Rheinland-Pfalz – Europas Rechtspopulisten werden stärker. In Rheinland-Pfalz versuchen gleich mehrere Gruppen, auf den islamfeindlichen Zug aufzuspringen. Die Fakten erfinden sie sich im Zweifel selbst – Einblicke in eine Parallelwelt.
Die Sache also ist die: Wenn das so weitergeht, dann wird es für die Deutschen bald ziemlich eng. Marodierende Banden werden durch die Straßen ziehen, und in den Vorstädten werden Barrikaden brennen. Die Deutschen werden dicke Mauern um ihre Wohnsiedlungen errichten, und sie werden Stacheldraht ausrollen, um sich vor den Fremden zu schützen. Hinter den Mauern wird die Welt in Ordnung sein, aber draußen ist dann der Teufel los. Vielleicht werden sich die Deutschen noch weiter zurückziehen. Vielleicht werden sie sich irgendwann im Osten der Republik verschanzen und den Rest des Landes den Fremden ganz überlassen.
Das alles berichtet der junge Referent in dem viel zu großen marinblauen Anzug an diesem Tag in Koblenz-Güls. Wie er das im Konferenzsaal des Hotels Hähn sagt, muss man an schlechte Endzeitfilme denken, und gerade als man die Vorstellung fast komisch findet, wird Felix Menzel so deutlich, dass einem der Atem stockt. Dann wird klar, dass dieser Mann mit dem Gymnasiastengesicht wirklich alles ernst meint. „Es ist eine Drecksarbeit, die ich nicht machen würde“, sagt er mit sächsischer Färbung und hält dann kurz inne. Er spricht es nicht aus, aber jeder in dem Raum weiß, dass seiner Meinung nach ein Einwanderungsstopp nicht reicht, um dieses apokalyptische Szenario zu verhindern, dass vielleicht weit drastischere Methoden folgen müssten.
Wer das Innere des rheinland-pfälzischen Rechtspopulismus erkunden will, muss zunächst umständliche Wege gehen. Die Einladung kam an einem Freitag um 23.56 Uhr, und sie war sehr höflich formuliert. „Bitte kommen Sie nach Koblenz“, schrieb der Absender in seiner E-Mail. Er hatte keine Adresse angefügt, aber eine Handynummer, unter der vor Beginn des Treffens der Veranstaltungsort bekannt gegeben wird. Dann bat er um Verständnis für die Geheimniskrämerei, verwies auf Drohungen linker Gruppen und schloss mit freundlichen Grüßen.
Drei Gruppen hatten zu dem Nachmittag geladen. Die Partei Die Freiheit, Regionalgruppe Koblenz. Die Gruppe Politically Incorrect, Ortsgruppe Koblenz. Der lokale Verein „Forum für Deutschland“ aus Höhr-Grenzhausen. Eine Phalanx aus rechtsaußen bis radikal, subtil bis offenkundig fremdenfeindlich mit einem klar definierten Feindbild: dem Islam.
Referent Menzel ist Publizist und so etwas wie ein Star unter den neuen Rechten. Etwa 25 Gäste wollen ihn hören. In dem Raum steht ein Rednerpult. Ein Banner der Partei Die Freiheit wurde aufgehängt. Die Zuhörer haben 15 Euro Eintritt gezahlt, dafür gibt es vier Stunden lang Diskussionen und dazwischen Kaffee und Erdbeerkuchen mit Sahne. Sie haben sich versammelt, weil sie unter anderem der Meinung sind, dass es in Deutschland zu viele Menschen gibt, die dem Islam folgen. Sie sind der Meinung, dass Menschen, die an Allah glauben, gewalttätiger sind als andere und deshalb die Deutschen bedrohen. Sie erwähnen auch, dass nach der neuen Muslimstudie der Regierung jeder vierte Muslim radikal ist. Aber auch das ist so nicht richtig. Jeder vierte junge Muslim ohne deutschen Pass lehnt nach dieser umstrittenen Studie eine Integration ab. Das ist ein entscheidender Unterschied.
Menzel beklagt, dass es den Deutschen an Wehrhaftigkeit fehlt, und einer der Mitorganisatoren wird erzählen, dass er seiner Tochter Judo beigebracht habe, weil sie sonst in ihrer Schule in Höhr-Grenzhausen nicht mehr sicher sein kann. Dann sagt Menzel, dass ihm diese ganze Diskussion ja zuwider sei, er viel lieber Gedichte besprechen würde, aber ihm in der aktuellen Lage nun mal nichts anderes übrig bleibt.
