Sarah träumte von der großen Liebe. Von einem Mann, der sie annimmt, wie sie ist. Leider hoffte die junge Frau aus der Nähe von Idar-Oberstein, diesen Menschen 2011 in der Sat.1-Sendung „Schwer verliebt“ zu finden. Es kam ganz anders: Statt romantischer Zweisamkeit bestimmten Hohn, Spott und ein Knebelvertrag Sarahs Leben. Sarah im Wohnzimmer, das sie auch beim Fernsehgucken mit ihren Eltern teilt. Sat.1 nennt ihr Daheim bösartig „Puppenhaus des Horrors“. Die Familie hat kein Geld um Heizöl zu kaufen, daher behilft man sich mit Radiatoren, die überall im Haus verteilt stehen. Millionen schauen zurzeit Sonntag für Sonntag die Sat.1-Kuppelshow „Schwer verliebt“ - für Sarah zehn Folgen quälende Peinlichkeit und Scham. Die 27-Jährige aus Fischbach musste nach der Ausstrahlung der ersten beiden „Schwer verliebt“-Sendungen entsetzt feststellen, dass vor allem im sozialen Netzwerk Facebook gnadenlos über sie hergezogen wird. Dabei braucht die junge Frau gerade jetzt positive Unterstützung. Die Rhein-Zeitung hat Platz dafür geschaffen: aufsarahsseite.rhein-zeitung.de "Hello Kitty" - Plüschherzen neben einem Poster von Twilight-Star Robert Pattinson - ihre kindlich-naive Vorliebe für Romantik wurde Sarah in der Sat.1-Serie zum Verhängnis. Sarah: „Ich möchte, dass die Leute erfahren, wie ich wirklich bin. Ich bin nicht der Freak, den die Menschen im Fernsehen sehen.“ In ihrem Zimmer hängt neben vielen anderen Stars auch ein Poster von Lady Gaga. Die Künstlerin macht sich gerade mit ihrer "Born This Way Foundation" für Jugendliche stark, die unter Mobbing leiden - Hilfe, die Sarah gerade gut gebrauchen könnte... Am heimischen Küchentisch unterhält sich Sarah mit RZ-Redakteurin Vera Müller (vera.mueller@rhein-zeitung.net) darüber, wie es weitergehen soll. Sarah packt ihre Barbie-Sammlung, die der TVSender ins Zentrum gerückt hatte, in eine Kiste. Sie möchte sich nicht mehr in Traumwelten flüchten. Die Realität hat ihr ein anderes Gesicht gezeigt.
Millionen schauen zurzeit Sonntag für Sonntag die Sat.1-Kuppelshow „Schwer verliebt“. Auf der Suche nach ihrem Traummann ist auch Sarah aus Fischbach in der Nähe von Idar-Oberstein zu sehen: Doch von Liebe ist in ihrem Leben im Moment nichts zu spüren, im Gegenteil. Sat.1 macht aus der jungen Frau öffentlich eine Lachnummer.
Und das will sich die 27-Jährige nicht mehr gefallen lassen. „Meinen Glaube an die Liebe können sie mir nicht nehmen. Denn ohne Liebe kein Leben. Liebe ist stärker als Hass. Ich trage die Liebe in mir drin. Und ich ertrage die Mauern und den Hass um mich herum nicht. Ich will hier aus dieser Enge raus.“ So steht es in Sarahs Tagebuch. Die junge Frau, die ihre Gedanken und Hoffnungen in einem blauen Schnellhefter aus Pappe versteckt hat, kann angeblich kein Ei aufschlagen, schenkt Cola in Porzellantassen aus, malt die Barbies, die sie sammelt, immer wieder beim Liebesspiel.
„Sex zwischen Barbie-Puppen ist ja ganz schön, aber ich würde das auch gern mal ausprobieren, mit Bernd oder Dirk, wenn die dazu Lust haben.“ So sagt es Sarah vor der „Schwer verliebt“-Kamera mit Blick auf die jungen Männer, die sie gerade kennengelernt hat. Die 27-Jährige aus Fischbach bei Idar-Oberstein wurde und wird in dem umstrittenen TV-Format auf der Suche nach der großen Liebe gnadenlos vorgeführt und seelisch vergewaltigt. Öffentlich, vor einem Millionenpublikum, Sonntag für Sonntag zwischen 19 und 20 Uhr, und dabei soll herzhaft gelacht werden. So wünscht sich das der Sender, der immer wieder betont, Alltagssituationen der Kandidaten abzubilden.
