichgewicht gehalten.
Beim jüngsten 0:1 am Bruchweg gegen den FC Schalke 04, das war nicht zu übersehen, wirkte das 1:2 im Derby bei der Frankfurter Eintracht nach. Niederlagen setzen sich fest und bringen die Überzeugung ins Wanken. Das mag in der Trainingswoche gar nicht spürbar sein. Aber im Wettkampf. Vier markante Konter der Schalker, und schon löste sich am Sonntagabend die wuchtige, leidenschaftliche Startphase der 05er auf zu einem Gemisch aus zweifeln, spekulieren, Räume absichern, statt die dort auftauchenden Gegenspieler aggressiv anzulaufen und zu bekämpfen; als Offensivspieler zögerlich dem eigenen Aufbau entgegenkommen, statt mutig und dynamisch den Laufweg in die Tiefe zu suchen.
Geschickte Verwaltungsarbeit
Auch diese schwierige Partie gegen Schalke 04 war letztlich ein Remis-Spiel. Die Elf von Felix Magath tat nach der Pause eigentlich zu wenig für drei Auswärtspunkte. Aggressive, taktisch geschickte Verwaltungsarbeit, mehr war das nicht. Aber die Bruchwegprofis fanden in ihrer Verzagtheit und Verkrampfung den Schlüssel für das Eingangstor von Magaths Zementwerk nicht.
Dennoch, die Elf von Thomas Tuchel brachte auch Qualität ein. Die Abwehr gestattete den international geprüften Toptorjägern Klaas-Jan Huntelaar und Raul nicht eine einzige Torchance. Und das Vorwärtsspiel hatte Struktur. Nur fehlten das Tempo im Passspiel, das kreative Freilaufverhalten, die Sprints in die Tiefe.
Nachvorneverteidigung fehlt
Auffallend war, dass es dem Team an einer der wichtigsten Mainz-05-typischen Qualität mangelte: Die aggressive, von Überzeugung getragene Nachvorneverteidigung, die dem Gegner die Luft zum Atmen und den Spaß am Fußball nimmt. Und die Balleroberungen produziert, die dem Team die schnelle, zielstrebige, auf einfachen, geraden Flachpässen basierende offensive Umschaltung ermöglicht. Auf kurzen Wegen zum gegnerischen Tor. Das wäre ein Mittel gewesen gegen die engmaschige Schalker Blockverteidigung. Doch dafür braucht es aktive Ballgewinne, schon in der gegnerischen Hälfte.
Wie schon in der schwachen ersten Halbzeit beim 1:2 in Frankfurt ging das auch gegen die Ruhrpottkicker nicht. Die 05er leisten sich erneut viel zu große Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, sowohl in der Tiefe, als auch in der Breite. Das macht ein aggressives Anlaufen des Ballführenden nahezu unmöglich. Das Umschaltspiel funktionierte entsprechend in beide Richtungen nicht gut. Die Schalker hatten zu viel Raum für ihre (eher harmlosen) Konter. Und nach vorne fanden die Außenverteidiger und die Mittelfeldspieler in diesen großen Räumen keine Anbindung an die vordere Reihe. Da kam das Anspiel, und dann mussten sich ein Marcel Risse, ein André Schürrle oder ein Sami Allagui individuell irgendetwas einfallen lassen. Weil der nächste Mitspieler zu weit entfernt war für einen gefahrlosen Pass. Unabhängig davon, dass Risse eh (noch) nicht der sichere Kombinationsspieler ist.
Die Partie beim FC St. Pauli am kommenden Samstag ist mit diesen Mängeln nur schwer zu gewinnen. Am Millerntor rennt der Gastgeber, da wird gegrätscht und die Kugel einfach, aber dynamisch nach vorne gepeitscht. Das Muster für diese 90 Minuten haben die 05er auf DVD. Nur Mainz 05 sei im direkten Duell mit seinem FC Bayern München stärker gewesen, hat Bastian Schweinsteiger kürzlich betont. Und Trainer Louis van Gaal hat ihn darin mehrfach bestätigt.
Bei jenem 2:1-Sieg in der Münchner Allianz-Arena stürzten sich die 05-Profis in jeden Zweikampf, in jeden Laufweg, als gebe es kein morgen mehr. Und dahinter und daneben sicherte ein hungriger Kollege ab. Diese DVD liegt auf Wiedervorlage.
Reinhard Rehberg