Den Hotelinhabern geht es nicht anders. Auch ihnen ist das alles zuwider. Bis zum Abend werden sie den rechten Gästen signalisiert haben, dass sie künftig in ihren Räumen nicht mehr willkommen sind. Und als die Rechtspopulisten und Sympathisanten wieder nach Hause fahren, werden sie bemerken, dass Demonstranten vor der Tür Aufkleber auf ihre Autos geklebt haben.
Der Schatzmeister der Partei
Wenige Tage später nicht weit von Koblenz. Daniel Mrakic (33) sitzt in dem kleinen Café der Spielkiste Urmitz. Er trägt ein weißes Hemd und eine schwarze Hose. Er sieht elegant aus, ein bisschen wie ein Verkäufer. Die Spielkiste ist eine Vergnügungshalle für Kinder. Es ist eine bunte Welt aus Rutschen und Hüpfburgen. Mrakic ist einer der Betreiber der Spielkiste. Aber darum geht es nicht. Mrakic ist einer der Köpfe der Partei Die Freiheit. Offiziell ist er der Schatzmeister.
Die Partei ist einer der drei Veranstalter des Nachmittags in Güls. Sie wurde vor knapp einem Jahr in Worms gegründet. Sie bezeichnet sich als Bürgerrechtspartei für mehr Demokratie. Bundesweit soll die Partei 2000 Mitglieder haben, rund 70 bis 80 Mitglieder zählen die Rheinland-Pfälzer. Sie ist so etwas wie eine Partei ziemlich weit rechts von der CDU. Sie gilt als politische Vorfeldorganisation der rechten Pax Europa. Pax Europa wiederum ist eine islamfeindliche Bewegung, die Bürger bei Mahnwachen anspricht.
Die Zeiten scheinen eigentlich nicht schlecht für eine Partei der Rechtspopulisten. In den Niederlanden haben die Rechtspopulisten um Gert Wilders die Regierung gestürzt, in Flandern ist der Vlaams Belang regelmäßig eine der stärksten Kräfte, in Frankreich hat gerade die Front National ihr bestes Ergebnis bei einer Präsidentschaftswahl erzielt. In Deutschland war das bisher etwas anders. Rechtspopulisten können hier kaum Erfolge vorweisen. Politologen sagen, dass das daran liegt, dass die rechten Parteien immer wieder an ihrer Nähe zu Rechtsextremisten scheitern, dass ihnen die politischen Köpfe fehlen und dass ausgerechnet die Linkspartei viele Protestwähler auffängt. Vor zwei Jahren aber hat Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ das Land für die Rechten bestellt. Damals hat eine Emnid-Umfrage ergeben, dass 18 Prozent aller Deutschen eine neue Partei wählen würden, wenn sie von Sarrazin angeführt würde. Das sind eigentlich nicht die schlechtesten Voraussetzungen für Parteien wie Die Freiheit, für Leute wie Mrakic.
Mrakic kann sich recht ordentlich ausdrücken, er ist freundlich und gibt sich viel Mühe, sich von der NPD und anderen Neonazigruppen abzugrenzen. Als sich zwei Neonazis zu der Veranstaltung in Koblenz anmeldeten, hat er sie aussortiert. Natürlich erzählt Mrakic das ungefragt und platziert die Information gleich zu Beginn des Gesprächs. Sie wollen nichts mit dem grölenden Mob zu tun haben, sie wollen nicht die Parlamente unterwandern. Sie wollen Teil des parlamentarischen Systems sein.
So will sich Mrakic jetzt auch von ein paar Aussagen vom Samstag distanzieren. Dass Zuhörer mehrmals den Begriff Neger verwendeten, ist ihm inzwischen offenbar ein bisschen unangenehm. Er glaubt auch nicht an einen Bürgerkrieg zwischen Deutschen und Zuwanderern. Mrakic scheint jetzt nicht mehr viel mit den Menschen gemein zu haben, die er vor wenigen Tagen um sich scharte. Seine Fremdenfeindlichkeit ist nicht aggressiv und empörend. Sie kommt beiläufig und anekdotenhaft daher. Er erzählt, wie er offenbar einst ohne Grund von den Brüdern seiner damaligen libanesischen Freundin bedroht wurde, und warnt anschließend vor einer „schleichenden Islamisierung“. Er sagt: „Würde die demografische Situation so weiterlaufen, dass die Deutschen weit zu wenige Kinder bekommen, gibt es 2050 eine islamische Mehrheit.“ Und dann spricht er von Höhr-Grenzhausen, wo bereits zu sehen sei, was überall zu erwarten sei, wo die Deutschen aus Angst aus dem Stadtzentrum geflüchtet seien und jetzt weiße Gettos entstünden.
