Mainz
Tagebuch eines Drecksacks (6): Geckos schunkeln im Wind

Survivaltrainer Markus Höffer-Mehlmer. Wer schunkelt, überlebt.

Ekkie Veyhelmann

Mainz - Was macht ein Narr in den Wochen vor der Fastnacht? Richtig. Er bereitet sich auf die Sitzung vor. Wie Markus Höffer-Mehlmer für die Drecksäck. Was ihm widerfährt, schreibt er im Tagebuch für MRZ online.

Mainz – „Kürzen, kürzen, kürzen!“ Noch knapp zwei Wochen bis zur Premiere. Die Beiträge werden das erste Mal der Regie vorgestellt.

Jetzt heißt es zusammenstreichen, sonst hört die Drecksack-Sitzung auf, wenn bei den Amseln draußen schon die Frühschicht randaliert. Für Fastnachtssitzungen braucht man immer Kondition, aber zu viel ist zu viel.

Die Forschung hat gezeigt: In der Evolution sind Sitzungen als Selektionsmittel entstanden. Bei den Vierfarb-Geckos auf den Galapagosinseln kann man das heute noch beobachten: Die Sonne ist untergegangen, ein kalter Wind fegt von See über die Reptilienkolonie. Hunderte geschlechtsreife Weibchen sitzen unbeweglich im Sand, während Tausende Männchen um sie herum drängeln.

Es wird dunkel. Gespenstische Stille, man hört nur das Schaben der schuppigen Männerkörper. Plötzlich springt ein Männchen, seltener auch mal ein Weibchen, auf einen Felsen und stößt laute Rufe aus. Nach jedem Ruf beginnen sich alle Echsenkörper zu winden und Männchen wie Weibchen stoßen gackernde Pfeif- und Röcheltöne aus. Nach einiger Zeit wird der Gecko auf dem Stein von einem anderen abgelöst. Sie begleitet dabei ein ohrenbetäubendes Klatschen, das die Tiere mit ihren Peitschenschwänzen erzeugen.

Hin und wieder gibt ein Gecko Laute von sich, die an Gesang erinnern. Dann verhaken die anderen Tiere ihre kurzen Beinchen mit denen ihrer Nachbarn und beginnen sich rhythmisch hin und her zu wiegen. Magellan, der die Geckos im 16. Jahrhundert entdeckte, notierte in seinem Schiffstagebuch: „Es sah aus wie Schunkeln.“

Die Tiere haben ein komplexes Sozialleben. So formieren sich hin und wieder kleinere Gruppen von Männchen zu Zweierreihen (Magellan: „Einmarsch der Garden“). Große, schwere männliche Exemplare werden von ihren Artgenossen von Kolonie zu Kolonie getragen („Wanderredner“) und dort mit Insektenlarven gefüttert („Aufwandsentschädigung“).

So geht das die ganze Nacht. Wenn es zu dämmern beginnt, zeigen die ersten Männchen Anzeichen von Schwäche. Und wenn die Sonne die Küste in unerbittliches Licht taucht, bietet sich ein Bild des Grauens: Der Strand ist von männlichen Kadavern übersät. Mit scharfen Schnabelhieben stoßen schwarze Vögel durch die schuppige Haut der toten Geckos ins weiche Innere vor. Bei jedem Zustoßen rieseln Hautkrümel auf den Sand. Man nennt die Geckos deshalb auch Kormoran-Croissants.

Der tiefere Sinn des nächtelangen Treibens: Die Natur hat bekommen, was sie wollte. Nur wenige und nur die stärksten Männchen sind übrig geblieben. Sie dürfen sich fortpflanzen und führen jetzt die ebenfalls sehr erschöpften Weibchen in die Dünen.

Am Rhein gibt’s wieder Kormorane.

Markus Höffer-Mehlmer ist Drecksack der ersten Stunde. Als Büb Käzmann ist er außerdem das „einzige Ein-Mann-Kabarett-Kollektiv der Welt“. Infos gibt es unter www.bueb-kaezmann.de und unter www.meenzer-drecksaeck.de