Von unserem Redakteur Christoph Maurer
Andernach – Wegschauen statt hinsehen, vorbeigehen statt helfen: Wenn Menschen in Notlagen geraten, ist dieses Verhalten von Passanten sehr häufig zu beobachten. Dass es auch anders geht, das bewies die 16-jährige Sophie Petri aus Miesenheim. Die Schülerin des Andernacher Bertha-von-Suttner-Gymnasiums rettete einen bewusstlosen Jugendlichen am Bahnhof der Bäckerjungenstadt.
Dafür erhielt sie jetzt in Mainz den Jugendpreis für Zivilcourage aus den Händen des rheinland-pfälzischen Innenministers Karl-Peter Bruch. Im Gespräch mit der RZ erinnert sich Sophie an den 15. März dieses Jahres. Ein Tag, den sie so schnell nicht vergessen wird.
Es ist kurz nach 13 Uhr, als Sophie nach der Schule am Bahnsteig auf ihren Zug nach Miesenheim wartet. Da fällt ihr ein paar Meter weiter eine Gruppe von Jugendlichen auf. Einer von ihnen, etwa 15 bis 16 Jahre alt, liegt auf der Wartebank und rührt sich kaum noch. Als der Zug einrollt, auf den die Jugendlichen offenbar gewartet haben, steigen sie einfach ein, ohne sich weiter um ihren hilflosen Kumpel zu kümmern.
„Ich habe gesehen, dass der Junge auf der Bank immer weiter wegdämmerte“, erinnert sich Sophie. Sofort geht sie zu ihm. Er ist offenbar völlig betrunken, liegt in seinem eigenen Erbrochenen und scheint bewusstlos zu sein. Sophie überwindet den Ekel vor dem Erbrochenen, fasst seine Hand, drückt sie fest und spricht ihn an. Einige seiner Begleiter kommen wieder aus dem Zug heraus. „Einer hat zu mir gesagt, dass der Junge gezwungen wurde, eine Flasche Wodka zu trinken“, berichtet die 16-Jährige. Als der Zug dann losfahren will, steigen die Begleiter einfach wieder ins Abteil und fahren davon.
Der hilflose Jugendliche reagiert mittlerweile nicht mehr auf Sophies Ansprache. Er ist komplett eingedämmert. Trotzdem redet sie weiter mit ihm, dreht ihn herum und bringt ihn in die stabile Seitenlage. Als Mitglied des DRK-Ortsvereins Andernach sind ihr die richtigen Handgriffe bekannt. Dass das Erbrochene auch ihre Kleidung beschmutzt, ist nebensächlich für sie. Ein Bahnbediensteter eilt herbei und bietet Hilfe an, während andere Menschen einfach achtlos vorbeigehen. Sophie bittet den Bahnangestellten, den Notarzt und den Rettungswagen zu rufen, was er umgehend macht.
Dann treffen Notarzt und Rettungswagen ein. Sanitäter und Mediziner kümmern sich um den Jugendlichen. Ein Rettungssanitäter lobt Sophies richtiges Handeln. Der Notarzt befürchtet gar, dass der Jugendliche in Lebensgefahr schwebt. Schließlich wird er abtransportiert. Er hat die Geschichte überlebt. „Ich habe ihn danach noch ein paarmal im Schulzentrum gesehen. Aber gesprochen haben wir nicht“, sagt Sophie. Sie vermutet, dass er sich an nichts mehr erinnern kann.
„Für mich war die Sache auch erledigt“, sagt sie heute, neun Monate danach. Und es war auch nichts Besonderes für sie. „Für mich ist es selbstverständlich zu helfen“, betont sie. Trotzdem freute sie sich natürlich, als sie einige Tage nach dem Vorfall vom März ein Dankesbrief vom Vorsitzenden des DRK-Andernach, Oberbürgermeister Achim Hütten, erreichte, in dem er ihren vorbildlichen Einsatz lobte. Und dann, vor etwa sechs Wochen kam der Anruf aus dem Innenministerium, dass sie mit dem Jugendpreis für Zivilcourage ausgezeichnet wird.
Mit Mutter Nicole, Vater Rainer, Schwester Clara und ihrem Freund Alex machte sich die Eishockeyspielerin der Neuwieder Bären auf den Weg nach Mainz. Die Verleihung im Wappensaal war eine neue Erfahrung für die Schülerin der MSS 11. Die Stadt Mainz soll bald auch eine wichtige Rolle für sie spielen. Denn dort will sie nach dem Abitur Medizin studieren.