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Mainz
Traumspiele zeigen Welten aus Poesie

Bei "Närrische Träume" purzeln Bildschirme in den Raum, deren Motive ein Gedicht ergeben. Foto: Julia Rau

Julia Rau

Mainz - Vier Tage lang öffnet das LyrikLabor seine Pforten und lädt ein zu "Traumspielen". Rund 30 Studenten der Fachhochschule Mainz und der Universität haben sich zusammengetan, um mit ihrem Festival der Poesie buchstäblich Raum zu geben. Es gilt, Installationen zu erforschen, ein Café wartet auf Besucher, und von der Podiumsdiskussion über den Workshop für Kinder bis zum traumhaft-lyrischen Speeddating ist alles dabei im alten Vermessergebäude in der Rheinstraße 19.

Mainz – Es ist ein vorsichtiges Tasten, ein langsames Vorangehen durch eine dunkle Landschaft aus spitzen Dreiecken. Schwarz ragen sie überall auf, stellen sich in den Weg und strecken dem Besucher Textfragmente entgegen. „Heute Nacht durchschritt ich einen Wald im Traum ...“ Zeilen von Heiner Müllers Sonett „Traumwald“ erklingen. Doch nicht als Ganzes, sondern zerhackt. „Mit leeren Augen .... träum ich seh ich was ich seh ...“ So fühlt sich ein Albtraum an.

Vier Tage lang öffnet das LyrikLabor seine Pforten und lädt ein zu „Traumspielen“. Rund 30 Studenten der Fachhochschule Mainz und der Universität haben sich zusammengetan, um mit ihrem Festival der Poesie buchstäblich Raum zu geben. Es gilt, Installationen zu erforschen, ein Café wartet auf Besucher, und von der Podiumsdiskussion über den Workshop für Kinder bis zum traumhaft-lyrischen Speeddating ist alles dabei im alten Vermessergebäude in der Rheinstraße 19.

Aus einem Regal ergießt sich eine Lawine von Bildschirmen. Verschiedenste Motive flackern auf: eine leere Konservendose, ein Rabe, Jesus am Kreuz, eine Satellitenschüssel. Der Gast ist eingeladen, mit dem Scanner die einzelnen Monitore zu besuchen. Je nach Motiv bekommt er so eine andere Zeile aus Gustav Falkes Gedicht „Närrische Träume“.

„Wir arbeiten mit sehr viel Verfremdungseffekten“, erzählt Germanistikstudent und LyrikLaborant Dominik Schuh. „Der Besucher selbst kann hier auf das Gedicht einwirken.“

FH-Gastprofessorin Susanne Maier-Staufen und Kerstin Rüther vom Deutschen Institut der Uni riefen das LyrikLabor vor einem Jahr ins Leben. Sie brachten Studenten verschiedenster Fachrichtungen zusammen. Die Reaktionen auf die ersten poetischen Installationen waren ausgesprochen positiv. Mit Anna-Lisa Schönecker und Holger Reckter stießen dann zwei weitere FH-Professoren mit ihren Studenten hinzu, und so basteln nun fürs große Festival Innenarchitekten und Germanisten, Kommunikationsdesigner und Komparatisten, Romanisten und Mediendesigner an ihren „Traumspielen“.

Um alles fertig zu bekommen, legten die Studenten und ihre Professoren in den letzten zwei Wochen Nachschichten ein. Sie besorgten sich 1000 Colakisten um eine flexible Cafélandschaft zu erschaffen oder setzen sich zusammen, um ein wunderschönes Programmheft zu konzipieren. „Wir haben alle Krisen durchgemacht, die man sich vorstellen kann“, erzählt Maier-Staufen vom ungeheuren Arbeitsaufwand. FH und Uni unterstützen das Festival mit rund 9000 Euro. Aber angesichts dessen, was die Besucher geboten bekommen, wird schnell klar: Das ist nicht viel für solch ein Projekt.

Ein Iglu aus unzähligen Kartons wartet auf neugierige Entdecker, tastende Hände lassen Verse an einer Wand auftauchen, und am Ende einer dunklen Abstellkammer steht der Dichtersessel: Wer sich draufsetzt, erweckt eine Welt aus Schrott zum Leben und bekommt natürlich Lyrik auf die Ohren.

„Traumspiele“ ist ein Wagnis. Werden genug Gäste zu den zahlreichen Veranstaltungen kommen? Werden die Installationen einem Besucheransturm überhaupt standhalten?

LyrikLaborantin Tina Rotzal und ihre Mitstreiter etwa müssen allein für ihre Interpretation des Heinrich-Heine-Gedichts „Allnächtlich im Traume“ jeden Tag 100 Luftballons aufpumpen. Nur so bleiben ihre „Liebesträume“ am Leben. „Und jeder von uns ist an mehreren Baustellen zugleich tätig“, meint Schuh. „Wir probieren eben etwas ganz Neues aus“, ergänzt Maier-Staufen, „aber dafür sind wir schließlich auch ein Labor.“

Diese fantastische Mischung aus Installation und Poesie, Diskussionsforum und Workshop verdient reichlich Besucher. Das LyrikLabor präsentiert eine wunderbare neue Welt. „Traumspiele“ ist nicht nur was für Fans der Poesie. Hier gibt es für jeden was zu entdecken zwischen dunklen Dreiecken, Bildschirmlawinen, Labyrinthen aus Luftballons und Landschaften aus Kartons.

Gerd Blase

Bis 22. März täglich ab 16 Uhr im alten Vermessergebäude, Reinstraße 19. Tageskarte 6, ermäßigt 3 Euro, Festivalkarte 9, ermäßigt 5 Euro.