Mainz
RZ-INTERVIEW mit Finanzminister Kühl: "Wir haben ein moralisches Problem"

Finanzminister Carsten Kühl

dpa

Mainz - Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) sieht in der Nürburgring-Pleite vorwiegend ein moralisches Problem. Es sei schwieriger geworden, Akzeptanz für nötige Sparmaßnahmen zu finden. "Wir müssen uns unsere Glaubwürdigkeit neu erarbeiten", sagt Kühl im Interview.

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Mainz – Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) sieht in der Nürburgring-Pleite vorwiegend ein moralisches Problem. Es sei schwieriger geworden, Akzeptanz für nötige Sparmaßnahmen zu finden. „Wir müssen uns unsere Glaubwürdigkeit neu erarbeiten“, sagt Kühl im Interview.

Herr Kühl, stecken Sie in der Klemme, weil sie einen strikten Sparkurs fahren und jetzt Mehrausgaben schultern müssen?

Wir haben eine mittelfristige Finanzplanung bis 2016 und eine weitere bis 2020 vorgelegt. Die gelten weiterhin, und wir werden damit die Schuldenbremse erfüllen. Dazu sind harte Maßnahmen notwendig, etwa Stellenabbau, Abstriche für die Landesbeamten oder Budgetkürzungen um 100 Millionen Euro beim Hochbau und um 30 Millionen Euro beim Straßenbau.

Und das reicht? Es wird keine neuen Sparrunden geben?

Ja, ich glaube, das reicht. Wir werden ohne Steuererhöhungen auskommen, obwohl wir die richtig fänden, weil wir den Schuldenabbau dann sozial noch fairer gestalten könnten. Allein die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, für die die SPD-geführten Bundesländer kämpfen, brächte Rheinland-Pfalz pro Jahr 400 bis 500 Millionen Euro.

Aber die Nürburgring-Pleite reißt doch neue Löcher in den defizitären Landeshaushalt.

Finanziell ist das beherrschbar. Wir übernehmen die Verpflichtungen des Kredites der Nürburgring GmbH über 330 Millionen Euro für den Bau des Freizeit- und Geschäftszentrums an der Rennstrecke. Pro Jahr fallen dann gut zehn Millionen Euro für Zinsen an.

Ist das nicht viel Geld?

Ich will das nicht verniedlichen. Im Vergleich zur Gesamtkonsolidierung des Landeshaushaltes relativiert sich das aber.

Was heißt das genau?

Wir sparen Jahr für Jahr im Schnitt rund 210 Millionen Euro. Die Summen für den Nürburgring müssen als zusätzlicher Sparbeitrag eingeplant werden.

Also doch eine neue Sparrunde.

Nicht unbedingt. Das Steueraufkommen wird in den nächsten Jahren vermutlich leicht höher sein als prognostiziert. Und wir profitieren von den niedrigen Zinsen. Kalkuliert haben wir mit einem steigenden Zinssatz bis 2016 von 4,2 Prozent, derzeit verschulden wir uns nur mit 1,8 Prozent. Das spart dieses Jahr mehr als 50 Millionen Euro.

Glück im Unglück für Sie?

Das würde ich so nicht sagen. Finanztechnisch bekommen wir das hin, aber wir haben ein moralisches Problem. Die Leute sagen uns: Am Nürburgring verschleudert ihr das Geld, und bei uns wollt ihr sparen. Wir müssen uns unsere Glaubwürdigkeit neu erarbeiten, auch die Akzeptanz für die Notwendigkeit der Sparbeschlüsse.

Wie wollen Sie das machen?

Reden, reden, reden, viel erklären. Wenn ich mit Gewerkschaften, Unternehmern, Kommunen oder Hochschulen spreche, stelle ich den Nürburgring in Kontext zu anderen Projekten. Am Ring ist etwas gründlich schief gegangen, aber viele andere Dinge sind erfolgreich. Und unser Job hört doch nicht auf, wenn wir Fehler gemacht haben, im Gegenteil.

Nicht nur der Nürburgring kostet Geld, auch die Kommunen müssen laut Verfassungsgerichtshof (VGH) finanziell besser gestellt werden. Wie stemmen Sie das?

Wir sind dabei, bis 2014 ist das umgesetzt. So lange hat uns das Verfassungsgericht Zeit gegeben.

Die kommunalen Spitzenverbände fordern 600 Millionen Euro jährlich.

Der VGH sagt, das Land ist verantwortlich für Kosten der Kommunen, die vom Bund verursacht wurden, weil es über den Bundesrat Einfluss auf Berlin nehmen kann. Ab 2014 übernimmt der Bund die Kosten für die Grundsicherung, dadurch bekommen die Kreise und kreisfreien Städte 150 Millionen Euro jährlich mehr. Das ist ein Teil ihres Mehrbedarfs. Auch an den Kosten der Eingliederungshilfe muss sich der Bund künftig beteiligen. Damit werden unsere Kommunen ebenfalls eine immense Entlastung erfahren, und zwar genau an der Stelle, wo es der VGH gesagt hat.

Sind 600 Millionen Euro utopisch?

Die Forderung des VGH, die Kommunen besser zu stellen, wird erfüllt. Die Kommunen werden mehr haben wollen, was ich grundsätzlich verstehen kann. Es wird eine Summe X hinzukommen, die an anderer Stelle gespart werden muss. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass 600, 400 oder 200 Millionen Euro „frisches“ Geld fließen werden. Im Übrigen sagt der VGH, auch wenn’s die Kommunen nicht gerne hören, dass sie ihre Steuerkraft ausschöpfen müssen. Laut Rechnungshof ergäbe sich ein Plus von 145 Millionen Euro, wenn der Durchschnitt bundesweiter Hebesätze erreicht würde.

Kritiker werden einwenden, dass nur der Bund aktiv werde, das Land selbst aber nichts tue.

Grundsätzlich hat der Bund ja nicht bei uns angeklopft und gefragt, ob wir mehr Geld wollen, sondern wir haben das politisch hart erkämpft und sogar mitfinanziert. Rheinland-Pfalz hatte mit Ministerpräsident Kurt Beck, Sozialministerin Malu Dreyer und mir die Federführung bei den SPD-geführten Ländern in den Verhandlungen mit dem Bund. Insofern verbuchen wir das legitim als Erfolg.

Von unserem Mitarbeiter Frank Giarra