Sarah: „Ich möchte, dass die Leute erfahren, wie ich wirklich bin. Ich bin nicht der Freak, den die Menschen im Fernsehen sehen.“
Die unterste Stufe des Niveaus wurde erreicht
Trash-TV untersten Niveaus, das nun eine neue Dimension erreicht hat. Acht „Schwer verliebt“-Teile sollen es insgesamt werden, und eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen. Nach den ersten beiden Sendungen geht das Mobbing gegen Sarah im Internet weiter.
Im sozialen Netzwerk Facebook brüsten sich junge Menschen damit, sie schon zu Schulzeiten gemobbt zu haben. Ob in Wer-kenntwen, in Blogs, auf den Internetseiten der Boulevard-Presse: Sarah kennt die gemeinen, erniedrigenden Sprüche und Schlagzeilen alle, sie weiß um die Häme und den Spott: „Das tut weh. Ich bin nicht so, wie die draußen denken. Manchmal ein bisschen verpeilt, manchmal habe ich verrückte Ideen: aber doch nicht so …“ Das möchte sie jetzt mithilfe unserer Zeitung klarstellen, obwohl ihr bewusst ist, dass genau das der 18-seitige Vertrag mit der Produktionsfirma strikt verbietet.
Immer wieder schlägt sie an diesem nebligen 13. November, an dem wir die zweite Sendung wie 2,93 Millionen Menschen auch bei Gummibärchen und Chips gemeinsam anschauen, die Hände vors Gesicht: „Oh nein … Oh, ist das peinlich ... Ich wollte das nicht. Ich musste das tun. Das sah das geheime Drehbuch, das wie ein Schatz gehütet wurde, vor. Ich wusste ja nicht, was die mit mir vorhaben. Oh mein Gott ... Was soll ich nur tun? Ich muss ja da bleiben, wo ich lebe. Was mache ich jetzt bloß?“
Sie hätte doch wissen müssen, auf was sie sich da einlässt! Wie man so einen Vertrag überhaupt unterschreiben kann! – Sätze, die in diesem Zusammenhang extrem überheblich wirken. Das wäre so, als würde man einem Vergewaltigungsopfer ganz arrogant und cool vorwerfen, es habe einen Minirock getragen und sich die Lippen rot geschminkt; es sei selbst am Erlittenen schuld. Sarahs gefühlter Minirock bestand aus Naivität, Einsamkeit, Ausweglosigkeit. Geflirtet hat sie ohne Frage, ihren Körper und ihre Seele verkaufen wollte sie dabei aber zu keinem Zeitpunkt. Niemand hat sie gewarnt.
Dabei braucht die junge Frau gerade jetzt positive Unterstützung. Die Rhein-Zeitung hat Platz dafür geschaffen: aufsarahsseite.rhein-zeitung.de
Public Viewing in der Kneipe nebenan
Als Sarah mich an diesem nebligen 13. November zu Hause besucht, sie langsam Vertrauen zu mir als Mensch und Redakteurin fasst, schämen wir uns ab 19 Uhr gemeinsam vor dem Fernseher, fernab vom immer wieder im Zusammenhang mit solchen „Reality-Soaps“ zitierten Fremdschämen. Wir schämen uns für jene, die grölend vor der Flimmerkiste sitzen, wir schämen uns für jene, die in Sarahs rund 850 Einwohner zählendem Heimatort gerade in einer Kultkneipe ein Public Viewing wie zu Zeiten der Fußball-WM zum Ablästern veranstalten.
Gegenüber der Theke ist ein Fernseher installiert. Jede Bewegung Sarahs wird mit niveaulosen Kommentaren aller Art bedacht. Die „dicke Kuh“ ist dort nur die Spitze des Eisbergs. Anlass für die Sonntagabend-Versammlung sind nicht die lustigen Bemerkungen Sarahs, die sie im Hunsrücker Dialekt vorträgt, sondern einzig und allein, dass es sich in einer großen Gruppe hemmungslos und ungeniert lästern lässt …
Das kleine Örtchen Fischbach an der Nahe ist vor allem durch sein Historisches Kupferbergwerk bekannt. An diesem Abend hätte ein halbes Dorf „unter Tage“ gehört. Jene, die sich gerade schlapplachen und auch jene, die von der Veranstaltung wussten, aber offenbar keine Veranlassung sahen, in der Kneipe aufzutauchen und diesem unsäglichen Treiben entschlossen ein Ende zu bereiten.
