17.49 Uhr, es dauert nicht mehr lange. Allmählich kehren die letzten Wahlhelfer aus ihren Pausen zurück und gehen zu den Plätzen. Die allerletzten Briefwahlunterlagen trudeln ein, werden verteilt und auf Zulassung überprüft. Kurz vor 18 Uhr sind alle Briefwahlvorstände bereit, der Countdown läuft. Noch wenige Sekunden, es geht los, alle 18 Briefwahlvorstände in der großen Turnhalle am Schulzentrum in Niederbieber sind fokussiert und sortieren für die Auszählung vor. Wie für die Briefwahlvorstände in der großen Turnhalle, die am Bundeswahlsonntag erst mittags mit ihrer Tätigkeit beginnen, war es auch in einigen Wahllokalen im Kreis erst ruhig – etwa morgens in Ratzert.
Die Vögel zwitschern, Laub rieselt von den Bäumen vor dem Wahllokal in Ratzert. Es ist halb 10. Direkt am Eingang des Dorfpavillons, das als Wahllokal dient, wird auf die Maskenpflicht für Erwachsene hingewiesen. Auch ein Aushang zur Wahl und ein Musterstimmzettel hängen an der Tür. Innen ist es entspannt. Alle Wahlhelfer tragen aufgrund von Corona Masken. Sie sitzen zum Schutz hinter Plexiglasscheiben. Ein Einbahnstraßensystem ist eingerichtet. Nun betritt wenig später eine Wählerin das Wahllokal. Kurz vor dem Gottesdienst will sie rasch wählen – wie war noch nie eine Briefwählerin: „Bisher habe ich es immer so gemacht“, sagt Angelika Geyer. Für Ratzert, das in der VG Puderbach liegt, ist jede Urnenstimme wichtig. Denn im Juni gab es die Überlegung, dass die Ratzerter nicht mehr im eigenen Dorf, sondern im benachbarten Niederwambach wählen. Ortsbürgermeister und Wahlvorsteher Gerd Schumacher setzte sich dagegen ein. Rechtlich muss Ratzert, das 199 Wahlberechtigte hat, als eigenständiger Wahlbezirk mindestens am Ende des Wahltages die Anzahl von 50 Urnenwählern erreichen, damit zukünftig weiter im Dorfpavillon gewählt werden kann.
Stetiger Andrang in Heimbach-Weis
Während es Morgens in Ratzert ruhig zugeht, ist in der Turnhalle der Margaretenschule im Neuwieder Stadtteil Heimbach-Weis gegen halb 12, aber auch schon vorher mehr los. Teilweise stehen die Wähler Schlange, müssen kurz warten, bis sie eintreten können. Nach und nach gehen sie zu ihren zugewiesenen Wahlkabinen, der Hallenboden quietscht. „Wir haben einen stetigen Andrang“, sagt Wahlteambeisitzer Roland Zils. Das setzt sich über den Tag fort. Von 919 Wahlberechtigten, die in der Turnhalle Heimbach-Weis wählen können, kommen 517 – also deutlich mehr als 50 Prozent. Zusammen mit den Briefwählern ergibt sich hier eine hohe Wahlbeteiligung: „Die Wahlbeteiligung liegt bei mehr als 80 Prozent“, sagt Wahllokalleiter Martin Hahn. Ein Wähler hofft unter anderem darauf, dass die neue Regierung mehr soziale Gerechtigkeit schafft, erzählt er. Einem anderen ist es etwa wichtig, in Umweltfragen mehr auf Anreize und nicht auf Verbote zu setzen. Martin Hahn zeigt sich am Abend sehr zufrieden mit dem Verhalten der Wähler: „Es gab keine besonderen Vorkommnisse.“
Große Freude in Ratzert
Auch in Ratzert ist es so: „Alle haben sich an die Corona-Regeln gehalten“, betont Gerd Schumacher. Immer wieder kommen im Laufe des Tages Wähler vorbei, sie nutzen die Gelegenheit auch, um zu plaudern. „Die Leute suchen den Kontakt“, erklärte Wahlteam-Schriftführer Achim Geyer am Morgen. So auch Robert Graß, der kurz über seinen Urlaub erzählt. Ihn begleitet Regina Borkowsky. Beiden – wie auch den Ratzerter Wählern Angelika Geyer und Klaus Priesnitz – ist der Klima- und Umweltschutz wichtig. Regina Borkowsky ist seit zehn Jahren Frührentnerin, sie wünscht sich auch eine bessere Rentenentwicklung. Robert Graß möchte zudem eine soziale Veränderung: „Die Schere zwischen Arm und Reich soll nicht weiter auseinanderklaffen.“ Sie sind aber nicht die einzigen Urnenwähler im Dorf. Während morgens noch nicht unmittelbar abzusehen ist, ob Ratzert die Anzahl von 50 Urnenwählern erreicht, geht es dann doch sehr schnell. Schon gegen 12.37 Uhr zählt die Gemeinde 72 Urnenwähler. Am Ende des Tages sind es sogar noch deutlich mehr. Gemeinsam mit den Briefwählern kommt Ratzert auf eine Wahlbeteiligung von 87,44 Prozent: „Das ist die höchste Wahlbeteiligung, die wir je hatten“, freut sich Schumacher.
Auch bei der Briefwahl ist die Beteiligung hoch, in der Stadt Neuwied ist der Anteil laut Wahlbetreuer Markus Göbel höher als bei der Urnenwahl. Von 46.797 Wahlberechtigten in der Stadt Neuwied forderten 20.302 Briefwahlunterlagen an (Stand Sonntagmorgen um 10 Uhr): „Die Rücklaufquote lag bei 95,1 Prozent“, sagt Göbel. Allein in der Stadt Neuwied gibt es neben den 34 Urnenwahlbezirken 24 Briefwahlbezirke, rund 540 Menschen sind allein in der Deichstadt für die Wahl im Einsatz. Gegen 21 Uhr ist die Briefwahlauszählung, die für Neuwied komplett in Niederbieber erfolgt, fast geschafft: „Wir sind bis auf zwei Briefwahlbezirke durch“, sagt Göbel. In der großen Halle wurden 18 Briefwahlbezirke ausgezählt, in der kleinen Halle sechs. ten
Die Briefwahl hat vier Schritte
Im ersten Schritt werden die Briefwahlvorstände verpflichtet. „Die Briefwahlvorstände für Neuwied sind weitestgehend identisch besetzt wie bei der Landtagswahl“, sagt Wahlbetreuer Markus Göbel. Der zweite Schritt umfasst den Zulassungsvorgang. Da der Wähler nicht persönlich wie bei der Urnenwahl erscheint und die Identität im Wahllokal direkt geprüft wird, erfolgt die Legitimation bei der Briefwahl durch den Wahlschein. Beim dritten Schritt wird ausgezählt. Das Ergebnis wird an Stadtwahlamt übermittelt und in einer Niederschrift vermerkt. Im letzten Schritt wird alles verpackt und die Niederschrift final übergeben.