Rheinland-Pfalz. Geldanleger werden nach wie vor schlecht beraten – zu diesem vernichtenden Urteil kommen Verbraucherschützer nach der detaillierten Auswertung einer Studie der Stiftung Warentest. „Die Lage hat sich kaum verändert und schon gar nicht verbessert“, sagt Sylvia Beckerle, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Beratungsprotokolle: neue Studie der Verbraucherzentralen mit Kernaussagen
Link zur Studie der Verbraucherzentralen
Seit Jahresanfang sind die Geldinstitute dazu verpflichtet, Beratungsgespräche zu protokollieren, wenn die Rede auf Wertpapiere kommt. In der Untersuchung der Stiftung Warentest ist das 126 Mal der Fall gewesen. Mehr als die Hälfte der Berater sah sich aber nicht dazu bemüßigt, überhaupt ein Protokoll auszuhändigen.
Die vorliegenden 61 Protokolle hat Beckerle mit drei Kollegen aus anderen Verbraucherzentralen ausgewertet. Ihr Fazit: Das Gesetzesziel, Falschberatung zu verhindern, wird verfehlt. Finanzielle Verhältnisse und Risikobereitschaft sind nur unzureichend erfasst. Und: „Die Berater gehen nicht auf die individuellen Anlageziele ein.“ Ähnlich das Urteil des Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung: „Die Banken betreuen an den Wünschen ganzer Zielgruppen vorbei.“
Beckerle kritisiert, dass viele Institute nur ihre eigenen Interessen wahren wollten. Das kann im Extremfall sogar bedeuten, dass der Verbraucher jetzt schlechter dasteht als früher. Hintergrund: Mit dem Protokoll soll er später – notfalls vor Gericht – schwarz auf weiß beweisen können, das ihm ein ungeeignetes Produkt verkauft wurde. Der Berater muss dass Protokoll deshalb unterschreiben. Der Kunde nicht – doch genau dies verlangen manche Banken.
Deshalb warnen die Mainzer Rechtsanwälte Herbert und Malte B. Bartsch, niemand solle sich der Illusion hingeben, dass das Protokoll die Beweislage für den Anleger verbessert. „Eher wird das Gegenteil der Fall sein.“ Denn hat der Berater die Unterschrift des Kunden, kann er auf das Protokoll verweisen, demzufolge er alle Einzelheiten erklärt und „abgehakt“ hat.
Chefredakteur für einen Tag
Hilmar Kopper sagt: Das Beratungsangebot der Banken ist heute gerade in unserem Land besser als sein Ruf. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen schützen Anleger.
Der Zentrale Kreditausschuss, in dem alle deutschen Bankengruppen vertreten sind, hatte nach der Warentest-Studie eingeräumt, dass es „noch deutlichen Nachholbedarf“ gibt. Zugleich vertrat er allerdings die Ansicht, dass ein Protokoll erst ausgehändigt werden muss, wenn ein konkretes Wertpapier empfohlen wird – und nicht schon dann, wenn allgemein über diese Papiere gesprochen wird.
Aus Sicht vieler Berater ist die Pflicht zum Protokollieren vor allem eines: lästig und zeitraubend. Es regt sich Unmut über immer neue gesetzliche Vorgaben – der Verbraucher werde von der Politik schrittweise „entmündigt“, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Offenen Widerstand gibt es gegen das jüngste Projekt: ein flächendeckendes Register aller Berater. Der Bundesverband deutscher Banken fürchtet eine „aufgeblähte Bürokratie“, die allein in der Kreditwirtschaft mehr als 300 000 Mitarbeiter erfassen würde. Als Alternative schlägt er vor, Transparenz gegenüber der Aufsichtsbehörde Bafin herzustellen: „Offenkundig schwere Beratungsfehler oder auffällige Häufigkeiten bei Beschwerden werden wir in Zukunft sofort melden.“
Finanzexpertin Beckerle glaubt allerdings, dass es grundlegender Veränderungen bedarf. Aus ihrer Sicht ist das Hauptproblem, dass Berater Provisionen bekommen, wenn sie bestimmte Produkte an den Mann bringen. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs verpflichtet sie dazu, den Kunden über deren Höhe zu informieren – was in keinem der von Beckerle ausgewerteten Protokolle konkret geschehen ist. Die Finanzexpertin ist sicher: „Solange es das Provisionssystem gibt, ist in der Regel keine gescheite Beratung zu erwarten.“
Von unserem Redakteur Jörg Hilpert