Mainz – Wo das denn bitteschön noch alles hinführen soll, lautete die Standardfrage, die Thomas Tuchel an diesem kalten, aber schönen Abend in Mainz mehrfach gestellt wurde.
Wohin schon?, antwortete der Trainer des FSV Mainz 05 entspannt, „es geht einfach weiter. Wir spielen so weiter, als hätten wir 18 Punkte.“ Für den 37-Jährigen und seine Profis birgt dieser souveräne 3:0-Erfolg gegen den 1. FC Nürnberg wichtigere Aspekte als sich auf eine hypothetische Hochrechnung einzulassen, in welche Regionen der Bundesliga der Tabellenzweite am Ende einlaufen könnte. Die Aktualität im Hier und Jetzt war für den ehrgeizigen Coach vielmehr ein Grund, um ins Schwärmen zu geraten.
Zum 150. Bundesligaspiel des Klubs bescherten sich die 05er den zehnten Sieg der laufenden Saison. Die Mainzer knackten die 30-Punkte-Marke, festigten ihre Stellung in der Tabelle und – am allerwichtigsten – das Team stoppte den Negativtrend am Bruchweg nach drei Niederlagen in Folge mit einem deutlichen 3-Tore-Erfolg ohne Gegentreffer.
„Das sind extrem viele Punkte. das gefällt uns sehr“, sprach Tuchel von „Kennzahlen, die uns eine große Bestätigung geben.“ Dem 37-Jährigen ist in den vergangenen 14 Tagen der nächste Entwicklungsschritt gelungen: eine extrem schwierige Lage zu meistern. Der Trainer war gefordert und fand die richtigen Ansätze. Tuchel ist es gelungen, seinen Spielern das Vertrauen in die eigene Leistung zurückzugeben, die abfallende Formkurve etlicher Akteure zu stabilisieren und ins Positive zu wenden. Tuchel und seine Leute haben die Ergebniskrise bewältigt, sich neu aufgestellt, mit zwei wichtigen Siegen gezeigt, dass auch künftig mit ihnen zu rechnen ist. Gegen den Club geschah dies mit einem Methodenwechsel. Bei solchen äußeren Umständen könne niemand erwarten, dass man einen so gut funktionierenden Gegner an die Wand spiele. „Aber über eine Basisleistung zu gewinnen, so konzentriert aufzutreten, das tut so gut und gibt so viel Kraft“, erklärte der 05-Trainer.
Diese Partie war sicherlich kein spielerisches Glanzlicht. „Und dennoch haben wir mit unseren Mitteln einen klaren Bundesliga-Sieg erarbeitet. Das wissen wir selbst zu schätzen“, sagte Tuchel. Im Gegensatz zu den vergangenen, sieglosen Auftritten am Bruchweg stürmten die 05er gegen die Franken nicht im Hurrastil auf einen Torerfolg zu. Die 05-Profis arbeiteten geduldig, ließen sich nicht davon aus dem Konzept bringen, dass gegen diesen Gegner kaum große Torchancen aus dem Spiel heraus gelangen. Die Mainzer machten weiter, suchten ihre Chance und fanden diesmal Standardsituationen als den richtigen Pfad zum Sieg. Und mit der Verstärkung durch André Schürrles Führungstor nach einer Ecke von Christian Fuchs und der Weiterleitung von Malik Fathi im Rücken schuf der Tabellenzweite die Basis für dieses Erfolgserlebnis. So verhalten sich Spitzenmannschaften in schwierigen Phasen.
„Wir haben uns vorher damit beschäftigt, dass es eine sehr enge Geschichte gegen einen sehr schwer zu bespielenden Gegner werden würde“, sagte Tuchel nachher. „Trotzdem haben wir stets kompakt gestanden, das Tempo hoch und den Druck aufrecht erhalten. Alle Tugenden, die uns ausmachen, eingebracht und immer wieder versucht, Elemente des spielerischen Ansatzes einzustreuen. Dazu kam eine starke Verteidigungsleistung. Das war der Schlüssel in einem Heimspiel, wie es sich gehört“, so der Trainer. „Es ist keine Schande, über diesen Weg den Sieg zu erzwingen.“
Seine Mannschaft habe immer die Aufmerksamkeit hoch gehalten, Ruhe und Geduld bewahrt. „Die Geschlossenheit, die Entschlossenheit und die Zielstrebigkeit ist wieder da. Das Vertrauen in die eigene Stärke ist zurück. Das ist ein guter Weg“, betonte der 37-Jährige. Und so führte eine zweite, von Fuchs vorbereitete Standardsituation, zum 2:0. Freistoß von links, Hackentrick von Schürrle im Strafraum, Abstauber von Nikolce Noveski. Der grandiose Konter zum 3:0 mit dem weiten Abwurf von Christian Wetklo über die Mittellinie, Sami Allaguis Heber über Pascal Biehler hinweg und dem gefühlvollen Lupfer über den Club-Torhüter ins Tor war das Stückchen Genialität, das diesen Erfolg abrundete.
Der 05-Trainer hatte bewusst die gleiche Startformation gewählt, die eine Woche zuvor mit dem 3:2-Auswärtssieg in Gladbach das 05-Gefühl zurückgeholt hatte. „Die Mannschaft hatte dort in besonderer Art und Weise gespielt. Deshalb sollte sie wieder so beginnen. Wir wollten weniger auf den Gegner reagieren, sondern zeigen, dass es uns nur um uns geht“, erklärte der Coach. Deshalb musste sich Allagui erneut mit der Jokerrolle begnügen, die der Ex-Fürther derart perfekt ausfüllt, wie Schürrle Wochen zuvor. Mit ihren zehn von Einwechselspielern erzielten Treffern in 14 Begegnungen sind die 05er einsame Spitze in der Liga
Jörg Schneider