Rheinland-Pfalz. Derart deutlich hat das noch kein rot-grüner Landespolitiker gesagt. Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler räumt ein, dass die Insolvenz der Nürburgring GmbH den Steuerzahler vermutlich Millionen kosten wird. Mit Bezug auf die umstrittene Rücklage von 254 Millionen Euro, mit der wohl die größten Finanzlöcher gestopft werden müssen, erklärt er: „Es darf heute bezweifelt werden, dass dieses Geld komplett an den Landeshaushalt zurückfließt.“ Hier das Interview im Wortlaut:
Der Nürburgring ist pleite. Welche Fehler haben die Grünen gemacht?
Es wurden in der vergangenen Legislatur große Fehler beim Nürburgring gemacht. Das haben die damals Verantwortlichen mittlerweile auch eingeräumt. Wir Grüne sind jetzt mit in der Verantwortung, die Folgen dieser Fehler zu beseitigen oder wenigstens zu minimieren. Das ist kein Vergnügen, aber notwendig für unser Land und die Region. Ich meine, dass wir mit dieser Verantwortung sehr seriös und bewusst umgehen. Aber klar ist auch, die Probleme sind groß, die Lösung nicht einfach.
Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) hat sich der Argumentation von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) angeschlossen und macht die EU für das Desaster verantwortlich. Ist das klug – und vor allem zutreffend?
Man kann die politische Verantwortung jetzt nicht einfach nach Brüssel schieben, das hat aber auch niemand getan. Die Verantwortung für die Fehlinvestitionen am Nürburgring liegt in Rheinland-Pfalz. Wir Grüne haben immer davor gewarnt. Die Pläne am Nürburgring wurden schließlich auch lange von FDP und CDU mitgetragen. Letztlich hat die damalige SPD-Regierung von 2008 an den falschen Weg beschritten.
Das hat die neue rot-grüne Landesregierung erkannt und in der Nürburgring-Politik umgesteuert. Aber eine Neustrukturierung braucht Zeit. Dafür hätte es eine Rettungsbeihilfe gebraucht, diesen Weg hat uns die EU durch ihre Nicht-Entscheidung versperrt. Das hätte nicht sein müssen.
Wie reagiert die Basis der Grünen auf das Fiasko? Gibt es Stimmen, die Becks Rücktritt fordern oder gar das Ende der Koalition?
Natürlich gibt es an der Basis kritische Stimmen. In meiner Partei, aber auch in der Bevölkerung nehme ich vor allem den starken Wunsch nach mehr Transparenz und Ehrlichkeit in Sachen Nürburgring wahr. Das verstehe ich. Ich glaube, dass wir hier noch besser werden müssen. Wir haben nichts zu verbergen und werden alles auf den Tisch legen. Da gibt es in der Koalition aber auch absolute Einigkeit, daher steht das überhaupt nicht zur Disposition.
Die rheinland-pfälzische SPD hat sehr lange an der Illusion festgehalten, dass sich am Nürburgring alles zum Guten wendet. Wo haben sich die Grünen innerhalb der Koalition für einen realistischeren und ehrlicheren Umgang mit dem Ring stark gemacht?
Es war für uns immer klar, dass wir keine Entscheidungen gegen die EU treffen werden, dass die Verträge der derzeitigen Pächter am Ring gekündigt werden müssen und das Parlament – als ersten Schritt – stärker in die Informationen eingebunden wird. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass im Haushalt eine Vorsorge von 254 Millionen Euro für die Risiken am Nürburgring getroffen wird. Ich bin froh, dass die Landesregierung und die Koalition dem auch gefolgt sind. Ich denke zudem, dass wir als neuer, unbelasteter Partner in der Koalition den Blick auf die Probleme am Ring schärfen konnten.
Wie verlief die interne rot-grüne Meinungsbildung, die zum Antrag auf Rettungsbeihilfe bei der EU führte? Rein theoretisch hätte man der Landestochter weiter mit Haushaltsmitteln helfen können – wenn auch auf ein hohes Risiko hin.
Wir hatten fest vereinbart: Keine Entscheidungen gegen die EU und keine neuen dauerhaften Landeszuschüsse für den Nürburgring. Daher war klar, das ist mit den Grünen nicht zu machen.
Die Schulden der Nürburgring GmbH werden in den Landeshaushalt überführt. Das dürfte den Steuerzahler am Ende die gesamte, 254 Millionen Euro schwere Rücklage kosten – vermutlich sogar noch eine höhere Summe. Wie ist Ihre Einschätzung?
Zur Ehrlichkeit gehören zwei Dinge: erstens, dass das heute niemand mit Sicherheit beantworten kann. Das wissen wir vielleicht in ein paar Monaten, wenn der Insolvenzverwalter alle Zahlen auf den Tisch legt und klar ist, welchen Weg er einschlägt. Und zweitens: Es darf heute bezweifelt werden, dass dieses Geld komplett an den Landeshaushalt zurückfließt. Mit der Unterstützung des Insolvenzverwalters müssen wir zu einer Neukonzeption am Nürburgring kommen, die den Schaden für die Steuerzahler so gering wie möglich hält. Aber ich bin mir trotz der vielen Probleme sicher, es wird den Nürburgring noch viele Jahrzehnte geben. Auch das ist wichtig für die Motorsportfans und die Menschen in der Region.
Das Gespräch führte Dietmar Brück