Mrakic führt dafür Zahlen an und untermauert seine Aussagen jeweils mit einem Beispiel. Das klingt meist nachvollziehbar. Aber selten stimmt es. Das Bundesamt für Statistik hat zwei Migrationsszenarien veröffentlicht. Bis zum Jahr 2060 soll nach einer vorsichtigen Schätzung die Gesamtzahl der per Saldo zugewanderten Personen 4,9 Millionen betragen, die kühne Schätzung kommt auf 9,4 Millionen Zuwanderer. Derzeit machen die Muslime gerade 4 bis 5 Prozent der Bevölkerung aus. Eine muslimische Mehrheit ist selbst bei einem dramatischen Bevölkerungsschwund also absolut unwahrscheinlich. Und die Tatsache, dass in Höhr-Grenzhausen weniger Menschen im Stadtgebiet wohnen, hat schlicht soziale und kommunalplanerische Gründe. „Eine Angst ist absoluter Blödsinn“, sagt der Bürgermeister der Verbandsgemeinde, Thilo Becker. „In der Vergangenheit zogen viele Familien aus dem Stadtkern lieber ins Neubaugebiet, dadurch wurde günstiger Wohnraum im Stadtkern frei. Die preiswerten Wohnungen wurden häufig von Menschen mit Migrationshintergrund gemietet.“
Mrakic sieht Hunderte gefährliche Muslime
Mrakic sagt, dass es ihm um Kritik am Islam geht, aber tatsächlich diffamiert er den Glauben. Mit subtiler Übertreibung, Zuspitzung und kalkulierten Falschinformationen. Mrakic macht den Menschen Angst, wo es nicht angebracht ist, er verharmlost dort, wo es nichts zu beschönigen gilt. Mrakic sagt: „Die Zahl der rechtsradikalen Taten geht seit Jahren nach unten. Das haben wir unter Kontrolle. Aber es gibt in Rheinland-Pfalz mehrere Hundert islamische Gefährder.“
Und was wieder im ersten Moment plausibel klingt, ist erneut nicht korrekt. Das Innenministerium hat kürzlich tatsächlich von 820 Islamisten im Land gesprochen. Das Ministerium hat aber auch gesagt: Nur ein verschwindend geringer Anteil davon ist gewaltbereit. Die Zahl der „Gefährder“, also jener, bei denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie in islamistisch-terroristische Aktivitäten verwickelt sein könnten, schätzt das Innenministerium auf nicht mehr als fünf. Mrakic argumentiert somit wie die NPD. Aus 820 Islamisten mit einem „kleinen Anteil gewaltbereiter“ Islamisten, haben die Neonazis auf ihrer Internetseite 820 gewaltbereite Islamisten gemacht. Aus einer Handvoll machen sie Hunderte.
Auch die Zahl der rechtsradikalen Taten sinkt in Rheinland-Pfalz nicht. Im vergangenen Jahr gab es einen Anstieg von 6 Prozent. Im Zehn-Jahresvergleich hat die Polizei in Rheinland-Pfalz im Schnitt jährlich 576 Fälle registriert. Die Zahlen der vergangenen fünf Jahre übersteigen jeweils diesen Durchschnittswert. Konkret: Im Jahr 2011 waren es 673 Fälle, im Jahr 2002 gerade 402. Dass die Ermittler das Problem des Rechtsradikalismus unter Kontrolle haben, kann eigentlich nach den Taten der NSU kaum jemand ernsthaft behaupten.
Dabei hat die Argumentation durchaus System. Mrakic kritisiert, dass 50 Prozent der Menschen in islamischen Ländern vom ökonomischen Wertschöpfungsprozess ausgeschlossen seien. Er sagt, dass Frauen in islamischen Ländern nicht arbeiten dürfen. Tatsächlich werden die Rechte der Frauen in vielen islamischen Ländern massiv beschnitten. Doch auch hier generalisiert Mrakic. Es gibt heute kein islamisches Land, in dem ein Berufsverbot für Frauen herrscht. In Saudi-Arabien dürfen Frauen nicht mit Männern gemeinsam arbeiten. Ein Verbot existiert aber selbst in der abgeschotteten Monarchie nicht.
