Mainz – Zehn, neun, acht, sieben, sechs …. Bald ist es so weit. Montag wird aufgebaut, Dienstag die Technik installiert, Mittwoch und Donnerstag Haupt- und Generalprobe.
Am Freitag ist Premiere. Diese Woche ist jeder Abend ein Drecksäck-Abend. Und der endet nicht mit dem Sandmännchen. Jetzt werde ich wieder zum Herrn der Augenringe.
Bloß nicht krank werden! Es ist Erkältungszeit und in der Drecksäck-Garderobe niest, hustet und röchelt es wahrscheinlich wieder in allen Tonlagen. Allein beim Wort „Tröpfcheninfektion“ wechseln ja rund 20.000 Keime den Besitzer. Mit den Fontänen beim Drecksäck-Ruf („Drecksack, Drecksack hoi, hoi, hoi!“) könnte man eine komplette Kleinstadt zu Bettruhe und Wadenwickeln zwingen.
Auf der Internet-Tauschbörse drängeln sich die Kartensucher: „Ich suche Karten – egal wann – mind. 1 besser 2 oder 4!!! Wir können auch kurzfristig einspringen!!! Aber bloß' nichts anderes anbieten, wir wollen ausschließlich zu den Drecksäck'!!!“ Vielleicht gibt es ja schon einen Schwarzmarkt. Unter der Theodor-Heuss-Brücke fegt ein kalter Wind rheinaufwärts. Dunkle Gestalten, den Mantelkragen hochgeschlagen, flüstern im Vorbeigehen ihr Gebot. Tafelsilber, Nylons oder Zigaretten – alles für die Karten.
Wir sollten das vielleicht in geordnete Bahnen lenken. Anteilsscheine, Zertifikate, mit denen man an der Börse handelt. Drecksäck im Dax, Frechdax … Was schreib‘ ich denn da? Hab‘ ich schon Fieber? Ich mess' gleich mal.
Wer eine Karte hat, wird von ganz anderen Sorgen gedrückt: Welches Kostüm passt zum Motto? (Diesmal: Nur hier fliegt die Sau.) Vor allem bei Frauen ist mit heftigen Anfällen von Textilblindheit zu rechnen („den ganzen Schrank voll und nix anzuziehen“). Wunderbar sind immer die Gruppen, die sich gemeinsam passend ausstaffieren. Dieses Jahr ist das ziemlich einfach (Metzgereifachverkäuferinnen, Flugbegleiterinnen …), wir hatten schon abstrusere Mottos. Zu „Die anner Seit‘ is auch schon voll“ etwas Passendes zu finden, war anspruchsvoll.
Je näher Fastnacht rückt, desto intensiver wird in den Werkstätten der Drecksäck-Manufaktur gearbeitet. Moment, woher habe ich das? Ach ja, hier muss eine Fußnote hin (1).
Vielleicht ist die Doktorarbeit von Karl Theodor zu Gutenberg ein Thema für die Drecksäck? Gutenberg mit zwei t? Ach, ich bin ein Schusel, jetzt habe ich den Namen falsch abgeschrieben. Ist aber sowieso kein gutes Thema. Das Ganze ist zu wenig überraschend. Schließlich steht der Name Gutenberg schon seit Jahrhunderten für die Kultur der Vervielfältigung.
(1) Höffer-Mehlmer, Markus: Tagebuch eines Drecksacks, Teil 4: Uiuiui, es wird politisch unkorrekt. Mainz 2011.
Markus Höffer-Mehlmer ist Drecksack der ersten Stunde. Als Büb Käzmann ist er außerdem das „einzige Ein-Mann-Kabarett-Kollektiv der Welt“. Infos gibt es unter www.bueb-kaezmann.de und unter www.meenzer-drecksaeck.de