Sarah und ich schämen uns weiter: für jene, die nach der Sendung vor ihrer Haustür feiern, die nachts um 3 bei ihr klingeln, die im Internet pausenlos abfällige oder ordinäre Kommentare posten, wir schämen uns für den Zeitgeist.
Millionen schauen zurzeit Sonntag für Sonntag die Sat.1-Kuppelshow „Schwer verliebt“ - für Sarah zehn Folgen quälende Peinlichkeit und Scham.
Blöder Scherz am Telefon
Vorläufiger Höhepunkt: Am Dienstagabend erhält Sarah gegen 19 Uhr einen Anruf. Erschrocken erzählt sie: „Das war einer vom Ordnungsamt. Angeblich liegt eine Anzeige wegen Ruhestörung gegen mich vor.“ Im Hintergrund sei ein Band zum Mitschneiden des Gesprächs gelaufen, das habe sie gehört ... Ich beruhige Sarah: Niemand vom Amt ruft so spät an. Vermutlich hat sich jemand einen weiteren blöden Scherz erlaubt.
Einmal im Rampenlicht stehen. Die „romantische Regalservicekraft“, wie Sat.1 sie immer wieder nennt (ihre Serien-Leidensgenossen werden als „fröhlicher Flötenspieler“ und „frommer Kirchgänger“ charakterisiert), ist als Teilzeitkraft im größten Supermarkt der Region angestellt. Rund 600 Euro netto bringt ihr der Job ein. Kein Handy, kein Führerschein. „Ein Auto kann ich mir eh nicht leisten. Wofür brauche ich dann einen Führerschein?“
Sie hasst den Winter. Denn es ist kalt in ihrem Zimmer. Die Eltern können sich das Heizöl nicht mehr leisten. Armut ist ein Thema in einer strukturschwachen Region, deren Zentrum kein Kino und kein Schwimmbad mehr hat, die vom demografischen Wandel extrem betroffen ist. Die Jugend zieht's in die großen Städte; Sarah muss bleiben: Morgens um 4.30 Uhr ist Arbeitsbeginn.
Den Hauptschulabschluss hat sie gepackt, berichtet sie: Geschichte und Deutsch waren ihre Lieblingsfächer. Verkäuferin hätte sie werden wollen oder vielleicht Friseurin. Sie wohnt immer noch bei ihren Eltern in einem karg eingerichteten Mädchenzimmer mit Johnny-Depp-Postern an der Wand. Schaut Soaps, hört Popmusik, die schrille Lady Gaga findet sie gigantisch, sie hasst Schlager, flüchtet sich ab und an in Traumwelten, wenn alles um sie herum unerträglich wird.
Ihre Barbie-Sammlung wird zum Zentrum der Geschichte
Manchmal wäre sie gern wie Barbie, träumt von einem Leben mit Ken, mit einem der nett, zuverlässig und treu ist, mit dem sie durch dick und dünn gehen, eine Familie gründen kann. „Ich war drei Jahre alt, als ich im Fernsehen eine Barbie-Werbung sah. Die wollte ich unbedingt haben. Die Faszination hat mich nie losgelassen.“ Und seitdem sammelt sie die Puppen, die in Regalen sitzen, vom Fernsehsender so lächerlich und peinlich ins Zentrum des Geschehens gerückt werden und für die Dreharbeiten sogar im Bad als Schminkvorlage sitzen müssen.
Gezeichnet hat sie die Barbies in verschiedenen Outfits, weil sie sich für Mode interessiert und so gern mal selbst ein komplett neues Styling erleben würde. Sie gibt zu: „Unter den Zeichnungen sind ein, zwei, die sexuellen Inhalt haben. Und genau die musste ich natürlich demonstrativ in die Kamera halten.“ Das hat die Realisatorin (so nennen sich jene, die das Drehbuch, das Sarah überhaupt nicht kannte, umsetzen) gefordert: „Und dann musste ich den Satz sagen, dass ich so was auch gern mal mit den Männern machen würde …“
„Kreuzverhör, Gehirnwäsche“: So bezeichnet Sarah, die täglich Zeitung liest und die Euro-Krise besser erklären kann als mancher Banker, das, was sie beim Drehen erlebt hat. „Die haben mir die völlig unnatürlichen Sätze vorgesagt, ich musste sie nachplappern. Manchmal 20-mal. Bis die zufrieden waren.“ Die Wirklichkeit nach Drehbuch, „Scripted Reality“ nennt man das, ist grausam.