Angst und Vorurteile geschürt
Würde Mrakic über die Rolle der Frau im Islam oder über Integrationsprobleme von Einwanderern sprechen, man könnte ihm nichts vorwerfen. Würde er davon berichten, wie die muslimische Gemeinde sich mit der Verurteilung und Isolierung von Radikalen schwertut, würde man ihm vielleicht zustimmen. Aber Mrakic macht etwas anderes. Er schürt Angst und Vorurteile. Seine Islamkritik wird zur Islamfeindlichkeit.
So ist es auch kaum verwunderlich, dass Mrakic sich auch mit dem radikalen Autor umgibt, der sich Michael Mannheimer nennt. Mannheimer werden enge Verbindungen zu dem Internetprojekt Nürnberg 2.0 nachgesagt. Auf der Seite werden Politiker und Journalisten mit Fotos und Lebenslauf an den Pranger gestellt. Ihnen soll der Prozess ähnlich den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen gemacht werden, weil sie sich positiv zum Islam äußerten. Bei den Tribunalen wurden zwischen 1946 und 1949 auch Todesurteile gegen NS-Politiker, Generäle und andere Kriegsverbrecher gefällt. Vom rheinland-pfälzischen Justizminister Jochen Hartloff gibt es auf der Seite wegen seiner Äußerungen zur Scharia eine Akte mit Foto: „Verharmlosung und Lobbyarbeit für eine faschistische Ideologie“, lautet der Vorwurf. „Ich kenne die Seite, das ist nicht meine Art“, sagt Mrakic und spricht dann schnell von linken Prangerseiten.
Mehrdad Beiramzade ist 38 Jahre alt. Er arbeitet als Altenpfleger in einem Seniorenheim. Beiramzade wohnt in Koblenz-Ehrenbreitstein, und deshalb hat er für das Treffen die Festung vorgeschlagen. Es ist ein schöner Frühlingstag. Die Sonne scheint. So sehr, dass er nach dem Gespräch sagen wird, dass er Angst vor einem Sonnenbrand hat. Beiramzade ist bei Politically Incorrect (PI) aktiv. Politisch unkorrekt heißt das übersetzt. Es ist so etwas wie das Leitorgan der Rechtspopulisten. Vor einiger Zeit wurden auch lokale Sektionen gegründet. Die Koblenzer Gruppe entstand vor zwei Jahren. Die Gruppe ist der zweite Veranstalter der Lesung in Güls. Und Beiramzade ist ihr Leiter.
Die Internetseite von PI veröffentlicht vor allem Nachrichten über kriminelle Taten von Ausländern und Muslimen. Manchmal feiert sie rechtsextreme Parteien wie neulich den Wahlerfolg von Marine Le Pen. Der Blog veröffentlicht eigentlich ständig gleiche Nachrichten. Wer die Meldungen eine Zeit lang liest, sieht eine Welt voller islamischer Terroristen und gewaltbereiter Ausländer. In den Kommentarspalten lassen die Leser ihrem Hass freien Lauf. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier hat den Blog vor einigen Jahren als das „Zentralorgan für moderne Rassisten“ bezeichnet, in dessen Kommentaren sich „ein unverhohlen rassistischer Mob“ versammelt. Es war keine Übertreibung.
Eigentlich sollte Beiramzades PI-Kollege Andreas Bleck erklären, was sie mit der Gruppe vorhaben. Bleck ist geschäftsführender Vorsitzender des Asta Koblenz, aber er lässt ausrichten, dass er momentan genug andere Sorgen hat. Im Koblenzer Studentenparlament gingen die Wogen hoch, als bekannt wurde, wen sie sich da in den Asta geholt haben. Inzwischen gibt es allerdings einen neuen Vorsitzenden.
Sie haben wohl auch deshalb Beiramzade vorgeschickt, weil er selbst Muslim war und für die Glaubwürdigkeit der Vereinigung stehen soll. Er ist ihr Kronzeuge. Der gebürtige Iraner kam als Asylbewerber nach Deutschland. Bis zum 11. September 2001 war er Muslim. Beiramzade wurde von Mrakic vorbereitet. Er distanziert sich von Nürnberg 2.0 ungefragt. Und er sagt auch: „Ich finde, die Kommentare auf der Internetseite von Politically Incorrect sollten stärker moderiert werden.“
Bei vielen Aussagen möchte man Beiramzade zustimmen. „Ich finde, der Islam braucht Kritik“, sagt er an diesem Nachmittag, und dagegen kann man tatsächlich nichts einwenden. Aber es klingt anders, wenn man genau hinhört. Er sagt zum Beispiel: „Muslime sind häufiger kriminell als andere. Das ist belegt.“ Der Satz bleibt bei ihm ohne Erklärung stehen. Dabei weist selbst eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen aus dem Jahr 2010 darauf hin, dass trotz einer registrierten stärkeren Straffälligkeit bei zunehmender Religiosität nicht ausreichend belegt ist, dass der Islam dafür direkt verantwortlich gemacht werden kann. Die Rolle der Imame und das männliche Dominanzverhalten in den Familien müssten ebenso beleuchtet werden. Aber Beiramzade stellt einen pauschalen Zusammenhang von Ursache und Wirkung auf.
