Mainz – Zum Tag der offenen Tür in der neuen Mainzer Synagoge zog es Massen von Besuchern in die Neustadt. Nach Angaben der Polizei kamen 10 000 bis 11 000 Gäste in das am Freitag eingeweihte Gotteshaus. Als sich am Sonntag gegen elf Uhr die Pforten des jüdischen Versammlungsortes öffneten, war die Zahl an Interessierten noch überschaubar. Doch binnen weniger Stunden wuchs der Besucherstrom so stark an, dass sich Schlangen um die Synagoge bis in umliegende Nebenstraßen bildeten.
Bis zu zwei Stunden standen Menschen jeglicher Religion und Konfession in der Schlange, bevor sie den von Architekt Manuel Herz entworfenen Bau von innen betrachten konnten. Gegen Nachmittag war der Besucherstrom so groß, dass die Gemeinde die Führungen auszusetzen musste, um überhaupt jedem Einlass gewähren zu können. Polizeikräfte hatten teilweise in zivil auch im Innern der Synagoge die Situation im Blick. Nach Auskunft von Einsatzleiter Peter Raschke verlief der Besuchertag trotz des unerwarteten Andrangs friedlich.
Stella Schindler-Siegreich war völlig überrascht von dem Andrang. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Mainz hatte mit gerade mal 1000 Besuchern gerechnet. „Ich finde es wunderbar, dass so viele mit Interesse, Freundlichkeit und Offenheit gekommen sind„, freute sie sich. Ihrem zur Synagogeneinweihung geäußerten Wunsch vom „Neuanfang“ im jüdisch-christlichen Verhältnis sieht Schindler-Siegreich an diesem Tag Ausdruck verliehen: „Ich hoffe, dass die Synagoge von allen Mainzern als die ihre angenommen wird.„
Mit Werner Petri und Hiltrud Kaster haben sich zwei Mainzer zur Synagoge begeben, die schon jetzt von dem Neuanfang überzeugt sind. Beide engagieren sich in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Für Kaster steht das Wiederaufleben einer jüdischen Tradition im Mittelpunkt, die durch das Naziregime zu einem großen Teil zerstört wurde. Als ehemaliger evangelischer Pfarrer hebt Petri die Bedeutung des neuen Gotteshauses hervor: „Durch die Räume werden vielfältige Möglichkeiten für Begegnungen geschaffen.“ Der Verein will die Synagoge bald geschlossen besuchen.
Der Großteil der Juden in Mainz, 95 Prozent, kommt aus der ehemaligen Sowjetunion. Auch die kirgisische Emigrantin Eleonora Litvak kam vor sieben Jahren mit ihrem Mann nach Deutschland. Das Paar hat in Mainz eine neue Heimat gefunden. Und um einen würdigen Versammlungsort, sei man nun auch reicher, sagt ihr Mann Jannia: „Alle Religionen in Mainz haben ihr Haus. Wir auch."
Lukas Ondreka