"Hello Kitty" - Plüschherzen neben einem Poster von Twilight-Star Robert Pattinson - ihre kindlich-naive Vorliebe für Romantik wurde Sarah in der Sat.1-Serie zum Verhängnis.
Erster Kontakt über Wer-kennt-wen
Und dabei fing alles so harmlos an: In ihrem Wer-kennt-wen-Postfach entdeckt Sarah im Frühjahr eine Nachricht: Sie solle sich doch mal melden, ein neues TV-Format starte, und sie sei vielleicht eine geeignete Kandidatin. Insider berichten immer wieder: Einige Fernsehsender setzen „Headhunter“, „Kopfgeldjäger“, ein, arbeiten bei der Suche nach Opfern wie „Profiler“, also wie Detektive. Sie sprechen gezielt den Metzger, den Friseur auf dem flachen Land an und fragen nach, wer denn gerade im Ort im Gerede sei, besonders Schlimmes erlebt habe.
Wo finde ich den Kloßteig? Statt täglich die gleichen Kundenfragen im Supermarkt zu beantworten, war in Sarahs Leben endlich mal was Aufregendes passiert. Sarah schreibt zurück, ist davon überzeugt, ohnehin keine Chance zu haben. Es kommt anders: Die ersten Probeaufnahmen werden gedreht. „Sie haben mich behandelt wie einen Star. Ich sei so toll, ich sei so gut vor der Kamera und so weiter.“
Per Kurier wird Sarah, so erzählt sie es, der Vertrag der Produktionsfirma zugestellt, sie unterschreibt zwischen Tür und Angel: unter anderem, so stellt sie später fest, dass sie eigentlich keinerlei Rechte hat, es möglicherweise eine Fortsetzung der Staffel geben wird, sie dann zur Verfügung stehen muss, dass sie während der Produktion möglicherweise Situationen erlebt, die „psychisch und physisch belastend“ sein können … Zeitnah wird ihr das vereinbarte Honorar, 700 Euro, überwiesen. Davon kauft Sarah dem schwer kranken Vater, der gerade eine Herz-OP überstanden hat, einen Fernsehsessel und für sich eine kleine Kommode.
Drei Männer statt körbeweise Post
Auf einer DVD präsentieren sich wenig später nur drei Männer, die Sarah kennenlernen und mit ihr gemeinsam eine Woche verbringen wollen. Im Grunde gefällt ihr keiner wirklich: „Ich dachte, das ist wie bei ‚Bauer sucht Frau’ und dass da körbeweise Post für mich kommt …“ Ein Zurück gibt es nicht mehr: Zwei muss sie einladen; Bernd ist ganz nett, merkt aber schnell, dass das mit Sarah nichts wird; über Dirk möchte Sarah nicht viel sagen: „Es reicht, wenn Sat.1 ihn vorführt und seine Mutter für ihn die Bewerbung geschrieben hat.“
Die insgesamt rund 14 Drehtage erlebt Sarah wie in Trance: Von morgens bis spät in den Abend hinein wird gefilmt; Pausen gibt es kaum. Händchenhalten mit Bernd beim Einschlafen? „Das musste ich tun.“ Die Barbie zwischen die Hotdogs setzen? „Das musste ich tun.“ Wir blicken im Wohnzimmer in die Zukunft und reden über das, was in den nächsten Teilen der Serie vermutlich noch kommen wird. Saunaszenen? „Das musste ich tun.“ Eine neue Barbie in einem Garten unter einem Brunnen taufen lassen? „Das musste ich tun.“ Dirk küssen? „Das musste ich tun.“ Die Schokomassage? „Das musste ich tun.“
In direkter Nachbarschaft zu Sarahs Elternhaus befindet sich die „Wasana“-Wellness-
Oase, in der peinliche Massageszenen mit Dirk gedreht wurden. Beste Werbung für das kleine Unternehmen. Dieser Tage kommentierte ein User mit dem Nickname „Wasana 1978“ unter einem der unzähligen Videos zu „Schwer verliebt“ auf You-Tube: „Das ist meine Nachbarin, ich habe es mir verkniffen, dies im Fernsehen anzuschauen. Habe es nun mal gesehen und muss sagen, es kommt noch besser! Das Fernsehteam hat bei uns in der Massagepraxis auch die zwei Doofen gefilmt …“ Nur ein Beispiel von vielen, wie Sarah öffentlich gedemütigt wird.
