Hamburg/Mainz – In den kurzen Ausschnitten im Fernsehen wirkt das immer noch so, als betreibe der FC St. Pauli in erster Linie einen Kampf- und Tempofußball urbritischer Prägung. Schaut man dem Bundesligaaufsteiger mal komplette 90 Minuten zu, dann verändert sich dieser Eindruck.
Die Mannschaft von Kulttrainer Holger Stanislawski spielt Fußball. Das ist eine spielerisch gute Kampfeinheit, die eigentlich nur ein großes Problem hat: Die Chancenverwertung ist weit unterdurchschnittlich; die Offensivspieler treffen die Hütte viel zu selten. 14 Tore in 16 Spielen, das ist die schwächste Bilanz aller Bundesligisten. Selbst die Klubs auf den Abstiegsrängen sind offensiv effizienter: Der 1. FC Köln hat 18 Tore geschossen, der VfB Stuttgart 29, das Schlusslicht Borussia Mönchengladbach 25.
Diese Schwäche im Abschluss hat den FC St. Pauli auf Rang 15 abrutschen lassen. Wobei 17 Vorrundenpunkte ein ordentlicher Ertrag sind für einen Aufsteiger, der versucht, die Probleme auf dem Platz spielerisch zu lösen, mit einfachem, geradlinigem, schnellem Kurzpassspiel. Die taktische und spielerische Leistung der Paulianer insgesamt weist auf einen hoffnungsvollen Entwicklungsprozess hin.
Meist die bessere Statistik
Auch bei den bis heute neun Niederlagen waren die Hamburger selten die klar unterlegene Mannschaft. Im Gegenteil. Meist hat die Stanislawski-Elf sogar die bessere Torchancenbilanz gehabt, mehr Torschüsse, mehr Ecken, mehr Ballbesitz, die bessere Passquote. Und auch 26 Gegentreffer bewegen sich in dieser Liga in einem gesunden Mittelmaß.
Gleichwertig in München
Selbst beim jüngsten 0:3 in der Allianz-Arena war Pauli dem FC Bayern München bis zum 0:2 durch Philipp Lahms Strafstoßtor (72.) ein gleichwertiger Gegner; in der Startphase bis zum 0:1 durch Hamit Altintop (17.) waren die Gäste sogar stärker. Aber Pauli bekam mehrfach frei vor der Hütte die Kugel nicht über die Linie.
Zuletzt hat der FC St. Pauli zu Hause den 1. FC Kaiserslautern mit 1:0 geschlagen. Das war doch eher ein Grottenkick. Und hätten sich die Lauterer beim entscheidenden Tor die Kugel nicht selbst reingewürgt (ein kurioser Kopfball aus 14 Metern Entfernung von Mittelfeldspieler Christian Tiffert, 48.), die Partie wäre wohl mit einem trostlosen 0:0 geendet. Der FCK hatte gegen die starke Pauli-Defensive fast gar keine Chance.
Die Verwertungsprobleme werden am Millerntor am Stoßstürmer festgemacht. Marius Ebbers, der im Januar 33 Jahre alt wird. Der technisch geschickte, läuferisch überragende, auch im Angriffspressing enorm engagiert arbeitende Stürmer hat Chancen für 10 bis 15 Saisontore, aber zu oft schließt der Routinier viel zu überhastet ab. In dieser Vorrunde steht Ebbers bei zwei Einschlägen. Am 7. Spieltag erzielte er beim 1:0 in Hannover das riesig gefeierte Siegtor – seitdem hat Ebbers nichts mehr getroffen außer Latte, Außennnetz und Stadionwerbung.
Ebbers: Bundesligaschwäche
In der Bundesliga läuft es nicht für Ebbers. 1998/92 hatte er schon zwei Erstligaeinsätze für den MSV Duisburg, 0 Tore. 2003/04 hatte er 17 Erstligaeinsätze für den 1. FC Köln: ein Tor. 2006/07 hatte er 27 Erstligaeinsätze für Alemannia Aachen: zwei Tore. In der Zweiten Liga liest sich die Bilanz von Ebbers ganz anders: 224 Spiele – 89 Tore. Angeblich denkt Stanislawski vor der Heimpartie am kommenden Samstag (18.30 Uhr) gegen den FSV Mainz 05 darüber nach, Ebbers einen zweiten Stürmer zur Seite zu stellen. Das könnte Gerald Asamoah sein. Der Ex-Schalker hat im 4-2-3-1 als Flügelmann in der offensiven Dreierreihe seinen Trainer bislang noch nicht überzeugt. Reinhard Rehberg
Die Offensivkollegen Deniz Naki und Charles Takyi hat Trainer Stanislawski gemeinsam mit dem starken Innenverteidiger Zambrano vor drei Wochen suspendiert: Das Trio war dabei erwischt worden, eines Abends viel zu lange gefeiert zu haben.