Er wirft dem Islam vor, dass er die Welt in Gläubige und Ungläubige einteilt, um wenig später eine ähnliche Kategorisierung vorzunehmen. „Es gibt die Kultur des Fleißes und der Bildung, und es gibt die Kultur der Ehre und der Schande“, sagt er. „Es gibt nun mal Kulturen, die der deutschen unterlegen sind“, meint er, um sich auf Nachfrage zu retten: „Ich meine in Sachen Menschenrechte.“
Er sagt das, als hätte es keine arabische Revolution gegeben, als würde es keine Streiter für Menschenrechte in islamischen Ländern geben. Er propagiert eine kulturelle Überlegenheit: „Wir steinigen keine Frauen bei Ehebruch, wir töten keine Homosexuellen und wir verurteilen Antisemitismus“, sagt er. Das stimmt vielleicht mehrheitlich für Deutschland, aber ist im Umkehrschluss deshalb noch lange nicht auch für alle Muslime richtig: Denn auch die große Mehrheit der islamisch geprägten Staaten lehnt die Todesstrafen bei Homosexualität und Ehebruch ab. Und beim Thema Antisemitismus kommen die Rechtspopulisten selbst in großer Regelmäßigkeit in Erklärungsnot.
Nach außen bekennen sie sich eindeutig zu Israel und unterstreichen somit ihre Distanz zu rechtsextremen Positionen. „Wir haben mit der NPD nichts am Hut, weil wir ganz klar für Israel sind“, sagt Beiramzade etwa, „Antisemitismus hat bei uns keinen Platz.“ Aber sie meinen natürlich den islamischen Antisemitismus. So füttern sie antisemitische Ressentiments, indem sie etwa Gedenkveranstaltungen oder die Stolperstein-Aktionen ablehnen, weil dort Linke auftreten, die eine Nähe zu islamischen Gruppierungen haben.
Ralph Mayer wird da schon ein bisschen deutlicher. Mayer ist 44 Jahre alt. Mayer betreibt die Internetseite „Forum für Deutschland“. Es ist der dritte Veranstalter der Lesung in Koblenz. Mayer hat für die Veranstaltung sogar noch ein wenig Geld draufgelegt. Mayer sitzt am runden Küchentisch in seinem Haus in Hilgert, Höhr-Grenzhausen. Die Schränke in Eiche rustikal, der Lampenschirm mit himmelblauer Bordüre, auf dem Tisch stehen Gläser mit dem Schriftzug eines Pulvers für Bodybuilder. Er faltet die Hände. Er wirkt ein bisschen aufgeregt. Mayer war früher bei der Schillpartei und hat dort schlechte Erfahrungen gemacht. Meyer hat auch mal die NPD gewählt. Das sagt er nicht so ausdrücklich, aber auf die Frage antwortet er: „Sagen wir so. Ich bin nahezu ein latenter Protestwähler.“ Mayer träumt von einer neuen Partei. Einer Partei, die alle eint, Die Freiheit mit Mrakic, Politically Incorrect mit Beiramzade, sein Forum. Einmal, sagt Mayer, habe Daniel Mrakic von der Freiheit zu ihm gesagt: „Wenn es zehn von uns gäbe, wir könnten unheimlich viel bewegen.“
Mayer ist in Vallendar aufgewachsen. Früher war er einmal bei den Fallschirmjägern, meist als Zugführer. Dann wollte er Berufssoldat werden. Er hatte glänzende Beurteilungen, sagt er, und musste nur noch den Hörtest bestehen. „Tja, und dann bin ich durchgefallen.“ Jetzt kämpft er an einer anderen Front. Gegen einen anderen Feind.
