Von unserer Berliner Korrespondentin Rena Lehmann
„Das ist ein Nachteil für Adoptiveltern“, sagt Carmen Thiele, Fachreferentin beim Bundesverband der Pflege- und Adoptiveltern (Pfad) in Berlin. In dem Verband sind bundesweit etwa 2000 Eltern organisiert. Jährlich finden in Deutschland derzeit zwischen 1500 und 1700 Kinder in fremden Familien ein neues Zuhause. „Das Hauptproblem ist, dass für die Rentenversicherung nur das Geburtsdatum des Kindes zählt“, erklärt Thiele. Die Regelung entspreche nicht der Lebenswirklichkeit von Adoptiveltern. „Die Kindererziehungszeiten müssten ab dem Moment gelten, wo das Kind in den Haushalt kommt“, sagt Thiele.
Ein Beispiel: Die Mutter eines Adoptivkindes aus Rheinland-Pfalz hat in den 60er-Jahren ein Kind mit dreieinhalb Jahren bei sich aufgenommen, das von der leiblichen Mutter vernachlässigt worden war. „Wenn diese Frau jetzt dafür seit 1. Juli mehr Mütterrente bekommt, das macht mich schon zornig“, sagt sie. Das Kind habe kaum sprechen können, als es zu ihr kam. Sie habe viele Jahre in die Erziehung investiert und habe demnach auch nicht mehr arbeiten gehen können. Die Rentnerin hält es für „nicht richtig“, dass sie überhaupt nicht von der Mütterrente profitiert.
Die sogenannten Kindererziehungszeiten, die für die Rente zählen, werden per Stichtag zugestanden. Für vor 1992 geborene Kinder werden seit 1. Juli die ersten 24 Monate ab der Geburt angerechnet. Das entspricht zwei Rentenpunkten – insgesamt monatlich etwa 56,28 Euro pro Kind. Für Kinder, die nach 1992 geboren sind, werden 36 Monate berücksichtigt (84,42 Euro pro Monat).
Für Adoptiveltern gilt deshalb: Kommt das Kind mit drei Jahren oder später in die neue Familie, werden den neuen Müttern gar keine Kindererziehungszeiten angerechnet. Kommen die Kinder früher in die Familien, werden die Erziehungszeiten zwischen Adoptivmutter und leiblicher Mutter aufgeteilt. Sind sowohl die leibliche als auch die Adoptivmutter bereits in Rente, profitiert allerdings allein die leibliche Mutter von der Verbesserung seit 1. Juli. Wenn das Kind bis zum zwölften Lebensmonat bei ihr lebte, bekommt sie den vollen Zuschlag für das zweite Jahr.
Rentenexperte Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband erklärt: „Die Kindererziehungszeiten sind eben nicht als direkte Honorierung von Kindererziehung zu verstehen.“ Deren Anerkennung sei weitgehend pauschal, „sodass es in Einzelfällen zu Ungerechtigkeiten kommen kann. Da besteht ein Konflikt mit allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen und dem Rentenrecht“, sagt er. Man brauche „differenziertere Lösungen“.