Panorama
RZ-Artikel nach der ersten Folge der SAT.1-Serie: "Sie saugen Deine Seele aus" - Ein Brief an "Schwer verliebt"-Kandidatin Sarah Sat.1

Nur die Liebe - fehlt. Redakteurin Vera Müller hat der Zorn gepackt, wie Kandidatin Sarah bei SAT.1 präsentiert wurde. Sie schreibt Sarah jetzt.

Screenshot SAT.1/Svenja W

Am liebsten hätte sie sie während der Sendung in den Arm genommen: Vera Müller, Redakteurin in der Idar-Obersteiner Redaktion unserer Zeitung, schreibt an ihrem freien Tag an die "Schwer verliebt"-Kandidatin aus einem Ort in ihrer Nachbarschaft.

Am liebsten hätte sie sie während der Sendung in den Arm genommen: Vera Müller, Redakteurin in der Idar-Obersteiner Redaktion unserer Zeitung, schreibt an ihrem freien Tag an die „Schwer verliebt“-Kandidatin aus einem Ort in ihrer Nachbarschaft.

Liebe Sarah,

ich muss Dir ja nicht lange erklären, warum ich Dir schreibe. Diese unsägliche achtteilige TV-„Romanze „Schwer verliebt“ auf SAT.1, bei der Du am Sonntagabend in der ersten Folge dabei warst und ja auch bis zum Finale dabei bleiben wirst… Wir hatten ja auch vor dem Start schon Kontakt.

Als nun die erste Sendung ausgestrahlt wurde, habe ich lange überlegt, wem ich denn nun schreiben soll: SAT.1, um meinem Ärger über einen weiteren Höhepunkt einer unsäglichen Reihe von menschenunwürdigen TV-Formaten Luft zu machen? Denen ist es ohnehin völlig egal, was an Reaktionen kommt; Hauptsache, die Quote stimmt, und man setzt dem RTL-Renner „Bauer sucht Frau“ etwas entgegen…

Ich habe mich entschlossen, dir zu schreiben. Du bist das Opfer. Die Fernsehmacher und die Zuschauer sind die Täter. Du kommst aus meiner Heimat aus einem Ort in der Nähe von Idar-Oberstein. Und ich frage mich, wie es dir gerade geht.

Am liebsten hätte ich dich schon während der Sendung in den Arm genommen: In deinem Mädchenzimmer haben sich dich gefilmt, inmitten von mittlerweile 170 Barbies, die du sammelst, die du kämmst, die alle einen Namen haben. Und ein Poster habe ich entdeckt. Du magst die Vampir-Saga „Twilight“: Weißt du, dass du nun echten und so gar nicht romantischen Vampiren in die Hände gefallen bist, Sarah?

Die Fernsehmacher, über die du in unserem Telefonat vor der ersten Sendung am Donnerstag gesagt hast, dass sie nett gewesen seien, führen dich vor, stellen dich bloß, nehmen dir deine Würde, deinen Stolz. Sie saugen deine Seele aus. Ihnen ist jedes Mittel recht. Sie spielen mit deiner Einsamkeit, deinen Träumen und Sehnsüchten. Sie verkuppeln dich nicht. Sie veräppeln dich und machen dich lächerlich. Sie zeigen dich als Freak, der Sexstellungen mit Barbies nachspielt; das haben wir Mädels übrigens wohl fast alle getan. Und Nutella aus dem Glas löffeln, auch das haben fast alle schon mal gemacht.

Wusstest du, wie sie die Szenen schneiden? Musstest du diese Sätze sagen, die dich nicht wirklich „süß verpeilt“, wie du dich selbst charakterisierst, rüberkommen lassen? Und Moderatorin Britt Hagedorn, die gerne Inka Bause von „Bauer sucht Frau“ wäre, aber nur als ganz schlechte, arrogante, zynische Kopie rüberkommt… Dachtest du, die mag dich wirklich? Haben sie dir jene Aufmerksamkeit geschenkt und jene Sympathie geheuchelt, die du dir so sehr von anderen wünschst?

Wusstest du nicht, wie grausam die Medienwelt sein kann? Hast du das nicht geahnt? Wolltest du einfach nur mal ein bisschen berühmt sein, keine graue Maus mehr hinter einem Regal in einem Hunsrück-Supermarkt? War es wegen der 800 Euro, die es angeblich für die Kandidaten gibt? Ich will das alles nicht glauben.

Ich weiß: Du darfst mir (noch) keine Antworten geben; dein Vertrag mit SAT 1 verpasst dir sicher einen Maulkorb. Romantik, große Gefühle hatten sie Dir und uns Zuschauern versprochen. Warm wurde mir nicht ums Herz. Mir war eiskalt. Und dir? Hast du deinen Ken gefunden? Ich glaube es nicht, auch wenn ich es dir so sehr wünschen würde.

Ach Sarah, warum hat dich keine gute Freundin gewarnt? Warum haben dir deine Eltern nicht ins Gewissen geredet? Es hätte sicher bessere Möglichkeiten gegeben, dem Single-Leben ein Happy End zu bescheren; da hätte es jemanden gebraucht, der dich mal an die Hand nimmt. Stattdessen hast du dich selbst vor die Kamera gezerrt, gezwungen hat dich sicher niemand. Vielleicht bist du am Tag danach eher „Schwer geschockt“ als „Schwer verliebt“.

Vielleicht verstehst du aber auch gar nicht, warum ich mich jetzt so aufrege. Eines steht fest: Ich werde am nächsten Sonntag auf alle Fälle nicht noch einmal zuschauen, wie du, Erik und all deine anderen Leidensgenossen so gedemütigt werden. Und dazu fordere ich auch alle jene auf, die ein Herz und eine Seele haben.

Viele Grüße,

Deine Vera

Mail an die Autorin: vera.mueller@rhein-zeitung.net