Das war ja die große Frage vor diesem dritten und entscheidenden EM-Gruppenspiel: Was würden die Fans zu sehen bekommen von der deutschen Mannschaft gegen Ungarn? Den inspirierenden, mutigen Angriffsfußball aus dem Portugalspiel oder den uninspirierten, mutlosen Breitbandkick aus der Frankreichpartie. Nun, die erste Parallele aus dem Portugal-Spiel war die, dass die DFB-Auswahl auch diesmal früh einem Rückstand hinterherlaufen musste. Defensiv nicht im Bilde, ließ das deutsche Team zunächst den Flankenball von Roland Sallai zu und dann auch noch den Flugkopfball von Adam Szalai (11.). Eine Bundesligakombination also bescherte den Ungarn das 1:0 und den Mannen von Bundestrainer Joachim Löw ein veritables Turnierproblem.
Eines, das sich dann auswuchs, blieb doch die zweite Parallele aus der Begegnung gegen Portugal, also ein strukturiertes, temporeiches und vor allem erfolgreiches Angriffsspiel aus. Die Ungarn bestätigten ihren Ruf als Defensivkünstler, igelten sich nach Ballverlust förmlich hinten ein und verdichteten die Räume exzellent.
Vor allem hatte Ungarns Trainer Marco Rossi beim Portugalspiel der deutschen Mannschaft sehr gut hingesehen. Die Gefahr, die in der Partie von den deutschen Außenpositionen ausging, wussten die Ungarn bestens zu bannen. Attila Fiola machte Joshua Kimmich auf der rechten deutschen Angriffsseite das Leben schwer, links degradierte Loic Nego den so hoch gelobten Robin Gosens zum Statisten. Während über der Münchner Arena nach 30 Minuten ein Unwetter mit Starkregen tobte, blieb die deutsche Offensive ein laues Lüftchen. Auch der für den angeschlagenen Thomas Müller aufgebotene Leroy Sané vermochte daran nichts zu ändern. Nichts lief zusammen.
Und auf einmal wurden auf den Tribünen eine ganz andere Parallele gezogen, und die bange Frage machte die Runde: Ist das das zweite Turnier in Serie, das für die DFB-Auswahl bereits nach der Vorrunde beendet ist?
Ach ja, dafür, dass es vor der Partie so viel Wirbel um die Entscheidung der Uefa gegeben hatte, die es nicht erlaubt hatte, die Arena in den Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen, blieben Aktionen pro Vielfalt und Toleranz in der Arena weitgehend aus. Lediglich ein Flitzer in Deutschland-Trikot und Regenbogenfahne zeigte sich kurz vorm Anpfiff. Ach ja, und die ungarischen Fans hinterm Tor durften dicht an dicht stehen, unbehelligt von den Sicherheitskräften – ansonsten hatte der Sport das Wort. 45 Minuten lang war es allerdings alles andere als großer Sport von der deutschen Auswahl gegen eine clevere und ausgebufft aufspielende ungarische Mannschaft, die auch zu Beginn von Halbzeit zwei erstaunlich wenig Mühe hatte, ihren Vorsprung zu verteidigen. Bei der DFB-Elf kam Leon Goretzka für Ilkay Gündogan (58.) – was nicht kam, war der erhoffte Angriffsschwung. Dass dann doch das 1:1 fiel, hatte die DFB-Elf einem Fehler von Ungarns Keeper Peter Gulacsi zu verdanken. Der unterlief eine Kimmich-Freistoßflanke, Mats Hummels köpfte Richtung Tor, Kai Havertz vollendete (66.). Würde doch alles gut? Denkste.
Im Gegenzug führte Ungarn wieder. Und wieder herrschte Chaos in der deutschen Defensive, durfte Andreas Schäfer doch ungehindert einköpfen (68.). Das Unheil aus deutscher Sicht nahm seinen Lauf. So viel die deutsche Elf auch versucht, so viel misslang ihr auch. Toni Kroos war noch am nächsten dran am Ausgleich, verzog aber knapp (81.). Wenn man der deutschen Elf etwas zugestehen muss, dann Beharrlichkeit. Wenn spielerisch auch nicht viel lief, so wollte sie es doch erzwingen – und schaffte es schließlich auch. Als Goretzka im Nachschuss doch noch das 2:2 gelang, brachen alle Dämme auf dem Rasen und den Rängen. Noch mal davongekommen, Deutschland.