Betzdorf – Dr. Hüdayi Korkusuz aus Frankfurt ist noch immer ganz aufgeregt, wenn er erzählt, was seinem Bruder und dessen Familie am Freitagabend in Betzdorf im Bereich der Oehndorf widerfahren ist. Heftige Vorwürfe gibt es hier in Richtung Polizei. Der Radiologe aus Frankfurt hat inzwischen auch Anzeige gegen die Betzdorfer Polizei erstattet und zwei Anwälte eingeschaltet, erzählt er. Aufgegeben hat er die Anzeige bei der Polizei in Hachenburg. Die Polizei in Betzdorf spricht hingegen in einer ersten Stellungnahme von „viel Aufgeregtheit“ in dem Fall.
Der Reihe nach. Freitagabend, so Korkusuz, sei die Familie seines Bruders, Ehefrau und fünf Kinder – zwischen zwei und neun Jahre alt –, im Bereich der Oehndorf in ihrem Haus von zwei Personen überfallen worden. Die eine Person habe eine Eisenstange dabei gehabt, die andere eine Pistole. Die beiden Männer, erzählt der Arzt die Schilderungen seines Bruders, habe man auf das Einfamilienhaus zukommen sehen. Man habe schon Schlimmes geahnt, da man sich hier öfters als Ausländer von bestimmten Personen bedroht fühle. So habe sein Bruder mit einer Kamera die Sache aufgenommen, um zu dokumentieren, was passiere.
Fahndete die Polizei nicht nach den Tätern?
So hätten die zwei Männer Türen eingetreten. Die Familie schrie um Hilfe. Die Polizei sei alarmiert worden. Sie kam, so wird angegeben, nach zehn Minuten. Die Kamera war zwischenzeitlich auf den Boden gefallen. Sein Bruder, so der Frankfurter Arzt, habe versucht, sich mit einem Messer zu wehren. Als die Polizei am Ort war, da waren die beiden Männer bereits geflüchtet, sein Bruder wurde mit dem Messer in der Hand angetroffen.
„Für die Polizisten war sofort klar, da gab es Streit in der türkischen Familie, und es wurde mit einem Messer hantiert“, vermutet der Arzt. Voller Vorurteile sei da für die Beamten klar gewesen, wie die Sache ablief. „Der Bruder wurde in Handschellen abgeführt“, erzählt der Frankfurter. So sei ganz schnell aus dem Opfer ein Täter geworden. „Nirgends wurde weiter nach den zwei flüchtigen Männern gefragt“, ist ein Vorwurf. Und wohl das ganze Wochenende über wurde auch nicht gefahndet, ist seine starke Vermutung. „Wenn eine deutsche Familie überfallen worden wäre, dann wäre bei der Polizei ein ganz anderer Einsatz gelaufen“, ist sich der Frankfurter Arzt sicher.
Kinder völlig geschockt
Um die völlig geschockten Kinder habe sich auch niemand gekümmert. Da wurde kein Krankenwagen oder wenigstens Arzt hinzugezogen. Der in Frankfurt ansässige Arzt wurde von der Familie informiert, er fuhr schnell nach Betzdorf und traf seinen Bruder bei der Polizei an. „Da stand der noch unter Schock.“ Zwischendurch hatte er auch immer wieder Kontakt zur Familie und wusste, dass es den Kindern nicht gut geht. Ein Arzt müsse herbei. Von der Polizei aus, erzählt er, habe er einen Notarzt in den Bereich Oehndorf angefordert. Doch der sei dort nie angekommen. „Den hat jemand wieder abbestellt“, ist der starke Verdacht von Korkusuz. Das will der Radiologe nun genau klären lassen. Schließlich würden Notrufe ja aufgezeichnet. Ebenso geht es ihm um all die anderen Umstände in dem Fall. „Hier hat die Polizei auf ganzer Linie versagt“, ist sich der Frankfurter schon jetzt sicher.
Als er schließlich bei den Kindern in der Wohnung war, da waren seit dem Überfall drei Stunden vergangen, hätten diese, wie auch deren Mutter, noch immer unter Schock gestanden. Erst auf sein Drängen hin sei dann ein Notarzt zu den Kindern gekommen. Auch dieser habe festgestellt, dass die Kinder unter Schock stehen würden.
Was lange Zeit niemand mitbekommen hatte, war, dass die zu Boden gefallene Kamera weiter gefilmt hatte. So seien die Hilfeschreie der Familie zu hören und auch der weitere Ablauf in der Wohnung nachvollziehbar.
„Objektiv aufgerollt“
Norbert Skalski, Chef der Polizeiinspektion in Betzdorf, ist die Beschwerde/Anzeige in dem Fall bekannt. Jeder Punkt werde nun abgearbeitet. Das sei im Interesse der Polizei, und das wollten auch die betroffenen Polizisten. „Das wird hier objektiv aufgerollt.“ In einer ersten Reaktion sieht Skalski hier „viel Aufgeregtheit“ auf der einen Seite und ein sachliches Herangehen von der Polizei auf der anderen Seite.
„Derzeit sehe ich keine Verfehlung auf unserer Seite“, sagt der Betzdorfer Polizeichef, der auch keine Probleme damit hat, wenn eine andere Dienststelle die Vorgänge überprüft. Am heutigen Dienstag kann er mit den betroffenen Kollegen reden, dann sind sie wieder im Dienst.
Von unserem Redakteur Andreas Neuser