Mayer schreibt gern emotional
Er schreibt Artikel. Eigentlich sind es vielmehr Meldungen, die er mit einem Kommentar versieht. Meist sind es wütende Kommentare. „Ich schreibe am besten, wenn ich emotional bin“, sagt er. Mayers Mission ist der Kampf gegen den Islam und gegen Ausländer. Er sucht Nachrichten, von denen er glaubt, dass sie seine Behauptungen untermauern, dass Ausländer besonders gewalttätig sind. Dann ruft er die Polizeipressestellen an und recherchiert, ob hinter dem Raub, dem Diebstahl ein Ausländer steht. 200 bis 300 solcher Meldungen überprüft er nach eigenen Angaben pro Tag. Und deshalb verkündet er: Zwei Drittel aller Sexualstraftäter sind Ausländer. Er hat keinerlei Datensatz, der dieser Behauptung zugrunde liegt. Aber er gibt auf Nachfrage zu, dass die Studie nicht wissenschaftlich unterlegt ist. Dennoch baut er seine Ideologie auf diese Zahl. Würde er tatsächlich recherchieren, müsste er eine andere offizielle Zahl nehmen. Es sind nicht 66,6 Prozent, sondern 17,4 Prozent. So viele Tatverdächtige nicht deutscher Herkunft bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung hat das Bundeskriminalamt 2010 registriert. Das sind zwar tatsächlich mehr, als ihr Bevölkerungsanteil von 8,8 Prozent beträgt. Doch auch dafür gibt es viele Gründe, die er nicht nennt. So schränkt die Behörde etwa ein, dass zu berücksichtigen ist, dass die nicht deutsche Wohnbevölkerung zu einem größeren Teil als die deutsche aus jüngeren Männern besteht.
Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass in der Welt von Ralph Mayer die Gefahr hinter jeder Ecke lauert. Nachts können die Bürger nicht mehr gefahrlos durch die Straßen laufen, er sieht Kinder, die gebückt und mit ins Gesicht gekämmten Haaren in die Schule kommen, weil sie Angst vor Muslimen in Lederjacken haben. Er weiß von einer Ausländerquote von 50 Prozent am Gymnasium in Höhr-Grenzhausen. Aber die Zahl der Kinder mit ausländischem Pass liegt dort nach Auskunft des Schulleiters bei gerade 6 Prozent.
Mayers Wahrheit hört sich an wie eine manifeste Angststörung. Er antwortet nicht auf Fragen, sondern erzählt Geschichten, lose Satzenden überlagern sich, manchmal sagt er, „wenn sie mir jetzt die Frage stellen ...“, dann antwortet er auf eine Frage, die er sich selbst gestellt hat.
Ralph Mayer macht sich manchmal nicht mal die Mühe, Statistiken falsch zu interpretieren oder Einzelfälle zu suchen. Er sagt, dass der Islam faschistisch ist, und als er nach einer Begründung gefragt wird, fällt ihm nichts anderes ein als die gebückte Haltung beim Gebet. Er sagt: „Ich bin grundsätzlich nicht islamfeindlich. Aber jedes Volk hat ein Recht darauf, sich gegen eine Überfremdung zu wehren. Das ist nichts Verwerfliches.“
Vorsichtig ausgedrückt, muss man feststellen: Mayers Formulierungen unterscheiden sich nur unwesentlich von Äußerungen der Neonazis. „Man will den völkischen Zusammenhalt und deutschen Geist untergraben und zerbrechen“, meint er einmal über die Linke. Den Formel-1-Chef Bernie Ecclestone nennt er den „Juden Ecclestone“. Er spricht davon, dass „die Juden untereinander besonders gern Geschäfte machen.“ Er verharmlost die Gräueltaten aus dem Zweiten Weltkrieg, indem er von „zur Zeit des Nationalsozialismus benachteiligten Personengruppen“ spricht. Als ihm diese Passagen vorgelegt werden, schweigt er zunächst, und nach einigen Nachfragen sagt er: „Drehen Sie mir einen Strick draus oder auch nicht.“
Er wird aber nichts daraus lernen, denn wenig später schreibt er in seinem Forum über die „verbrecherische Tat“ von Anders Breivik, den Mann, der in Norwegen 77 Menschen erschossen hat: „Er bestrafte seine Regierung und die sozialistische Partei für die Überfremdung seines Heimatlandes ... ganz ehrlich??? Damit kann ich leben ...“
Peter Lausmann/Dietmar Telser
Die Partei Die Freiheit und Politically Incorrect haben nach den Recherchen unserer Zeitung die Zusammenarbeit mit dem „Forum für Deutschland“ beendet. Alle drei Gruppen sind weiterhin aktiv.