Der Sender bezeichnet ihr Zuhause als “Puppenhaus des Horrors"
Sarah hatte darum gebeten, dass die Männer in einer Pension untergebracht werden und nicht bei ihr daheim übernachten: Das war dem Sender, der Sarahs Zuhause als „Puppenhaus des Horrors“ bezeichnet, zu teuer. Das Drehbuch sieht vor, dass die Zuschauer zum Finale der ersten Staffel glauben sollen, Sarah ziehe nach Leipzig zu Dirk, und die beiden seien bis über beide Ohren verliebt. „Um Himmels Willen. Nichts war da zwischen uns. Wir haben auch keinen Kontakt mehr.“ Weitere Fragen erübrigen sich. Auch die Frage, ob sie vor der ersten Sendung die einzelnen Folgen gesehen hat, wusste, mit welcher Musik und welchen Untertiteln die Szenen unterlegt würden.
Nein, Tränen kommen der jungen Frau, die so gern lacht, aber nur so wenig zum Lachen hat, schon länger nicht mehr. Ihr persönlicher Albtraum in Sachen „Schwer verliebt“ ist bislang nur die letzte Strophe eines sehr traurigen Liedes. Sarah erzählt: „Zu
Kindergeburtstagen wurde ich nie eingeladen. Da ging das mit dem Mobbing schon los. Meine Noten waren ganz gut, ich hatte eine Empfehlung für die Realschule. Aber da ging alles schief. Weil ich damals keine Jeans, sondern Stoffhosen trug, wurde ich ständig blöd angemacht.“
Die Leistungen gingen in den Keller, Sarah wechselte auf eine Hauptschule in einem Idar-Obersteiner Problembezirk. „Eine ganze Schule gegen eine Schülerin … Ich wurde in der Pause auf dem Klo festgehalten, mir wurde ein Stoffbeutel über den Kopf gestülpt und zugedrückt, sodass ich fast erstickt wäre. Die Lehrer unternahmen nichts, meine Eltern dachten, dass ich mir das alles einbilde.“
Der Terror ging weiter: „Ein Mädchen hat mich in der Schule fast totgeohrfeigt. Der Schock saß mir da ganz schön in den Knochen. Ich kam über Umwege zu einer Ausbildung zur Hauswirtschafterin. Alles, was ich bis dahin erlebt hatte, steigerte sich noch mal. Im Oktober 2003 kauften meine Eltern ein altes Haus in Fischbach. Wenn man im Bad ist und sich nach dem Duschen Feuchtigkeit sammelt, kann es passieren, dass die Stromsicherung rausknallt. Nachdem ich die Ausbildung hinter mir hatte, wurde ich im Juli 2005 ein Hartz-IV-Kandidat. Nach einem Ein-Euro-Job wurde mir im Juli 2006 das Geld gestrichen. Mitte Oktober kam ich als Warenverräumerin unter.“
Sarah möchte ihre Träume leben
Sarah wünscht sich ein anderes Leben, vielleicht erst einmal in einer Wohngemeinschaft, einen Job, von dem sie leben kann, eine Chance, vielleicht die Region, die sie nicht gut behandelt hat, zu verlassen. Einen Schritt hat sie bereits getan: Ihre 170 Barbies hat sie in Kisten gepackt. Schluss damit, das Leben zu träumen. Sie möchte ihre Träume leben. Sarahs wahre Geschichte soll jeder kennen: „Was da im Fernsehen passiert, ist eine einzige Lüge: von wegen Reality-TV …“, sagt sie, als wir uns an diesem Abend verabschieden.
Einmal Opfer, immer Opfer? Hilflos ausgeliefert sein? So soll es nicht weitergehen. Sarah hat ein Happy End verdient.
Von unserer Redakteurin Vera Müller